Mit einem offenen Brief unter dem Titel „Kabuler Appell“ kritisieren deutsche Persönlichkeiten die Bundesregierung für die aus ihrer Sicht verzögerte Einreise von mehr als 2000 Afghanen mit Aufnahmezusagen der Vorgängerregierung. In dem Schreiben ist unter anderem von einem „beschämendem Taktieren“ der Politik die Rede.
Zu den Unterzeichnern gehören „ZDF Magazin Royale“-Moderator Jan Böhmermann, die Schauspielerinnen Iris Berben und Collien Fernandes oder der ehemalige ZDF-Redaktionsleiter des „heute-journals“ Claus Kleber und WELT-Autor Deniz Yücel. Sie rufen dazu auf, gefährdeten Afghanen mit gültiger Aufnahmezusage den Rechtsweg zu ermöglichen.
Zugleich bitten die Unterzeichner um Spenden, damit die anwaltliche Vertretung der Betroffenen zu finanzieren, die der Verein „Kabul Luftbrücke“ gemeinsam mit einer Gruppe von Anwälten organisiert.
Verhalten der Regierung sei „zutiefst verletzend“
Schon im Herbst hatten sich rund 600 der Betroffenen mit einem zweiseitigen Schreiben an die Bundesregierung gewandt, in dem sie schilderten, dass sie nicht vor Armut, sondern vor „Gewalt und Tod“ geflohen seien. Kritik äußerten sie zudem am Angebot des Bundesinnenministeriums, im Gegenzug für mehrere Tausend Euro auf den zugesagten Schutz zu verzichten. Dies sei „zutiefst verletzend“.
Die Bundesregierung von Union und SPD hatte die Aufnahmeprogramme für Menschen aus Afghanistan Anfang Mai vorerst gestoppt. In den vergangenen Wochen kamen dann aber mit mehreren Flügen Afghanen mit Aufnahmezusage von Pakistan nach Deutschland. Zuvor hatte es mehrere Gerichtsentscheidungen dazu gegeben.
Insgesamt hoffen noch knapp 1900 Afghanen aus verschiedenen Aufnahmeprogrammen auf eine Aufnahme in Deutschland. Darunter sind auch ehemalige Ortskräfte mit ihren Angehörigen. Sie hatten vor der erneuten Machtübernahme durch die islamistischen Taliban vor mehr als vier Jahren für deutsche Institutionen gearbeitet.
Die pakistanische Regierung hat Deutschland noch bis Ende des Jahres Zeit eingeräumt, seine Aufnahmeprogramme abzuschließen. Danach drohen weitere Abschiebungen nach Afghanistan.
Insgesamt fordern 250 Organisationen die Aufnahme
Die „Kabul Luftbrücke“ ist nicht die einzige Organisation, die die Aufnahme der Familien fordert. Zum Internationalen Tag der Menschenrechte an diesem Mittwoch rufen insgesamt 250 Organisationen dazu auf, die gefährdeten Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. „Tun Sie jetzt alles in Ihrer Macht Stehende, um die Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage bis Jahresende nach Deutschland zu holen“, heißt es in dem namentlich an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Außenminister Johann Wadephul (CDU) gerichteten Schreiben.
Unter den Unterzeichnern dieses offenen Briefes sind unter anderem Pro Asyl, Brot für die Welt, Amnesty International Deutschland und Human Rights Watch. Helen Rezene, Co-Geschäftsführerin von Pro Asyl, nannte die Rettung aller Menschen mit Aufnahmezusage den „Lackmustest für Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Humanität dieser Bundesregierung“.
Nach Angaben der beteiligten Anwälte von „Luftbrücke Kabul“ warten derzeit etwa 450 Familien mit gültigen Aufnahmezusagen auf ihre Ausreise. Häufig müssten Gerichte angerufen werden, um die Visa-Erteilung durchzusetzen. Anwaltssprecher Matthias Lehnert erklärte, Aufnahmezusagen würden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilweise nach gewonnenen Verfahren widerrufen. In weiteren Klagen hätten die Anwälte jedoch erreicht, dass die Zusagen wiederhergestellt wurden. Visa würden häufig erst erteilt, wenn Gerichte Zwangsgelder androhten. Einige Familien hätten sich durch mehrere Instanzen klagen müssen, um die Einreise nach Deutschland durchzusetzen.
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