Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat während einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor einem gefährlichen Wiedererstarken des Antisemitismus in aller Welt gewarnt. Ungeachtet der Gräueltaten der Hamas-Terroristen gegen Zivilisten am 7. Oktober 2023 würden bei Demonstrationen in internationalen Hauptstädten Flaggen der Terrororganisation getragen, beklagte er. „Dies ist empörend.“ Die Demonstranten gingen für die Hamas auf die Straße und beschuldigten Israel dann der schlimmsten Verbrechen.
„Kritik an der israelischen Regierung ist möglich und manchmal vielleicht sogar notwendig“, sagte Merz. „Das halten die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel auch aus. Aber Kritik an der Politik der israelischen Regierung darf nicht als Vorwand für Antisemitismus missbraucht werden“, mahnte Merz. Er fügte hinzu: „Schon gar nicht in Deutschland, auch das zählt zu unserer geschichtlichen Verantwortung.“
Netanjahu sprach während der Pressekonferenz auch von „Gelegenheiten für Frieden“ in der Region, aber lehnte zugleich einen unabhängigen palästinensischen Staat weiter ab. „Die iranische Achse ist zerschlagen“, sagte er. „Wir glauben, dass es einen Weg gibt, einen umfassenderen Frieden mit den arabischen Staaten voranzubringen, und auch einen Weg, einen funktionierenden Frieden mit unseren palästinensischen Nachbarn zu schaffen“, betonte Netanjahu. „Aber wir werden keinen Staat vor unserer Haustür schaffen, der sich unserer Zerstörung verschrieben hat.“
Merz betont: Anerkennung Palästinas nur am Ende der Verhandlungen
Merz sagte, man arbeite „mit an dem Ziel eines neuen Nahen Ostens“, in dem auch der Staat Israel von seinen Nachbarn anerkannt werde. „Unsere Überzeugung lautet, die perspektivische Gründung eines palästinensischen Staats an der Seite Israels eröffnet vermutlich die beste Aussicht auf diese Zukunft.“
Es gehe zunächst darum, Schritt für Schritt den Friedensplan der US-Regierung zu implementieren. Merz betonte: „Was an dessen Ende steht, weiß heute von uns niemand. Und weil das so ist, hat auch die Bundesregierung anders als andere europäische Staaten von einer frühzeitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates Abstand genommen. Wir werden das auch in absehbarer Zukunft nicht tun.“ Einem solchen Staat fehlten bis jetzt alle Voraussetzungen dafür, überhaupt ein selbstständiger Staat sein zu können.
Merz betonte unter Verweis auf die deutsche Geschichte mit sechs Millionen getöteten Juden während des Zweiten Weltkrieges, Deutschland stehe immer an der Seite Israels. Dies sei auch in den vergangenen Jahren der Fall gewesen nach den Hamas-Anschlägen. Allerdings müsse sich auch Israel bei seinem militärischen Vorgehen am Völkerrecht messen lassen. Zugleich forderte der Kanzler aber auch, dass es im Westjordanland keine Annexionsschritte geben dürfe.
Netanjahu sagte, die erste Phase des Gaza-Plans von US-Präsident Donald Trump sei „fast vorbei“, im Gazastreifen befinde sich noch die Leiche einer Geisel. Eine Entwaffnung der islamistischen Terrororganisation Hamas sei eine Vorbedingung für eine friedliche Regelung, betonte er mit Blick auf das weitere Vorgehen. Die zweite Phase des Waffenruhe-Plans werde schwieriger sein als die erste.
Die Hamas erklärte sich am Samstag unter bestimmten Bedingungen zur Abgabe ihrer Waffen bereit. Voraussetzung sei ein Ende der „Besatzung“, erklärte Anführer Chalil al-Hajja. Wie das Büro von al-Hajja auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP präzisierte, forderte der Hamas-Anführer damit einen souveränen Palästinenserstaat, an den die Hamas bei einem Rückzug der israelischen Armee ihre Waffen übergeben könnte.
Merz in Yad Vashem
Vor seinem Treffen mit Netanjahu hatte sich Merz bei einem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zu der dauerhaften deutschen Verantwortung für Israel bekannt. Der Bundeskanzler schrieb ins Gästebuch: An diesem Ort sei „mit Händen zu greifen, welche bleibende historische Verantwortung Deutschland trägt“. Deutschland müsse für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. „Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen, und zwar für immer.“
Er verneige sich „vor den sechs Millionen Männern, Frauen und Kindern aus ganz Europa, die von Deutschen ermordet wurden, weil sie Juden waren“, schrieb der Kanzler. „Wir werden die Erinnerung lebendig halten an das furchtbare Verbrechen der Shoa, das Deutsche am jüdischen Volk begangen haben.“
Die 1953 gegründete Gedenkstätte Yad Vashem dient der Erinnerung, Forschung, Dokumentation und Bildung mit Bezug auf den Holocaust. Die Stätte bewahrt Millionen von Namen und Dokumenten auf, um die Erinnerung lebendig zu halten und zukünftige Generationen über die Verbrechen des Holocaust aufzuklären. Derzeit bereitet Yad Vashem die Einrichtung eines Holocaust-Bildungszentrums in Deutschland vor.
Merz war am Samstagabend zu seinem ersten Besuch in Israel seit seinem Amtsantritt als Bundeskanzler eingetroffen. Bereits bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog nach seiner Ankunft hatte er die dauerhafte deutsche Unterstützung für Israel bekräftigt.
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