Die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD als gesichert rechtsextrem einzustufen war erst wenige Stunden öffentlich, als sich die US-Regierung darauf stürzte. „Verdeckte Tyrannei“ nannte Außenminister Marco Rubio den Schritt des deutschen Inlandsgeheimdiensts. Damit äußerte nach Vizepräsident J.D. Vance und Top-Berater Elon Musk das dritte hochrangige Regierungsmitglied in Washington Fundamentalkritik an Deutschland.

Für die neue Bundesregierung, die am Dienstag ihr Amt antritt, zeichnet sich damit ein großes Problem ab. Nicht nur sind die USA derzeit ohnehin schon ein unberechenbarer und damit schwieriger Partner, die Deutschland-Obsession im Trump-Lager wächst und hat mit Rubio nun auch jemanden erfasst, der eigentlich als traditioneller Außenpolitiker galt.

Als US-Vizepräsident J.D. Vance im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz Europa ein Demokratiedefizit vorwarf, war das Entsetzen groß. Dass mit Donald Trump jemand im Oval Office sitzt, der eine ungleiche Lastenverteilung in den transatlantischen Beziehungen beklagt und Veränderungen einfordern wird, war jedem klar. Dass die neue Führung in Washington aber hinterfragt, ob man die den Beziehungen seit Jahrzehnten zugrunde liegenden Werte teilt, war ein Schock.

„Wenn ihr Angst vor euren Wählern habt, dann gibt es nichts, was Amerika für euch tun kann“, warf Vance dem in München anwesendem Sicherheitsestablishment entgegen. Er bezog sich auf die in vielen Ländern hochgezogene und in Deutschland kurz vor der Bundestagswahl besonders heftig debattierte Brandmauer zu rechtspopulistischen Parteien.

Vance kritisiert Deutschland immer wieder

Die darauffolgenden Wochen haben gezeigt, dass dies kein Einzelfall war, sondern sich im Trump-Lager eine Obsession mit Deutschland entwickelt hat. Neben Vance mischte sich auch Top-Berater Elon Musk in die deutsche Innenpolitik ein. Offensiv warb er vor der Bundestagswahl für die Wahl der AfD – nur sie könne Deutschland retten.

Vance prangerte zwei vermeintlichen Missstände im Land an. Zum einen sei da der Umgang mit der AfD, woran er auch am Freitag wieder Kritik äußerte. „Die AfD ist die beliebteste Partei in Deutschland“, kommentierte er Rubios Post auf X. „Jetzt versuchen Bürokraten, sie zu zerstören“, so Vance. Zum anderen sei da die eingeschränkte Meinungsfreiheit. Mehrfach kritisierte Vance die Strafverfolgung von Hasskriminalität im Internet.

Beides muss in den Augen von Vance Konsequenzen für die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben. „Glauben Sie, dass der amerikanische Steuerzahler es hinnehmen wird, wenn jemand in Deutschland ins Gefängnis kommt, nur weil er einen gemeinen Tweet gepostet hat“, warf er bei CPAC, einer Konferenz konservativer Akteure, Ende Februar in den Raum. Auch der Umgang mit der AfD entfremde Berlin in Vances Augen von Washington.

Auch Rubio stichelt gegen Deutschland

Der Westen habe zusammen die Berliner Mauer eingerissen, hieß es in seinem X-Post am Freitag, und jetzt würde sie wieder errichtet. „Nicht von den Sowjets, nicht von den Russen, sondern vom deutschen Establishment“. Mit anderen Worten: Deutschland befinde sich ab sofort jenseits eines neuen Eisernen Vorhangs, der die freie Welt von der unfreien Welt trenne.

Während auf der Welt Kriege toben, deren Lösung die US-Regierung versprochen hat – sei es im Nahen Osten oder der Ukraine – widmet sich das Trump-Lager der deutschen Innenpolitik. Diese Prioritätensetzung ist bemerkenswert. Friedrich Merz, der am Dienstag zum Kanzler gewählt wird, und sein designierter Außenminister Johann Wadephul stehen damit vor einem diplomatischen Minenfeld, das sich so schnell nicht auflösen dürfte. Merz steht zur Brandmauer und wird nicht gewillt sein, sich in die Justiz einzumischen. Gleichzeitig darf er nicht zulassen, dass Washington dies zum Vorwand nimmt, etwa die Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland aufzukündigen oder abzubauen.

Hinzukommt, dass es nicht mehr nur Vance und Musk sind, die Vertreter des MAGA-Lagers, die Deutschland attackieren. Die jüngste Salve ging von Außenminister Rubio aus. Seine Einlassung kam nur einen Tag, nachdem er zur mächtigsten außenpolitischen Figur nach dem Präsidenten aufgestiegen ist. Am Donnerstag hatte Trump sein Kabinett umsortiert und Sicherheitsberater Mike Waltz wegen der Signal-Affäre zum UN-Botschafter wegbefördert. Dessen Job wird Rubio neben dem des Außenministers nun übernehmen.

Wenngleich dies als Übergangsarrangement gilt, wird er damit zum zentralen Entscheider in der US-Außenpolitik, da er nicht nur die Ausführung im State Department übersieht, sondern auch noch den Entscheidungsfindungsprozess im Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus.

Rubio warf seine eigenen Prinzipien über Bord

Rubio hat damit einen Aufstieg hingelegt, der nicht auf der Hand lag. Seine Nominierung als Außenminister war vielen im isolationistischen MAGA-Lager ein Dorn im Auge. Rubio galt ihnen als zu militaristisch und interventionistisch. Ihre Befürchtungen wurden war, als der Außenminister sich vehement gegen die Einsparvorgaben von Elon Musk wehrte und einen MAGA-Funktionär an der Spitze der sich in Auflösung befindlichen Entwicklungshilfebehörde USAID beseitigte.

Doch Rubio fiel bei Trump und Vance nicht in Ungnade – im Gegenteil. Geschickt inszenierte er sich mit gezielten TV-Auftritten als eiserner Verteidiger von Trumps Politik. Dafür warf er auch seine eigenen Prinzipien über Bord. War er früher als Russland-Falke bekannt, sah er von Kritik am Präsidenten ab, als dieser seinen ukrainischen Gast Wolodymyr Selenskyj im Oval Office demütigte und den Druck einseitig auf Kiew erhöhte. Stattdessen sprang er für Trump in die Bresche.

Auch dessen verschärfte Migrationspolitik verteidigte Rubio. Als Senator sprach er sich noch für den Schutz von Flüchtlingen des Maduro-Regimes in Venezuela aus. Davon will er dieser Tage nichts mehr wissen.

Dies hat ihn in Trumps engsten Zirkel befördert. „Wenn ich ein Problem habe, rufe ich Marco an. Er kriegt es gelöst“, lobte ihn Trump am Donnerstag.

Vereinte Front gegen Berlin

Dieser Kontext gibt seiner Attacke auf Deutschland erhöhtes Gewicht. Anders als Vance hatte sich Rubio bisher kaum über Deutschland geäußert. In seiner Senats-Anhörung nach der Nominierung kritisierte er zwar Berlins frühere Energieabhängigkeit von Russland, lobte aber den schnellen Bau der LNG-Terminals. Das sei ein „deutsches Wunderwerk der Ingenieurkunst“ gewesen, sagte er damals.

Nun schwenkt er aber auf den Kurs von Vance und Musk ein und bildet im Weißen Haus eine vereinte Front gegen Berlin. Die ersten USA-Reisen von Merz und Wadephul stehen damit unter schwierigen Vorzeichen.

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