Zwölf Menschen, darunter einer der mutmaßlichen Täter, sind bei einem Angriff am Bondi Beach in Sydney ums Leben gekommen. Ein zweiter mutmaßlicher Schütze befindet sich schwer verletzt in Polizeigewahrsam, sein Zustand ist kritisch. Zwölf weitere Menschen wurden verletzt, darunter zwei Polizeibeamte. Zudem wurde am Tatort ein mutmaßlicher improvisierter Sprengsatz entdeckt, der derzeit vom Bombenentschärfungsdienst untersucht wird. Die Polizei ermittelt derzeit noch, ob ein dritter Attentäter geflohen sein könnte.

Die Katastrophe, die sich in diesen nüchternen Zahlen zusammenfassen lässt, begann an einem Sommerabend, der kaum australischer hätte sein können. Bondi Beach, einer der beliebtesten Strände Sydneys gab an diesem Sonntag – bei rund 30 Grad und schon tiefstehender Sonne – eigentlich ein Bild der Idylle ab. Familien saßen im Sand, Kinder spielten am Wasser, Touristen schlenderten entlang der Promenade, als plötzlich Schüsse knallten.

Inzwischen kursiert ein Video im Netz, das zeigt, wie ein mutiger Mann einem der Attentäter das Gewehr aus der Hand reißt und ihn so vorerst außer Gefecht setzt.

In sozialen Netzwerken verbreiten sich zudem weitere Videos vom Tatort: Menschen rennen vom Strand weg, andere liegen am Boden, Ersthelfer knien neben Verletzten. Szenen, die sonst eher mit anderen Ländern als mit Australien verbunden werden – hier gibt es strenge Waffengesetze und vergleichsweise wenig Schusswaffengewalt.

Der Rettungsdienst NSW war nach eigenen Angaben um 18.45 Uhr Ortszeit (9.45 Uhr MESZ) alarmiert worden. Zunächst bestätigte er, dass sechs Menschen mit Schussverletzungen in umliegende Krankenhäuser gebracht worden seien. Wenig später stieg dann die Zahl der Toten und Verletzten dramatisch an. 25 Rettungseinheiten waren im Einsatz, darunter Hubschrauber.

Zeitpunkt und Ort des Angriffs sind brisant: Am Strand fand eine Veranstaltung der jüdischen Gemeinde statt, organisiert zur ersten Nacht von Chanukka, dem jüdischen Lichterfest, das in diesem Jahr bis zum 22. Dezember dauert. Hunderte Menschen waren zusammengekommen, darunter viele Familien mit Kindern.

Alex Ryvchin, Co-Geschäftsführer des Executive Council of Australian Jewry (ECAJ), sagte dem Radiosender 2GB, der Anschlag habe sich während dieser Veranstaltung ereignet. Der Mediendirektor der Organisation sei verletzt worden.

„Hunderte von Menschen waren versammelt. Es ist eine Familienveranstaltung“, sagte Ryvchin. „Sie hörten dutzende knallende Geräusche. Und die Leute fingen einfach an zu rennen, über Absperrungen zu rennen, ihre Kinder zu schnappen. Es war Chaos.“

Und weiter: „Ich glaube nicht, dass dies ein Angriff war, der zufällig am Bondi Beach stattfand. Ich denke, das war sehr bewusst und sehr gezielt.“ Wenige Stunden später stufte die Polizei den Angriff dann auch als Terroranschlag ein.

Augenzeugenberichte zeichnen ein Bild von wenigen Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Ein Zeuge sagte dem öffentlich-rechtlichen Sender ABC, die Attacke hätte etwa zehn Minuten gedauert – und nannte diese Zeit eine „absolute Hölle auf Erden“. Er habe Menschen in Blutlachen liegen sehen.

Ein anderer Mann berichtete ABC, er habe zwei schwarz gekleidete Schützen auf einer Fußgängerbrücke nahe einem Parkplatz gesehen, die auf die im Park versammelten Menschen gefeuert hätten.

Auch weiter oben, in den Restaurants mit Blick auf den Strand, griff die Panik um sich. Elizabeth Mealey, ehemalige Journalistin und Anwohnerin aus Randwick, saß im Restaurant Icebergs, als sie die Schüsse hörte. „Wir dachten, es sei Feuerwerk, aber das war es nicht. Es war etwas viel Schlimmeres“, sagte sie ABC. „Die Leute fingen an, den Strand hochzurennen. Es war Panik.“

Premierminister Anthony Albanese sprach noch am Abend von „schockierenden und verstörenden“ Szenen. Auch der Premier von New South Wales, Chris Minns, zeigte sich „zutiefst verstört“ angesichts der Berichte und Bilder.

Für viele Australier weckt die Tat schmerzhafte Erinnerungen. Erst im April 2024 war der Stadtteil Bondi von einem Amoklauf erschüttert worden. Am 13. April hatte der 40-jährige Joel Cauchi im Einkaufszentrum Westfield Bondi Junction wahllos Menschen mit einem Messer angegriffen. Sechs Menschen wurden getötet, mindestens zwölf weitere verletzt, darunter ein Baby. Der Täter, der an Schizophrenie litt, wurde von der Polizeibeamtin Amy Scott gestellt und erschossen.

Die erneute Gewalttat trifft Australien in einer ohnehin angespannten sicherheitspolitischen Lage. Erst im August hatte Albanese in Canberra einen diplomatischen Schritt von historischem Ausmaß verkündet: Australien wies den iranischen Botschafter aus – erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, wie die Regierung betonte. Zugleich schloss Canberra seine Botschaft in Teheran.

Nach Angaben der Regierung soll der Iran mindestens zwei Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Australien gesteuert haben: auf die Adass-Israel-Synagoge in Melbourne sowie auf das Restaurant Lewis’ Continental Kitchen in Sydney. Teheran wies die Vorwürfe zurück. Ob die Schüsse von Bondi in direktem Zusammenhang mit diesen Vorwürfen stehen, ist derzeit nicht bekannt. Die Polizei äußerte sich dazu nicht.

Bondi Beach steht für australische Leichtigkeit, für Sommer, Freiheit und Unbeschwertheit. Dass ausgerechnet hier, an einem warmen Sonntagabend, Menschen um ihr Leben rennen, erschüttert das Land. Während Ermittler nun Hintergründe und Motive prüfen, bleibt ein Gefühl, das sich nur schwer vertreiben lässt: dass Australien, bislang weitgehend verschont von solcher Gewalt, zunehmend Teil einer globalen Eskalation geworden ist.

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