Thorsten Frei (CDU) ist als Kanzleramtsminister einer der engsten Vertrauten von Friedrich Merz. Während der Bundeskanzler Auslandsreisen und Antrittsbesuche absolviert, hält Frei die Stellung. Im WELT Nachrichtensender spricht er über den Umgang der CDU mit der Linkspartei, den Fall einer Afghanin, die auf Aufnahme in Deutschland klagt und die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung.

WELT: Herr Frei, in der CDU wird diskutiert, wie sich die Partei zur Linkspartei verhält. Auch Sie haben Ihre Position schon ein bisschen verändert und sich für eine Neubewertung ausgesprochen. Wo steht man jetzt? Zusammenarbeit mit den Linken, ja oder nein?

Frei: Nein, ich habe meine Position nicht verändert, sondern ich habe mich ganz offensichtlich nicht ganz klar ausgedrückt. Wir haben am vergangenen Dienstag erlebt, dass wir immer wieder in eine Situation kommen können, in der man vielleicht in geschäftsordnungsrechtlichen Fragen auch über Fraktionsgrenzen hinweg zusammenarbeiten muss, wenn man überhaupt von einer Zusammenarbeit sprechen kann. Aber das ist natürlich etwas ganz anderes als eine inhaltlich-programmatische Zusammenarbeit. Und da ist es so, dass die Beschlusslage in der CDU klar ist.

Wir haben seit 2018 einen Parteitagsbeschluss. Der kann auch nur durch einen Parteitag wieder aufgehoben werden. Ich sehe ehrlicherweise niemanden, der ernsthaft erwägt, diesen Beschluss in irgendeiner Weise zurückzunehmen. Und das hat mit inhaltlichen Gründen zu tun, denn die inhaltlich-programmatischen Differenzen mit der Linkspartei sind maximal. Wir liegen in der Wirtschafts-, Energie, Haushalts- und Finanzpolitik meilenweit auseinander, auch in der Gesellschafts- oder der Migrationspolitik. Es gibt keinen Ansatzpunkt, wie diese beiden Parteien überhaupt zusammenarbeiten sollten.

WELT: Das heißt, der Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linken bleibt. Herr Frei, ich würde mit Ihnen gerne auf die Außenpolitik schauen. In der Nacht ist ein Ultimatum der Koalition der Willigen ausgelaufen. Wenn sich Russland nicht zu einer 30-tägigen Waffenruhe bewegt, drohen Sanktionen. Wie geht es in der Frage weiter?

Frei: Wir haben in den vergangenen Tagen erlebt, welche Kraft wir in Europa entfalten können, wenn die Anführer der größten Länder – Großbritannien, Frankreich, Polen und Deutschland – zusammenstehen, eine gemeinsame Position beziehen und das auch mit dem amerikanischen Präsidenten abstimmen. Dann erreichen wir die höchste Wirkmacht. Und wir haben deutlich gemacht, dass man nur auf der Grundlage eines Waffenstillstands letztlich auch vernünftige Gespräche führen kann. Es ist schwer vorstellbar, wie man darüber sprechen soll, wie man aus dieser schwierigen Situation herausfindet, wenn gleichzeitig die Zivilbevölkerung bombardiert wird.

WELT: Kommen denn jetzt die Sanktionen? Das war eigentlich der Sinn dieses Ultimatums.

Frei: Es ist vor kurzer Zeit das 17. Sanktionspaket verabschiedet worden. Und die Staats- und Regierungschefs haben vereinbart, dass sie ein weiteres Sanktionspaket auf den Weg bringen möchten, wenn es nicht gelingt, in dieser Frage tatsächlich vorwärtszukommen. Wie man weiter vorgeht, wird man jetzt gemeinsam entscheiden müssen. Aber die Aussagen der vier Staats- und Regierungschefs am Wochenende waren sehr klar und eindeutig. Und dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.

WELT: Sie sagen es selbst: Das vergangene ist bereits das 17. Sanktionspaket. Ob die Sanktionen überhaupt wirken, ist umstritten. Um Wladimir Putin zu einem Kursschwenk zu bewegen, müssten Sie auch etwas mit Wirkmacht beschließen. Denn sonst ist das Ultimatum, was Sie geeint im Westen gestellt haben, ziemlich folgenfrei und ohne Reaktion aus Moskau.

Frei: Ich würde der Schlussfolgerung widersprechen, aber Sie legen den Finger in die richtige Wunde. Tatsächlich muss man sich, glaube ich, sehr ehrlich machen. Und gegebenenfalls müssen einzelnen Länder auch bestimmte Bedenken zurückstellen, um gemeinsame, kraftvolle Antworten zu finden. Aber das wird man miteinander besprechen müssen. Ich bin jedenfalls sicher, dass auch nach dem gemeinsamen Besuch in Kiew der Wille zu einer starken Zusammenarbeit und damit auch die Bereitschaft, vielleicht auf eigene Positionen ein Stück weit zu verzichten, dass dieser Wille eher gesteigert ist.

WELT: Die Koalition der Willigen möchte eigentlich ohne eine Waffenruhe gar nicht verhandeln. Donald Trump setzt nun wieder andere Töne und überlegt öffentlich, selbst zu den Friedensgesprächen zu fahren. Muss man nicht am Ende einfach sagen, Putin hat es wahnsinnig gut geschafft, den Westen zu spalten?

