Ein am Freitag veröffentlichter Interviewmitschnitt aus dem Jahr 2023 löst in den USA eine erneute Diskussion über die geistige Verfassung des ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden aus.
Zu hören sind Ausschnitte der Befragung, die der ehemalige republikanische Sonderermittler Robert Hur im Oktober 2023 bei Ex-Präsident Joe Biden durchgeführt hat. Dass Hur den damaligen US-Präsidenten in seiner späteren Einschätzung als „älteren Mann mit schlechtem Gedächtnis“ eingestuft hatte, sorgte im US-Präsidentschaftswahlkampf für einige Aufregung.
Der damals noch 80-jährige Biden zögert – wie sich jetzt im Original tatsächlich nachhören lässt – bei seinen Antworten und hat Schwierigkeiten, sich an zentrale Daten zu erinnern – darunter auch an den Tod seines Sohnes Beau im Jahr 2015.
„In welchem Monat ist Beau gestorben?“, denkt Biden laut nach
Die von „Axios“ veröffentlichte Aufnahme stammt aus einem insgesamt sechsstündigen Interview Bidens mit Staatsanwälten, die seinen Umgang mit geheimen Dokumenten nach dem Ende seiner Amtszeit als Vizepräsident im Jahr 2017 untersuchten.
„In welchem Monat ist Beau gestorben?“, überlegt der ehemalige Präsident etwa an einer Stelle und fügt hinzu: „Oh Gott, am 30. Mai“. Ein Anwalt des Weißen Hauses ergänzt das Jahr 2015, woraufhin Biden fragt „Ist er 2015 gestorben?“. Über den Zeitraum 2017 und 2018 sagt Biden an anderer Stelle: „Vergessen Sie nicht, dass in diesem Zeitraum mein Sohn ... äh ... im Einsatz war oder im Sterben lag“, obwohl dieser bereits im Mai 2015 an einem Hirntumor starb. Im Einsatz war Beau Biden zwischen 2008 und 2009, zu Beginn von Bidens erster Amtszeit als Vizepräsident.
An anderer Stelle sagt Biden, Donald Trump sei im November 2017 gewählt worden. Nachdem ein Anwalt die Jahreszahl auf 2016 korrigiert, fragt Biden „Warum habe ich 2017 hier?“. Der Anwalt erklärt ihm dann, dass Biden in diesem Jahr sein Amt als Vizepräsident niedergelegt hat.
Biden als „wohlwollender, älterer Mann mit schlechtem Gedächtnis“
Die Biden-Administration hatte bereits zuvor Abschriften der Interviews veröffentlicht. Die Aufnahme veranschaulicht nun ziemlich deutlich die Charakterisierung Bidens als, Zitat, „sympathischer, wohlwollender, älterer Mann mit schlechtem Gedächtnis“.
Biden und sein Team hatten sich damals vehement gegen den Bericht von Hur gewehrt, den sie als parteipolitischen Schlag bezeichneten. Zu diesem Zeitpunkt – Anfang 2024 – plante Biden noch, für eine zweite Amtszeit als US-Präsident zu kandidieren und wies Vorwürfe zurück, er sei zu alt für weitere vier Jahre im Amt.
Neben der veröffentlichten Audioaufnahme sorgt derzeit auch ein Buch über Joe Biden für erregte Diskussion. In „Original Sin: President Biden’s Decline, Its Cover-up, and His Disastrous Choice to Run Again“ beschreiben die angesehenen Journalisten Jake Tapper (CNN) und Alex Thompson (Axios), wie Mitarbeiter des Weißen Hauses Bidens körperlichen und geistigen Verfall vertuscht haben sollen.
„Wir erwarten weiterhin jegliche Informationen, die zeigen, dass Joe Biden eine präsidiale Entscheidung treffen musste oder dass die nationale Sicherheit bedroht war oder dass er nicht in der Lage war, seinen Job zu machen“, verteidigte ein Sprecher von Joe Biden den Alt-Präsidenten in Reaktion auf das Buch.
Der demokratische Stratege Sawyer Hackett erwartet als Konsequenz aus der Veröffentlichung der wenig schmeichelhaften Aufnahmen, dass der mittlerweile 82 Jahre alte Joseph „Joe“ Biden weder bei den Zwischenwahlen 2026 noch bei den Präsidentschaftsvorwahlen 2028 eine große Rolle spielen wird. Die Demokraten, die wollen, dass die Wähler ihnen wieder vertrauen, täten allerdings gut daran, „die Wahrheit über die begangenen Fehler unserer Partei im Jahr 2024“ zuzugeben. „Diese Fehler wurden größtenteils von Joe Biden begangen, und ich denke, dass jeder Demokrat, der nicht bereit ist, das zu sagen, nicht wirklich darauf vorbereitet ist, den Wählern gegenüberzutreten, welche Wahrheit und Authentizität wollen“, sagte Hackett.
Rick Wilson – ein ehemaliger GOP-Stratege, der die Anti-Trump-Gruppierung Lincoln Project mitbegründet hat – argumentierte unterdessen, dass die US-Republikaner noch immer über Biden sprechen wollen, um es zu vermeiden, die teils als erratisch empfundene Amtsführung von US-Präsident Trump verteidigen zu müssen. Diese Strategie sei jedoch töricht und wenig zielführend. Abgesehen von „politischen Nerds“, so Wilson, „interessiert es niemanden“.
Viele Demokraten würden es vorziehen, sich thematisch voll auf Trumps zweite Amtszeit zu konzentrieren, während die Republikaner nur zu gerne in alten Wunden stochern würden. Nach einer Analyse von NBC News hat auch Donald Trump sein Bestes getan, um die Erinnerung an „Sleepy Joe“, wie er seinen Konkurrenten nannte, wachzuhalten – in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit erwähnte er Joe Bidens Namen im Durchschnitt sechsmal pro Tag.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.