Manuel Hagel lässt nicht den geringsten Zweifel an seiner Abneigung gegen die AfD. Seit Monaten grenzt er sich kategorisch von der Rechtsaußenpartei ab. Es ist ein fester Bestandteil seiner Reden und Interviews. Doch dem jungen CDU-Landeschef von Baden-Württemberg, der Ministerpräsident werden will, reicht das nicht mehr. Als Hagel am Freitagnachmittag im Congress Center von Heidelberg auf einem Landesparteitag vor mehr als 300 Delegierte trat, geriet seine Rede zur Abrechnung mit der AfD.

Der CDU-Landesverband wollte sich am Wochenende mit einem neuen Wahlprogramm und Hagels Wiederwahl auf letzte Phase der Landtagswahl am 8. März einstimmen. Dazu gehörte für Hagel ein Frontalangriff auf die AfD. Der 37-Jährige bezeichnete sie unter lautem Applaus als „Kostümkonservative“, als „Höflinge“ von Russland Präsident Wladimir Putin. Seine CDU werde „mit diesen Leuten weder kollaborieren noch koalieren. Wir sind das Bollwerk gegen diese Leute. Wir haben mit diesen Leuten nichts gemeinsam.“ Und dann versuchte er die Debatte über die vieldiskutierte Brandmauer für sich aufzulösen: „Wir brauchen keine Brandmauer, weil wir die Brandmauer sind.“

Drei Monate vor der Landtagswahl erklärte der Christdemokrat, der sich als „moderner Konservative“ versteht, die AfD zum politischen Erzfeind. „Es wird um die Fragen gehen: Wir oder die AfD“, sagte Hagel. „Die AfD ist unser Gegner. Die AfD hasst alles, was wir an diesem Land lieben.“ Sich auf politische Konkurrenten derart zu fokussieren, birgt Risiken, weil es ihnen zusätzliche Aufmerksamkeit beschert. Doch Hagel sieht darin eine Chance, enttäuschte Wähler für die CDU zurückzugewinnen. Und er weiß, dass man die AfD im Schlechtreden der aktuellen Situation nicht überbieten kann.

Der Landtagswahlkampf ist geprägt von der großen Krise der Automobilindustrie. Tausende Stellen werden im Ländle gestrichen. Der zentrale Wirtschaftsfaktor im Südwesten hat schwere Schäden erlitten. Hagel spricht über die Probleme, die drohende Arbeitslosigkeit, doch er legt Wert auf eine „positive Zukunftserzählung“. Er will mit einer „Agenda der Zuversicht“ in der Wirtschaftspolitik neue Lösungswege aufzeigen. Er ist gegen das geplante EU-weite Aus für den Verbrennermotor 2035 und will den Südwesten zum Standort für KI und Technologie umbauen.

Seine Partei liegt in Umfragen seit über zwei Jahren konstant vorn und kommt auf 29 Prozent. Dahinter rangieren AfD (21 Prozent), Grüne (20 Prozent), SPD (10 Prozent), Linke (7 Prozent), FDP (5 Prozent). Doch bis zur Landtagswahl sind es noch drei Monate, und der Vorsprung ist tückisch, weil die politische Stimmung stark schwankt. Hagel ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Zuspitzung notwendig ist.

Mit Anti-AfD-Kurs will Hagel Mobilisierung erreichen

Hagels drängendstes Problem sind nicht so sehr die Grünen mit ihrem scheidenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und ihrem bundesweit bekannten Spitzenkandidaten Cem Özdemir. Die Öko-Partei hat nach einer rot-grünen und zwei grün-schwarzen Koalitionen ihre Dominanz im Ländle eingebüßt. Eine Genervtheit gerade im ländlichen Raum ist zu spüren. Es gibt Sticheleien in der CDU gegen den Noch-Koalitionspartner. Hagel muss aber auch einkalkulieren, dass die Grünen erneut als Koalitionäre in Frage kommen könnten, denn eine favorisierte Deutschlandkoalition mit den chronisch maladen SPD und FDP erscheint wenig realistisch.

Das größere Problem für Hagel ist die AfD, die sich in einer jüngsten Umfrage auf den zweiten Platz geschoben hat. Diese Tendenz sorgt für Unruhe bei den Christdemokraten, zumal viele frühere CDU-Stammwähler bei der Rechtsaußenpartei angelangt sind. Die Probleme der schwarz-roten Bundesregierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erzeugen Gegenwind, während die AfD davon zu profitieren scheint. Hagel will mit einem Anti-AfD-Kurs eine Mobilisierung für seine Partei erreichen.

Dabei unterscheidet er zwischen der Partei AfD, ihren Funktionären und Wählern. „Wenn wir die Wählerinnen und Wählern der AfD ausgrenzen, wäre das ein schlimmer Fehler“, mahnte Hagel in Heidelberg. Das seien keine Extremisten. „Für diese Menschen brauchen wir goldene Brücken zurück in die bürgerliche Mitte in unserem Land.“

Kein Wort verlor der CDU-Spitzenkandidat über das Rentenpaket, das der Bundestag am Freitag wenige Stunden zuvor mehrheitlich verabschiedet hatte. Hagel hatte zuletzt den Widerstand der Jungen Union öffentlich unterstützt und sich in eine Frontstellung zu Merz gebracht. Der Schwabe hat sich in den vergangenen Monaten sachpolitisch immer wieder gegen die Bundesregierung profiliert. Hagel kritisierte die Aufweichung der Schuldenbremse, machte Druck auf Berlin, sich für die Rücknahme des geplanten Verbrenner-Aus 2035 einzusetzen. Offenbar will er im Wahlkampf die Rolle des Kanzlerkritikers nicht überstrapazieren.