Frei: Nein, soweit würde ich nicht gehen, denn am Wochenende haben wir eine ganz enge Abstimmung zwischen Europa und den USA gesehen. Und ich bin auch überzeugt, dass wir unterm Strich eher wieder aufeinander zugehen und nicht voneinander weg. Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir am Ende gemeinsam zu Ergebnissen kommen. Ich glaube, dass Wladimir Putin vor allen Dingen eine klare Ansage braucht, dass er die Entschlossenheit der Europäer und der Amerikaner sehen muss. Das ist entscheidend, damit es zu einem Waffenstillstand kommt und dann zu Gesprächen, die einen dauerhaften Frieden in der Ukraine gewährleisten können. Und zwar einen, der die Interessen der Ukraine in den Mittelpunkt stellt.

WELT: Am Wochenende standen auf X Kokain-Vorwürfe gegen Keir Starmer, Emmanuel Macron und auch Friedrich Merz im Raum. Wie haben Sie im Kanzleramt darauf reagiert, als Sie davon gehört haben?

Frei: Das ist natürlich geradezu absurd. Aber wie Sie sagen: Wir haben eine ganze Reihe von Angriffen im Sinne der hybriden Kriegsführung, beispielsweise Fake Homepages und vieles mehr. Das ist nichts Neues, aber nach meinem persönlichen Gefühl haben wir jetzt eine gewisse Verdichtung. Wir müssen uns auf diese Form der hybriden Kriegsführung einstellen, darauf, dass Deutschland seit langer Zeit auch Zielgebiet ist. Und wir werden auch eine richtige Form des Umgangs damit finden müssen. Das ist nicht ganz einfach, weil es die einfachen Lösungen oder Antworten eben nicht gibt.

WELT: Herr Frei, ich möchte noch das Thema Migration anreißen. Eine 14-köpfige afghanische Familie klagt vor einem deutschen Gericht, um die Einreise über ein Aufnahmeprogramm der Bundesrepublik zu erreichen. Die Familie hängt in Pakistan fest, wie 2500 weitere Afghanen mit Aufnahmezusage. Wie verhalten Sie sich in Fällen wie diesen? Denn eigentlich will die Union die freiwillige Aufnahme beenden.

Frei: Ich kenne den konkreten Fall nicht. Zunächst muss man schauen, ob es überhaupt eine Klageberechtigung gibt. Es gibt keinen Anspruch, die Aufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt zu realisieren. Das Zweite ist: Natürlich werden alle Fälle im Einzelnen vom Bundesinnenministerium, auch vom Bundesaußenministerium, soweit es beteiligt ist, geprüft. Und genau auf die Sicherheitsüberprüfung geachtet.

Auch das Verwaltungsverfahren wird nach Recht und Gesetz durchgeführt. Und unser Verwaltungsverfahrensrecht sieht selbstverständlich die Möglichkeit vor, begünstigende Verwaltungsakte auch wieder zurückzunehmen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Das wird man jetzt im Einzelnen prüfen. Dort, wo es fertige Verwaltungsentscheidungen gibt, gibt es auch die Möglichkeit der Klage vor deutschen Gerichten. Das ist normal in einem Rechtsstaat. Wenn es eine klärungsbedürftige Frage gibt, eine solche Klage zulässig ist, dann wird das vor Gericht geklärt. Anschließend wird man sehen müssen, wie man damit umgeht.

Ich will aber ganz offen sagen: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden. Und vor allen Dingen ist entscheidend, dass die neue Bundesregierung diese freiwilligen Aufnahmeprogramme alle beendet hat. Wir haben klar gesagt, dass wir diese nicht fortführen werden. Und damit ist, glaube ich, die Aussage klar.

WELT: Friedrich Merz ist in seiner ersten Woche im Amt vor allem auf außenpolitischer Bühne sehr aktiv gewesen. Wie sieht es eigentlich aus beim großen Thema Wirtschaft? Wann kommt tatsächlich die große Wende?

Frei: Wir werden sofort damit beginnen. Wir werden uns diese Woche im Kabinett mit einzelnen Themen beschäftigen. Wir haben nächste Woche eine erneute Sitzungswoche des Deutschen Bundestages. Da wird es keine Generaldebatte wie in dieser Woche geben, sondern eine Beratung über konkrete Gesetzentwürfe. Und insofern geht es sehr, sehr schnell vorwärts.

Wir arbeiten jetzt auch daran, was wir in den nächsten 70 Tagen bis in den Sommer hinein auf den Weg bringen werden. Sie wissen ja, dass wir im Koalitionsvertrag eine ganze Reihe konkreter Punkte angesprochen haben, die wir jetzt auch Stück für Stück umsetzen werden. Da sind Dinge dabei, die kosten Geld. Aber ganz viele Dinge entlasten die Wirtschaft, auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ohne dass sie Geld kosten, etwa die Abschaffung des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes oder die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Das sind genau die Dinge, die wir auf den Weg bringen möchten, um damit auch ein Signal zu senden, dass wir jetzt alles dafür tun möchten, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu steigern und damit auch das sogenannte Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft nach oben zu entwickeln.

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