Mehrere Abgeordnete der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt reisten in der vergangenen Woche in die USA. Auf dem Programm stand unter anderem die Teilnahme an der Gala des New York Young Republican Club, einem wichtigen Termin der MAGA-Bewegung rund um Präsident Donald Trump. Für die Reise wurden nach Angaben des Ältestenrats im Landtag Kosten aus dem Fraktionsetat abgerechnet – also aus Steuergeldern, die eigentlich für die parlamentarische Arbeit bestimmt sind. In Magdeburg tagte während der USA-Visite zweimal der Landtag, die verreisten Abgeordneten fehlten.
Angeführt wurde die AfD-Delegation aus Sachsen-Anhalt von Teilen der Fraktionsspitze: dem stellvertretenden Vorsitzenden Hans-Thomas Tillschneider, seinen Stellvertretern Gordon Köhler und Matthias Büttner sowie dem Parlamentarischen Geschäftsführer Tobias Rausch. Begleitet wurden sie von weiteren Abgeordneten der Fraktion. Ulrich Siegmund, Fraktionschef der AfD im Landtag und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026, hatte den USA-Besuch seiner Kollegen Anfang November beim Bundesvorstand angekündigt.
Nach Recherchen von MDR und „Zeit“ reisten auch drei Ehefrauen mit, darunter die des Abgeordneten Rausch, die auch Mitarbeiterin der AfD-Landtagsfraktion ist. Nach Angaben der Fraktion werden Reisekosten der Abgeordneten gegenüber dem Landtag abgerechnet.
Gleichzeitig befand sich auch eine Gruppe von AfD-Bundestagsabgeordneten in den USA, darunter der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Markus Frohnmaier. Der Spitzenkandidat in Baden-Württemberg wurde auf derselben Gala als Ehrengast ausgezeichnet. Nach Recherchen von „Politico“ übernahm die AfD-Bundestagsfraktion für mehrere der beteiligten Abgeordneten die Kosten für Flüge und Hotels aus ihrem steuerfinanzierten Etat. Die Gala selbst schlägt mit Ticketpreisen zwischen 799 und 30.000 Dollar zu Buche. Diese Kosten müssen die AfD-Abgeordneten selbst tragen.
Auf Anfrage von WELT weist die AfD in Sachsen-Anhalt Recherchen von „Zeit“ und dem „MDR“ zurück, denen zufolge es zu einer zweckwidrigen Mittelverwendung gekommen sei. Fraktionsgeschäftsführer Patrick Harr gibt an, es habe sich bei der Reise um eine begründete Delegation gehandelt, deren Programmpunkte „dem Austausch mit internationalen Partnern und der Vorbereitung künftiger parlamentarischer Kooperationen“ gedient hätten. Die Delegation sei mit dem Ziel verreist, „politische und parlamentarische Kontakte zu pflegen und auszubauen“.
Harr verweist auf Gespräche im Deutschen Generalkonsulat in New York, einen Besuch bei der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen, einen „parlamentarischen Austausch“ mit Vertretern des New York Young Republican Club sowie ein Treffen mit der republikanischen Kongressabgeordneten Anna Paulina Luna in Washington, D.C. Er kündigte an, die entstandenen Kosten „im zulässigen Rahmen“ gegenüber Landtag und Fraktion abzurechnen. Die Reise der Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt soll laut „Bild“-Zeitung rund 50.000 Euro Steuergeld gekostet haben.
Ähnlich äußert sich die AfD-Bundestagsfraktion in Bezug auf die Delegationsreise rund um Frohnmaier. Ein Sprecher erklärte gegenüber WELT, der parlamentarische Zweck der mehrtägigen Reise sei „unter anderem durch Treffen mit Mitgliedern des US-Kongresses gegeben“ gewesen. Die Kosten der Reise von insgesamt acht Bundestagsabgeordneten werden mit 57.000 Euro beziffert, die über das Fraktionsbudget des Bundestages bereits abgerechnet worden seien.
Der Bundesrechnungshof verweist auf Anfrage von WELT auf den grundsätzlichen gesetzlichen Rahmen, der für Auslandsreisen aus Fraktionsmitteln gilt, ohne dabei einzelne Vorgänge zu bewerten. Fraktionen dürfen nach Abgeordnetengesetz nur solche Ausgaben tätigen, die ihrer parlamentarischen Arbeit dienen. Parteipolitische Zwecke sind ausdrücklich ausgeschlossen. Dabei umfasst der Fraktionsauftrag auch die „Zusammenarbeit mit Fraktionen anderer Parlamente und parlamentarischen Einrichtungen national und international“.
Während Bundestagsabgeordnete Auslandsreisen also grundsätzlich über ihren Fraktionsauftrag legitimieren können, ist eine solche Begründung für Landtagsabgeordnete deutlich schwieriger, da Landesparlamente keine außenpolitische Zuständigkeit haben.
