„Das Flugzeug, das Friedrich Merz nach Berlin brachte, sah aus, als hätte jemand die ‚Air Force One‘ aufpoliert – und dann in der Wäsche schrumpfen lassen.“ Mit diesem spöttischen Satz beginnt die einflussreiche „New York Times“ ihren Artikel mit dem Titel „The Turbulent Times of Friedrich Merz“.

In den vergangenen Tagen sind in großen ausländischen Publikationen gleich zwei lange Texte erschienen, die sich mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz befassen. Während er in der „New York Times“ als zentrale Führungsfigur Europas beschrieben wird, der stark auf persönliche Beziehungen zu anderen Länderchefs setzt, sieht das US-Magazin „Foreign Policy“ Merz als schwächer an als Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Großbritanniens Premier Keir Starmer.

Merz sei ein Kanzler, „den die Berliner Blase schon lange vor Amtsantritt abgeschrieben hat“ – und über den „niemand, mit dem ich gesprochen habe, je ein gutes Wort gesagt hat“, schreibt Autor John Kampfner in dem renommierten US-Magazin für internationale Politik. Alles Mögliche werde ihm vorgeworfen: zu rechtslastig, zu unentschlossen, zu konfrontativ, zu wenig kompromissbereit, zu glatt, aber auch zu impulsiv. „Deutschland liebt es, Friedrich Merz zu hassen“, dabei mache es der Kanzler weitaus besser, als jedermann denkt.

„Die meisten Deutschen scheinen sich geradezu darin zu sonnen, über die Probleme ihres Landes zu klagen“, schreibt Kampfner. Waren es früher nur die „Jammerossis“, sei es inzwischen ein Sport in allen Regionen und sozialen Gruppen. Als Beispiel wird die ARD-Sendung „Arena“ herangezogen, in der Bürger Merz Fragen stellen konnten. „Sie überhäuften ihn mit Beschwerden über das Gesundheitssystem, Rentenfragen, die Probleme der Gastronomie, die mangelnde Bereitschaft junger Menschen zum Wehrdienst und über Migration.“

Während Macron und Starmer die Wähler wieder überzeugen konnten, scheint das bei Merz nicht der Fall zu sein. Gerade bei der Rente und der Wehrpflicht sei die Union zu sehr auf die SPD zugegangen. Merz solle zudem Reformen liefern, in einem Land, das gegenüber tiefgreifenden Veränderungen des Sozialstaates „nicht aufgeschlossen“ sei, schreibt Kampfner.

Doch für den Autor gibt es Licht am Horizont: Deutschland „habe Geld“, schreibt er – und meint die historische Schuldenaufnahme. Nach 20 Jahren der Stagnation gebe es eine „Sehnsucht nach Aufbruch“. 500 Milliarden Euro seien für Infrastruktur vorgesehen. Deutschland rüste auf, digitalisiere, repariere Brücken und Schulgebäude. Es passiere alles langsam, aber es passiere, heißt es bei „Foreign Policy“. So müsse es weitergehen. Merz „wird nie ein Publikumsliebling werden. Aber wenn er zumindest widerwilligen Respekt erhält, könnte seine Regierung überleben“, so das Fazit.

Ein „energiegeladener Verkäufer“

Die Europäer bräuchten den Hobby-Piloten Friedrich Merz tatsächlich als Piloten, schreibt die „New York Times“. Er sei ihr „unverzichtbarer Anführer“. Merz sei „ein streitbarer Politiker alter Schule“, der wie Trump mehr auf persönliche Beziehungen baue und seit jeher eine starke Zuneigung zu den USA habe. „Wie Trump“, wird Merz zitiert, „baue ich viel stärker auf persönliche Beziehungen als auf Beziehungen zwischen Staaten“. Merz und Trump telefonierten und schrieben sich regelmäßig, heißt es.

Allerdings stehe Merz unter Druck: Die größte Wirtschaft Europas schwächle, die AfD erstarke und bringe Merz in Bedrängnis. Zudem ließen die Ergebnisse seiner Politik auf sich warten. Auch die „New York Times“ schreibt, viele Ökonomen würden Merz vorwerfen, Reformen zugunsten seines Koalitionspartners, der SPD, verwässert zu haben.

Seit seinem Wahlsieg breche er immerhin deutsche Tabus – etwa bei den höheren Staatsausgaben oder bei einem starken Militär. Ein Zaudern oder Zweifeln, zum Beispiel am baldigen deutschen Aufschwung, sei bei ihm nie zu spüren. Teilweise wirke er wie ein „energiegeladener Verkäufer“, so die „New York Times“.

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