Der wahrscheinlich exklusivste Tennis-Platz der Welt liegt in unmittelbarer Nähe des Petersdoms. Die Spieler haben einen einzigartigen Blick auf die Kuppel und die barocke Pracht des Vatikans. Papst Leo XIV. ließ ihn anlegen, als er noch ein ungewöhnlicher, sportlicher Mönch im Mutterhaus seines Ordens und für den Bau der Anlage verantwortlich war. Seine Begeisterung für das Tennisspiel und die Notwendigkeit, dass die Mönche sich bewegen sollten, soll ihn zum Bau des Platzes veranlasst haben.

In den stillen, riesigen Fluren des Hauptquartiers der Augustiner, das direkt an der Kolonnade des Petersplatzes liegt, herrschte angesichts der akuten Personalnot jahrelang eine ehrwürdige Stille. Lediglich in der geräumigen Kaffeeküche, bei Keksen und Snacks, war gelegentlich ein leises Tuscheln zu hören.

Begehrt war der Komplex vor allem, weil die Terrasse einen so fantastischen Blick auf den Vatikan gewährt, dass Fernsehsender sich für den Fall der Wahl eines Papstes mit langfristigen Verträgen das Recht sicherten, dort ihre Kameras aufbauen zu dürfen. Dass sie sich im Hause des künftigen Papstes auf die Live-Schalten aus Rom vorbereiten würden, ahnte natürlich niemand.

Die Erleichterung im Vatikan über die Wahl Leo XIV. ist überall spürbar. Die befürchtete Übernahme durch die Gruppe der „Diplomaten“ blieb aus. Es schien tagelang kaum einen Zweifel daran zu geben, dass Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin der nächste Papst würde und der Kardinal von Budapest, Peter Erdö, das Amt des Staatssekretärs bekommen würde, um die dafür nötigen Stimmen aus dem Lager der Traditionalisten zu beschaffen.

Die Kardinäle ließen nach der Wahl durchblicken, dass die Achse Parolin/Erdö keine Chance gehabt hatte, die 89 Stimmen zu erreichen. Die Anhänger des verstorbenen Papstes konnten sich auf einen Kardinal einigen, der ein Wunschkandidat von Franziskus gewesen wäre.

Mann der Mission unter den Armen

Robert Francis Prevost war Papst Franziskus aufgefallen, weil er sein wichtigstes Anliegen erfüllte: Die Kirche an die Seite der Armen zu rücken. Prevost, der Mönch aus dem alten Bettelorden, zu dem auch Martin Luther gehört hatte, sah sich als Mann der Mission unter den Armen. Er verbrachte einen großen Teil seines Lebens in verschiedenen Ämtern in Lateinamerika, vor allem in Peru.

Und er erfüllte damit eine der Hauptforderungen des verstorbenen Papstes, der aus Argentinien stammte: dass seine Priester „den Geruch der Herde“ annehmen sollten. Papst Franziskus hatte aus seiner Abneigung gegenüber den Klerikern, die ihr Leben in eleganten Büros verbringen, nie einen Hehl gemacht.

Prevost erfüllte zudem eine zweite wichtige Forderung des Papstes: sich um das Problem der Ursachen der Emigration zu kümmern. Prevost verstand offensichtlich das von Papst Franziskus ständig wiederholte Credo, dass die Menschen in Lateinamerika nicht arm geboren, sondern durch die Umstände „arm gemacht“ werden.

Allerdings gab es ein großes Problem, das einen Aufstieg von Prevost eigentlich nahezu unmöglich machte. Er ist ein Mönch, und zwar nicht irgendein Mönch, sondern gehört zum Orden der Augustiner. Während andere religiöse Orden, wie etwa die Salesianer, sehr weltgewandt sind und sich Aufgaben widmen, wie etwa derjenigen, in Schwierigkeiten geratenen Jugendlichen zu helfen, verstehen sich die Augustiner als Orden, der sich vor allem dem Gebet widmet. Eine Karriere innerhalb der Kirche sollen die Ordensbrüder nicht anstreben.

Der erste Augustiner auf dem Thron Petri

Eine Ernennung eines Augustiners zum Bischof ist sehr selten, eine Wahl zum Papst äußerst unwahrscheinlich. Noch nie hatte es ein Mönch der Augustiner auf den Thron Petri geschafft. Papst Franziskus war dieses Hindernis schon aus einem ganz simplen Grund egal: Es hatte ihn selbst betroffen.

Franziskus hatte zum Orden der Jesuiten gehört. Dieser Orden ist der einzige in der Geschichte der katholischen Kirche, der einen besonderen Schwur vorsieht. Nur die Jesuiten müssen neben Armut, Gehorsam und Keuschheit schwören, dass sie dem Papst immer in allem folgen werden.

Da ein Papst sich selbst kaum treue Gefolgschaft schwören kann, hatte es auch noch nie einen jesuitischen Papst gegeben. Daher sah Papst Franziskus auch kein Problem darin, Robert Francis Prevost, der es bereits zum Chef seines Ordens gebracht hatte, zum Kardinal zu erheben.

Franziskus war das Engagement von Prevost in Peru natürlich aufgefallen. Er hatte ihn auf der apostolischen Reise in das Land gut kennengelernt und seine Sympathie für ihn auch immer in einen Scherz verpackt. Der verstorbene Papst spielte in Gesprächen darauf an, dass sich viele Augustiner über die Lage ihres Hauptquartiers immer beschwerten, „weil das Haus viel zu nahe am Papst liege“. Prevost sei der Erste, dem diese Lage gefalle.

Für die frommen Männer im Vatikan ist es auch ein Zeichen des Himmels, dass Robert Francis Prevost die Titelkirche Santa Monica in Rom erhielt. Jeder Kardinal erhält mit der Entscheidung seiner Erhebung eine Kirche in Rom, seine sogenannte Titelkirche. Manche Kardinäle können sich bei Besuchen in Rom in riesigen, wunderschönen Kirchen der Innenstadt von den Gemeinden feiern lassen.

Die Titelkirche des Robert Francis Prevost hingegen ist die winzige Santa Monica Kapelle direkt am Vatikan, die zu seinem Orden gehört. Die Wahl Papst Leo XIV. hätte man allein deswegen schon erahnen können, meinen die besonders frommen Männer im Vatikan, weil der „Papst der Bescheidenheit“ Franziskus ihm die kleinste aller Kirchen gab – und damit auf ihn als seinen Nachfolger zeigen wollte.

Der Journalist und Buchautor Andreas Englisch lebt seit fast 40 Jahren in Rom und gilt als ausgesuchter Vatikan-Kenner. Zuletzt erschien sein Buch „Alle Wege führen nach Rom“ (Verlag C. Bertelsmann). Im Podcast „Konklave 2025“ analysiert er mit der Journalistin und Autorin Heike Kleen die Hintergründe der Papstwahl.

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