„Eine Arbeitsministerin muss doch für die Arbeitgeber kämpfen“, kritisiert Hagel Bas

Bei Bundesarbeitsministerin und Co-SPD-Parteichefin Bärbel Bas allerdings konnte er sich nicht zurückhalten. „Was es jetzt wirklich nicht braucht, ist eine Bundesarbeitsministerin, die unseren Arbeitgebern den Kampf ansagt“, sagte Hagel unter stürmischem Applaus in Heidelberg. „Eine Arbeitsministerin muss doch für die Arbeitgeber kämpfen und nicht gegen sie. Eine Arbeitsministerin, die Arbeitgeber angreift, greift doch am Ende, weil es um Arbeitsplätze geht, immer auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an.“ Hagel gibt ein Unbehagen in der CDU über den Koalitionspartner wieder. Die ersten Monate mit all ihren Rückschlägen haben in der Union die Zweifel gemehrt.

Das weiß auch der Chef des Bundeskanzleramtes, Thorsten Frei, zugleich einer der Stellvertreter von CDU-Landeschef Hagel im Ländle. Frei traf erst am Freitagabend aus Berlin in Heidelberg ein und hielt eine kurze Bewerbungsrede für seine Wiederwahl. Es gehe darum, „alle Kräfte zusammenzureißen“, man müsse der Landtagswahl „alles unterordnen“. Er wisse, dass Berlin eine „ganz besondere Verantwortung“ habe, „wenn es darum geht, den Kolleginnen und Kollegen, die jetzt im Landtagswahlkampf stehen, eine Rampe zu bauen und die Voraussetzungen möglichst gut zu gestalten“, um zu gewinnen. Dann wagte Frei Selbstkritik, denn er wird für die Abstimmungsprobleme im Regierungsapparat mitverantwortlich gemacht. „Ich weiß, dass wir darauf noch Luft nach oben haben und dass wir besser werden müssen und besser werden können, damit wir für unser Land die besten möglichen Entscheidungen treffen. Wir haben jetzt schwierige Tage hinter uns, schwierige Wochen hinter uns“, gestand Frei.

Aber er betonte auch, dass die CDU ein Talent habe, „die eigenen Leistungen, die wir dann trotz allem haben, unter den Scheffel zu stellen“. Er nannte das beschlossene Wehrdienstmodernisierungsgesetz, Aktivrente, die Erhöhung der Pendlerpauschale, Absenkung der Gastro-Steuer auf 7 Prozent. Die Bundesregierung habe „erkannt, wo die Herausforderungen liegen, und wir haben die Kraft dazu, diese Herausforderungen auch zu bewältigen“, versprach Frei.

Am Samstag gab es auf dem CDU-Parteitag in Heidelberg doch noch Lob für Merz von ungewohnter Seite. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kam als Hagels Wahlhelfer nach Heidelberg und löste immer wieder begeisterten Jubel aus. Beide schwärmten von einer politischen und wirtschaftlichen „Südschiene“. Söder zollte zwar dem 72-jährigen Noch-Ministerpräsidenten Kretschmann seinen Respekt. Sie hätten gut zusammengehalten und würden sich gut verstehen, „aber er ist halt ein Grüner“. Und dem Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir gab er auch noch gleich eins mit: „Wenn man jetzt quasi 70-Jährige durch 60-Jährige ersetzt, ist das kein echter Neuanfang. Ich glaube, Baden-Württemberg braucht eine echte Verjüngung.“

Zwischendurch wandte sich Söder dem Bund zu, und sein Lob klang nicht einmal vergiftet. Er beglückwünschte die Bundestagsfraktionen zur Rentenabstimmung. Der Beschluss sei gut, aber er danke auch der Jungen Union, die sich eingebracht habe. Söder stützte Merz in der „Stadtbild“-Debatte: „Natürlich hat sich was verändert. Wer glaubt die Realität wegdiskutieren zu können, der fördert das Radikale.“ Er profilierte sich als migrationskritischer Hardliner, auch als er die Mütterrente verteidigte. Die Frauen, die wegen der Kindererziehung zu Hause geblieben seien, erhielten nur eine geringe Rente und würden auf diejenigen schauen, die nach Deutschland einreisten und alles finanziert bekämen. „Wir geben unheimlich viel Geld an der falschen Stelle aus, aber wir müssen auch mal an die eigenen Leute denken“, sagte Söder, und der Saal applaudierte.

Der Bayer kritisierte, dass vermehrt junge Ukrainer nach Deutschland kämen, während darüber diskutiert werde, ob deutsche Soldaten dorthin geschickt werden sollten: „Junge ukrainische Männer sind jetzt gut in der Heimat aufgehoben und nicht bei uns.“

Söder warnte, und da schließt sich der Kreis zu Hagel, vor der AfD. Es gebe welche, die über eine Minderheitsregierung ohne die SPD spekulierten und die „Schmuddelkinder“ würden die Mehrheiten besorgen, dies sei überall in Europa gescheitert. Die AfD habe ein anderes Staatsverständnis, das eine übermächtige Staatsführung wolle – „und dann landen wir da, wo Putin ist“. Die AfD wolle raus aus der EU und aus der Nato: Und das sei „nichts anderes als Landesverrat“.

Kristian Frigelj berichtet für WELT über bundes- und landespolitische Themen, insbesondere aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

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