Im Juli erklärte US-Präsident Donald Trump die Feuerpause zwischen Thailand und Kambodscha zu seinem persönlichen Triumph – und zu einem weiteren von ihm beendeten Krieg. Tatsächlich handelte es sich um einen fragilen, politisch erzwungenen Waffenstillstand, vermittelt unter Beteiligung Malaysias und erreicht durch hohen wirtschaftlichen Druck aus Washington. Trump jedoch reihte ihn ein in die Liste der angeblich acht Kriege, die er nach eigener Darstellung beendet haben will.

Doch die Kämpfe entlang der umstrittenen Grenze sind im Dezember erneut ausgebrochen und haben sich in den vergangenen Tagen ausgeweitet; schwere Waffen kommen zum Einsatz, Kampfflugzeuge bombardieren Ziele, Raketen schlagen in Grenzregionen ein. Der Waffenstillstand existiert nur noch auf dem Papier – und Trumps Selbstbild als globaler Friedensstifter gerät zunehmend ins Wanken.

Worum geht es in dem Konflikt und wie gefährlich ist er für die Region? Ein Überblick.

Was ist der Hintergrund des Konflikts?

Der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha ist nicht neu, sondern ein alter Grenzstreit, der immer wieder militärisch eskaliert. Seit mehr als hundert Jahren streiten beide Länder über den Verlauf ihrer rund 800 Kilometer langen gemeinsamen Landgrenze.

Die Wurzeln liegen in der Kolonialzeit: 1907 legten französische Kartografen – Frankreich war damals Kolonialmacht in Kambodscha – die Grenzlinie fest. Thailand hält diese Karte bis heute für fehlerhaft. Besonders umstritten sind Gebiete rund um historische Tempelanlagen.

Ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs von 1962, das zentrale Territorien Kambodscha zusprach, gilt in Phnom Penh als völkerrechtlich bindend, in Thailand hingegen bis heute als historische Ungerechtigkeit. Nationalistische Narrative auf beiden Seiten sorgen dafür, dass selbst kleine Zwischenfälle schnell politisch eskalieren.

Im Juli kam es zu den schwersten Gefechten seit Jahren. Nach fünf Tagen intensiver Kämpfe mit mehr als 40 Toten und Hunderttausenden Vertriebenen wurde ein „sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand“ vereinbart. Vermittelt wurde er von Malaysia, durchgesetzt auf Druck der USA. Trump drohte beiden Seiten offen mit dem Entzug von Handelsprivilegien, sollte es keine Einigung geben. Im Oktober wurde der Waffenstillstand bei einer Zeremonie in Malaysia in Trumps Anwesenheit formalisiert.

Doch die Waffenruhe war von Beginn an instabil. Im November setzte Thailand sie faktisch aus, nachdem mehrere seiner Soldaten durch Landminen schwer verletzt worden waren. Bangkok beschuldigt Kambodscha, neue Minen gelegt zu haben. Phnom Penh weist das zurück und verweist auf Altlasten aus früheren Kriegen. Die Spannungen nahmen weiter zu, begleitet von gegenseitiger Propaganda und militärischen Vorbereitungen.

Thailand begründet die aktuelle Eskalation damit, dass ein Ingenieurteam unter Beschuss geraten sei. Seither haben sich die Kämpfe auf mehrere Grenzabschnitte ausgeweitet. Thailand fliegt Luftangriffe, Kambodscha reagiert mit Raketen- und Artilleriebeschuss. Bei den Kämpfen wurde auch zivile Infrastruktur getroffen.

Wie ist die aktuelle Situation?

Zunächst hatten sich die in diesem Monat erneut aufgeflammten Gefechte noch auf einzelne Grenzabschnitte beschränkt. Am Montag jedoch erreichte die Eskalation eine neue Dimension: Kambodscha beschuldigt Thailand, auch die Provinz Siem Reap im nordwestlichen Teil des Landes bombardiert zu haben – jene Region, in der sich die weltberühmten Angkor-Tempel befinden.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Phnom Penh hat ein thailändisches Kampfflugzeug in der Provinz nahe einem Lager für Binnenvertriebene im Bezirk Srei Snam angegriffen. Es sei der bislang weiteste Vorstoß der thailändischen Streitkräfte auf kambodschanisches Territorium gewesen, erklärte Informationsminister Neth Pheaktra.