Nach Angaben der Sprecherin des Landtagspräsidenten in Sachsen-Anhalt, Gunnar Schellenberger (CDU), dürfen Reisekosten generell nur erstattet werden, „wenn die Fraktion der Reise vor Beginn zugestimmt hat und ein parlamentarischer Bezug vorliegt“. Zur USA-Reise der AfD-Fraktion liegen der Verwaltung bislang keine Unterlagen vor. „Da bislang keine Erstattungen beantragt wurden, kann der Vorgang derzeit nicht geprüft werden“, so die Sprecherin. Die Kontrolle möglicher Zahlungen aus Fraktionsmitteln obliege „ausschließlich dem Landesrechnungshof“.
Dieser teilte auf Anfrage mit, dass Vorgänge aus dem Jahr 2025 „noch nicht Gegenstand einer Prüfung“ seien. Grundsätzlich dürften Fraktionskostenzuschüsse jedoch nur eingesetzt werden, wenn eine Auslandsreise einen „eindeutigen Bezug der Auslandsreise zur Fraktionsarbeit“ besitzt und im „Zusammenhang mit konkreten Themen der parlamentarischen Arbeit in der laufenden Legislaturperiode“ steht.
In seinem Sonderbericht von 2024 nennt der Rechnungshof dafür mehrere Voraussetzungen: eine „nachvollziehbare Dokumentation“ von Ziel, Zweck, Programm und Teilnehmern, „gesteigerte Anforderungen an die Begründung des eindeutigen Bezugs zur Fraktionsarbeit“, die Beachtung des „Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgrundsatzes“ sowie die „Begrenzung der Ausgaben und der Teilnehmerzahl auf das notwendige Maß“.
CDU fordert „unverzügliche Klarheit“
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Guido Heuer, verweist gegenüber WELT auf die übergeordnete Verantwortung der Abgeordneten: „Die Fraktionen erhalten Steuergelder zur Wahrnehmung ihrer parlamentarischen Aufgaben. Dass einige AfD-Abgeordnete aufgrund ihrer Reise nicht an der Landtagssitzung teilnehmen, zeigt den Stellenwert der Aufgabe als Parlamentarier.“ Gleichzeitig fordert Heuer mehr Transparenz ein. „Alle Fraktionen sind gegenüber der Landtagsverwaltung zur Abgabe von Rechenschaftsberichten verpflichtet. Daher erwarte ich, dass die AfD-Fraktion umgehend Transparenz bezüglich der Verwendung von Fraktionsmitteln und des inhaltlichen Fraktionsbezugs herstellt.“
Auch die SPD äußert deutliche Zweifel an Rechtmäßigkeit der Reise: „So wie man sich zunächst bei Putin ‚eingeschleimt‘ hat, macht man es jetzt bei Trumps MAGA-Leuten“, erklärt ein Sprecher der Landtagsfraktion. „Das hat mit der parlamentarischen Aufgabenwahrnehmung für den Landtag nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun.“
Die Fraktionsvorsitzende der Linken in Sachsen-Anhalt, Eva von Angern, bezeichnet die Reise als „unglaublichen Missbrauch an Steuergeldern“. Auch sie erkennt keinen ausreichenden Fraktionsbezug der Reise: „Die zweckgemäße Verwendung der Fraktionsgelder für diese Reise sehen wir als nicht gegeben.“ Sie fordert die Vorlage aller Unterlagen sowie eine gründliche Prüfung durch den Landesrechnungshof: „Hier braucht es Klarheit.“
Auch aus dem Bundestag kommt scharfe Kritik, sowohl an der Reise der Bundestagsabgeordneten als auch an der Visite der Landtagsdelegation. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, und die parlamentarische Geschäftsführerin Derya Türk-Nachbaur schreiben in einem Statement für WELT von einem „unerträglichen Verhalten“ der AfD. „Wer die immensen Kosten dieser Demagogen-Reise bezahlt, ist völlig unklar und intransparent. In Sachsen-Anhalt zahlt offenbar der Steuerzahler für diesen gefährlichen Unsinn.“ Die SPD fordere vollständige Transparenz: „Wir verlangen unverzügliche Klarheit über alle Finanzierungsdetails.“
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Ina Latendorf, betont, dass Fraktionsreisen nur genehmigt werden dürften, „wenn die Hauptmotivation der Reise einen parlamentarischen Bezug aufweist“. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, stellt einen parlamentarischen Zweck auch bei der Reise der AfD-Bundestagsdelegation rund um Frohnmaier infrage: Ein Bezug zur Mandatsarbeit sei „nicht bekannt“ – vielmehr gehe es um eine „Synchronisierung mit der MAGA-Bewegung“.
Maximilian Heimerzheim ist Volontär im Innenpolitik-Ressort.
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