Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Angebot aus dem Kreml zur Wiederaufnahme von direkten Verhandlungen als gutes Zeichen gewertet. „Die ganze Welt hat darauf schon lange gewartet“, schrieb er in sozialen Netzwerken. Selenskyj beharrte auf die Forderung nach einer Waffenruhe. Das Einstellen der Kampfhandlungen sei der erste Schritt für die Beendigung des Krieges.

Es sei sinnlos, das Töten auch nur einen Tag lang fortzusetzen. „Wir erwarten, dass Russland die Feuerpause bestätigt – eine vollständige, anhaltende und verlässliche – die morgen am 12. Mai beginnt, und die Ukraine ist bereit, sich zu treffen“, schrieb der ukrainische Staatschef. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine die Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche in der Türkei angeboten –das Ultimatum aus Kiew zu einer längeren Waffenruhe ab Montag jedoch zurückgewiesen.

Die Friedensgespräche sollen nach Putins Willen bereits am kommenden Donnerstag (15. Mai) in Istanbul beginnen. Es gehe um eine Wiederaufnahme direkter Gespräche „ohne Vorbedingungen“, betonte Putin vor Journalisten in Moskau. „Wir schließen nicht aus, dass wir uns in diesen Gesprächen auf eine neue Waffenruhe einigen können“, fügte er hinzu, ohne die vorherige Aufforderung der Ukraine und ihrer europäischen Unterstützer an Russland zu einer 30-tägigen bedingungslosen Waffenruhe ab Montag direkt zu erwähnen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron nannte Putins Vorstoß „nicht ausreichend“. Voraussetzung für jegliche Verhandlungen sei eine bedingungslose Waffenruhe, sagte Macron am Sonntag auf der Rückreise von einem Besuch in Kiew in der polnischen Stadt Przemysl. Mit seinem Vorschlag wolle der russische Präsident „Zeit gewinnen“. Zwar habe sich Putin damit immerhin „bewegt“, es handele sich aber um ein Ausweichmanöver. Zunächst brauche es die von der „Koalition der Willigen“ befürwortete 30-tägige Waffenruhe. Er halte es für unmöglich, „dass die Ukrainer in Parallel-Gespräche einwilligen, während sie weiterhin bombardiert werden“.

Trump: „Eine große Woche steht bevor!“

US-Präsident Donald Trump gab sich indes zuversichtlich. „Ein möglicherweise großer Tag für Russland und die Ukraine“, schrieb er auf Truth Social. „Denkt an die Hunderttausenden Leben, die gerettet werden können, wenn dieses endlose ‚Blutbad‘ hoffentlich zu einem Ende kommt.“ Er werde weiter mit beiden Seiten arbeiten, um sicherzustellen, dass dies geschieht. „Eine große Woche steht bevor!“

Kremlchef Putin kündigte ein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für den heutigen Sonntag an. Er hoffe, dass Erdogan seine Bereitschaft bestätigen werde, zu einer Friedenslösung im Konflikt mit der Ukraine beizutragen.

Russland setzte indes seine Drohnenangriffe auf die Ukraine fort. In der Nacht und am Morgen meldeten die Hauptstadt Kiew sowie mehrere Gebiete, darunter Odessa, Charkiw und Dnipropetrowsk, erstmals seit der dreitägigen Waffenruhe zum Weltkriegsgedenken wieder vermehrt Luftalarm und verstärkte Drohnenangriffe.

Beide Kriegsparteien hatten sich auch nach Beginn der einseitig verkündeten Waffenruhe am Donnerstag gegenseitig Angriffe vorgeworfen. Selenskyj warf Putin vor, die Feuerpause der vergangenen Tage nur vorgetäuscht zu haben, um den 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg ungestört feiern zu können. „Die Angriffe an der Frontlinie gehen weiter“, sagte der Staatschef bei einem Treffen der aus verbündeten Staaten bestehenden „Koalition der Willigen“ in Kiew.

Merz lobt „größte diplomatische Initiative“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Regierungschef Donald Tusk waren am Samstag nach Kiew gereist, um Russland von dort aus ultimativ zu einem bedingungslosen Waffenstillstand aufzufordern.

Merz zeigte sich zunächst hoffnungsvoll. Im ZDF sagte er: „Dies ist die größte diplomatische Initiative, die es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren gegeben hat, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.“

Russland hatte von den USA und der EU als Voraussetzung für eine 30-tägige Feuerpause ein Ende der Waffenlieferungen an Kiew gefordert. „Andernfalls wird es einen Vorteil für die Ukraine geben“, sagte Kremlsprecher Peskow im Interview des US-Senders ABC. Die Ukraine würde eine Waffenruhe dazu nutzen, um ihre „totale Mobilmachung“ fortzusetzen, zusätzliche Truppen an die Front zu bringen, neue Soldaten auszubilden und den derzeitigen Kämpfern eine Atempause zu verschaffen, behauptete er. „Warum sollten wir der Ukraine solch einen Vorteil verschaffen?“ Russland komme selbst gerade bei seiner Offensive in der Ukraine voran und habe die Initiative, betonte Peskow.

Kreml reagiert gelassen auf Sanktionsdrohung

Russland reagierte gelassen auf die Drohung des Westens mit Sanktionen für den Fall, dass Moskau der Feuerpause nicht zustimmt. Man werde sich davon nicht einschüchtern lassen und habe sich ohnehin an die Strafmaßnahmen gewöhnt, sagte Peskow dem russischen Staatsfernsehen. „Wir stellen uns sogar schon vor, was wir nach der Verhängung dieser Sanktionen tun, wie wir ihre Folgen minimieren werden“, sagte er. „Uns mit Sanktionen Angst zu machen, läuft ins Leere.“

Die EU und die USA haben Russland bereits mit zahlreichen Sanktionen belegt, um dem Land die wirtschaftliche Grundlage für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine zu nehmen. Auch westliche Experten bescheinigen der russischen Wirtschaft aber eine Robustheit, die so nicht erwartet wurde. Zwar sind die vielen wirtschaftlichen Probleme unübersehbar, weil es etwa am einfachen Zugang zu westlicher Technik fehlt. Die Rohstoffgroßmacht nimmt aber weiter Milliarden etwa aus dem Öl- und Gasverkauf ein. Das Geld hält wiederum die Kriegswirtschaft am Laufen.

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