Das Auswärtige Amt warnte am Dienstag vor Reisen in das thailändische Grenzgebiet zu Kambodscha, einschließlich der vor der Küste der Provinz Trat liegenden und bei Touristen beliebten Inseln Ko Chang, Ko Mak und Ko Kut. In allen Provinzen entlang der Grenze zu Kambodscha wurde das Kriegsrecht verhängt. In Teilen der Provinzen Trat und Sakeo gelten derzeit nächtliche Ausgangssperren. Die Grenzübergänge zwischen Thailand und Kambodscha bleiben geschlossen.

Seit der erneuten Eskalation der Kämpfe im Dezember wurden nach Angaben der Behörden mindestens 32 Menschen getötet, darunter Zivilisten. Rund 800.000 Menschen wurden vertrieben.

Wie gefährlich ist der Konflikt für die Region?

Kurzfristig droht kein regionaler Flächenbrand. Doch die Gefahr liegt in der Dauer und der politischen Verhärtung. Thailand ist militärisch überlegen, insbesondere in der Luft. Kambodscha setzt auf asymmetrische Mittel und Mobilisierung entlang der Grenze. Beide Regierungen zeigen bislang wenig Bereitschaft, einzulenken.

Das liegt auch an der innenpolitischen Lage in Thailand, die seit Jahren als instabil gilt. Das Verfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren mehrfach Regierungschefs abgesetzt und Parteien aufgelöst. Im Februar findet eine vorgezogene Parlamentswahl statt, bei der Militär und sicherheitsnahe Kräfte ihren Einfluss ausbauen wollen.

Eine schnelle Einigung ist auch deshalb unwahrscheinlich: Der Grenzkonflikt stärkt das thailändische Militär, das daher kein Interesse an einer Deeskalation hat.

Dafür spricht auch die jüngste Forderung Thailands, wonach Kambodscha zuerst eine Waffenruhe ausrufen müsse. „Als Angreifer auf thailändischem Territorium muss Kambodscha zuerst den Waffenstillstand verkünden“, teilte die Sprecherin des thailändischen Außenministeriums, Maratee Nalita Andamo, am Dienstag mit. Kambodscha müsse „aufrichtig“ bei den Bemühungen um die Minenräumung an der Grenze kooperieren. Kambodscha reagierte darauf bisher nicht.

Für Südostasien ist die jüngste Eskalation hochproblematisch. Der Konflikt untergräbt die Glaubwürdigkeit des Staatenverbunds Asean, der sich als regionaler Stabilitätsanker versteht. Zwar versucht Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim erneut, in dem Konflikt zu vermitteln und hat beantragt, ein Beobachterteam des Asean zu entsenden, um die Lage vor Ort zu überwachen. Doch ohne politischen Willen in Bangkok und Phnom Penh bleibt der Handlungsspielraum begrenzt.

Was sagt die erneute Eskalation über Trumps Friedensbemühungen aus?

Auch Trump dürfte die aktuelle Eskalation nicht gefallen. Der Konflikt destabilisiert zum einen die ohnehin fragile Sicherheitsarchitektur in der Region. Zum anderen legt er die Grenzen seiner personalisierten Diplomatie offen und stellt Trumps Anspruch infrage, als globaler Friedensstifter in die Geschichte einzugehen. Der Ansatz des Republikaners – öffentlicher Druck, Selbstinszenierung, kurzfristige Deals – kann kurzfristig Kämpfe einfrieren, schafft aber in der Region bisher keine nachhaltige Lösung.

Anders als Trump es darstellt, steht eine Einigung auf einen neuen Waffenstillstand weiter aus. Am 12. Dezember hatte der US-Präsident mitgeteilt, Thailand und Kambodscha hätten sich darauf geeinigt, alle Kampfhandlungen „einzustellen“. „Beide Länder sind bereit für FRIEDEN und die Fortsetzung des Handels mit den Vereinigten Staaten von Amerika“, schrieb Trump auf der Online-Plattform Truth Social.

Dass weder Thailand noch Kambodscha Trumps jüngste Ankündigung bestätigten, gilt als diplomatischer Affront – und deutet bisher nicht auf entscheidende Fortschritte hin.

Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.

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