Hitzige Debatte bei „Markus Lanz“: Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek hat sich mit dem Moderator in der nach ihm benannten ZDF-Diskussionsrunde am Dienstagabend ein Wortgefecht geliefert. Lanz führte den Shootingstar der letzten Bundestagswahl mit einer Zahlenabfrage vor, Reichinnek empörte sich über die „Schulabfrage“.

Das Gespräch zwischen der Linken-Politikerin und Lanz begann mit Reichinneks Kritik an den Kabinettspersonalien der Union. Sie stimmte ihrer Parteichefin zu, die von einem „Sammelbecken von Wald- und Wiesenpolitikern und von abgehalfterten Managern und LobbyistInnen“ gesprochen hatte. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe sich diverse Manager ins Kabinett geholt, „in dem Irrglauben, dass jemand, der ein Unternehmen führen kann, auch Ahnung von Volkswirtschaft hat. Aber BWL und VWL sind zu recht unterschiedliche Disziplinen“, sagte Reichinnek.

Die designierte Wirtschaftsministern Katherina Reiche etwa sei „auf jeden Fall“ eine Lobbyistin. Reichinnek prangerte Reiches Wechsel aus der Politik (Reiche war von 2009 bis 2015 Staatssekretärin in verschiedenen Bundesministerien, d. Red.) in die freie Wirtschaft „ohne Karenzzeit“ an, inzwischen würde die Gesetzeslage so etwas nicht mehr erlauben. Reiche arbeitet derzeit als Vorstandschefin der Westenergie AG, einer E.on-Tochtergesellschaft. „Ich glaube, die Großkonzerne (...) werden sich die Hände reiben“, sagte die 37-Jährige. „Da sparen sich große Konzerne wahrscheinlich sehr viel Aufwand, wenn sie direkt am Kabinettstisch sitzt.“

Merz mit Donald Trump als Vorbild? Lanz ist fassungslos

„Besonders schockierend“ nannte sie die Nominierung des Kulturstaatsministers, Publizist Wolfram Weimer, der unter anderem um die Jahrtausendwende WELT-Chefredakteur war. „Was hat der denn mit einer bunten, vielfältigen Kultur zu tun?“, fragte sie und warf Merz vor, sich Donald Trump zum Vorbild zu nehmen und „sich den rechten Kulturkampf direkt ins Kabinett“ zu holen.

„Das ist jemand, der kluge Feuilleton-Stücke geschrieben hat“, entgegnete Lanz. Daraufhin Reichinnek: „Müssen Sie das jetzt sagen?“ „Wie kommen Sie darauf?“, fragte Lanz, sichtlich fassungslos. „Ich muss hier überhaupt gar nichts sagen, ich bitte Sie.“

Streitthema Wohnungsnot

Später widmete sich Lanz dem Thema Wohnungsnot, von dem er glaube, dass Reichinneks Forderungen einen Teil ihrer Popularität erklärten. Die Diskussion wurde an dieser Stelle zunehmend erhitzter, keiner ließ den anderen ausreden.

Dann stellte Lanz die Frage: „Wie viele Mietwohnungen gibt es in Deutschland?“ „Aber Sie müssten mich vielleicht einmal eine Sache zu Ende erklären lassen“, erwiderte Reichinnek. „Ich lasse Sie ja, ich will Ihnen nur helfen, sich nicht im rhetorischen Unterholz zu verlaufen“, konterte Lanz, ließ sie dann aber zum Thema Mietendeckel referieren – um den Bogen zurück zu seiner Faktenfrage zu schlagen. Die Zahl habe sie jetzt gerade nicht parat, sagte Reichinnek. „Ungefähr?“, hakte Lanz nach. Die Hälfte der Wohnungen sei Mietwohnungen, sagte die Fraktionschefin daraufhin.

„Also Sie reden sehr viel über Mieten und Mietendeckel, aber Sie wissen nicht, wie viele Mietwohnungen es in Deutschland gibt?“, fragte Lanz spitz.

Sie habe eben nicht jede Zahl parat und leide zudem gerade unter Migräne, reagierte Reichinnek patzig. „Es tut mir sehr leid, wenn ich diese Schulabfrage nicht beantworten kann.“ Es sei egal, ob es 10, 20 oder 50 Millionen Wohnungen betreffe – es betreffe Menschen, die sich das Wohnen nicht mehr leisten könnten.

Lanz lieferte natürlich die Auflösung: Es seien insgesamt 42 bis 43 Millionen Wohnungen, ungefähr 23 Millionen davon vermietet. Dann stellte Lanz die nächste „Schulabfrage“: Wie viele davon gehörten sogenannten „Kleinsparern“ und wie viele Wohnungskonzerne?

Reichinnek hielt die Frage für irrelevant, wichtig sei, dass Abzocke unterbunden würde, egal ob durch Großkonzerne oder durch Kleinsparer. Auch hier lieferte Lanz wieder die Zahl: 60 Prozent der Wohnungen gehörten „Kleinsparern, die kaufen sich Wohnungen, weil sie fürs Alter vorsorgen wollen“ – und haute die nächste Frage raus: Wie hoch die durchschnittliche Rendite sei? Statt mit einer Zahl antwortete Reichinnek mit der Frage, warum nicht die gesetzliche Rente gestärkt würde, damit die Leute nicht mit Wohnungskäufen fürs Alter vorsorgen müssten.

Lanz fuhr unbeirrt fort, die durchschnittliche Rendite liege zwischen 2,5 und 3,5 Prozent vor Steuern: „Sind das böse Miethaie, über die wir hier reden? Müssen wir die mit einem Mietendeckel bestrafen?“ Es folgte eine Diskussion über Mietpreisbremse, Wohnungslosigkeit (Lanz: „alles durcheinander“), sozialen Wohnungsbau, Berlins Erfahrungen mit dem Mietendeckel, wieder die Mietpreisbremse (Lanz: „auch so ein sozialistisches Konzept“) – bis sich schließlich die stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin Melanie Amann einschaltete. „Auch wenn da jetzt eine Schärfe drin ist, die ich ein bisschen sehr hart finde“, kommentierte sie den Streit vor laufender Kamera. Sie gab Lanz dann teilweise recht und zeigte Unverständnis dafür, dass Reichinnek die Zahlen nicht parat hatte.

„Ich bin auch nur ein Mensch“, entschuldigte sich Reichinnek, „mea culpa, da muss ich mich das nächste Mal besser vorbereiten.“ Sie verwehre sich aber gegen eine solche Abfragetechnik. Auch Lanz entschuldigte sich „Wenn das aggressiv war, tut es mir leid. Wir haben uns alle lieb.“

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