Es ist eine bemerkenswerte Diskrepanz, die sich in der neuen Jugendstudie „Jugend in Deutschland 2025“ zeigt. Während die Lebenswelt mit Kriegen in Europa, wirtschaftlichem Abschwung und einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung immer feindseliger zu werden scheint und berechtigten Anlass zu Pessimismus gibt, fällt der Blick in die persönliche Zukunft bei der Mehrzahl der jungen Menschen zuversichtlich aus. Im Vergleich zu den älteren Generationen haben sich die 14- bis 29-Jährigen mit Blick auf ihr eigenes Leben den Optimismus bewahrt.
Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Trendstudie, die die Jugendforscher Simon Schnetzer, Klaus Hurrelmann und Kilian Hampel nun bereits zum achten Mal vorgelegt haben. Und zum zweiten Mal haben sie dabei nicht nur die Lebensrealitäten, Sorgen und Zukunftsperspektiven der jungen Generation erfasst, sondern für einen generationenübergreifenden Vergleich auch die mittlere Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen sowie die ältere Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen in ihre Analyse einbezogen. Für die Studie wurden im Januar und Februar dieses Jahres 6034 Personen im Alter von 14 bis 69 Jahren repräsentativ befragt.
Der Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse fällt demnach bei allen Altersgruppen negativ aus. Unzufriedenheit herrscht vor allem mit der wirtschaftlichen Entwicklung, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und den politischen Verhältnissen. „Junge Menschen nehmen Deutschland derzeit eher als Gesellschaft auf dem absteigenden Ast wahr – und es bleibt fraglich, inwiefern sie noch an eine politische oder wirtschaftliche Wende glauben“, heißt es dazu in der Studie. Die noch größeren Pessimisten allerdings sind unter den Älteren zu finden. Sie bewerten die aktuellen, aber auch die zukünftigen Entwicklungen in den nächsten zwei Jahren noch einmal negativer als die Jungen.
Auch der Blick in die persönliche Zukunft ist bei den Jüngeren optimistischer. Auf die Frage „Was glaubst du, wie sich deine Zufriedenheit in zwei Jahren verändert?“ antworteten 65 Prozent der 14- bis 29-Jährigen, sie erwarteten für ihr eigenes Leben insgesamt eine Verbesserung – von den Befragten mittleren Alters sagten dies nur 30 Prozent, von den Älteren nur sechs Prozent. „Wir sehen hier einen jugendtypischen Optimismus, der typisch ist für junge Leute, die am Beginn ihrer Karriere stehen“, so Kilian Hampel.
In der aktuellen Lebenszufriedenheit unterscheiden sich die Altersgruppen hingegen wenig – bei allen liegt der Wert auf einer Skala von minus zwei („sehr unzufrieden“) bis plus zwei („sehr zufrieden“) auf einer soliden 0,56 bis 0,59. Die Älteren sind in puncto finanzielle Sicherheit besser aufgestellt, die Jungen wenig überraschend bei der körperlichen Gesundheit.
Auffällig allerdings: In Bezug auf ihre psychische Gesundheit fühlen sich die 14- bis 29-Jährigen mit 0,34 Punkten belasteter als die mittlere (0,45) und die ältere Generation (0,57). Junge Frauen erreichten sogar nur einen Wert von 0,12.
Die psychischen Belastungen, von denen junge Menschen aktuell am stärksten betroffen sind, haben sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren nicht verändert: Stress (49 Prozent), gefolgt von Erschöpfung (34 Prozent), Selbstzweifel (32 Prozent), Antriebslosigkeit (30 Prozent) und Unwohlsein unter Menschen (22 Prozent). Hier gab es gegenüber dem Vorjahr zwar eine leichte Entspannung. Auffällig ist aber, dass praktisch alle genannten Erscheinungsformen von psychischer Belastung in der jungen Generation sehr viel stärker empfunden werden als in der mittleren und älteren Generation. Teilweise sind die Werte mehr als doppelt so hoch. Jeder vierte junge Mensch schätzt den eigenen psychischen Zustand so ein, dass eine Behandlung notwendig wäre. 13 Prozent befinden sich bereits in Behandlung.
Als eine der Ursachen haben die Jugendforscher die Nutzung von Smartphones und Social Media ausgemacht, die das Konzept von Kindheit und Jugend „radikal verändert“ hätten. „Digitale Medien, Social Media und Künstliche Intelligenz prägen das Leben junger Menschen – mit Licht- und Schattenseiten“, sagt Klaus Hurrelmann.
Wie die Studie zeigt, sind Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei der jungen Generation bereits sehr verbreitet, 41 Prozent nutzen bereits KI-basierte Chat-Tools wie ChatGPT oder Gemini. Bei der mittleren Altersgruppe sind es 16 Prozent, bei den Älteren nur vier Prozent. 70 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich insgesamt zuversichtlich in ihren digitalen Fähigkeiten, 59 Prozent sieht in der Digitalisierung mehr Vorteile als Nachteile.
Vor allem das Smartphone ist für die jungen Menschen praktisch unverzichtbar. Durchschnittlich haben die heute 14- bis 29-Jährigen ihr erstes Gerät mit zwölf Jahren bekommen. Entsprechend wichtig erachten sie es für ihren Alltag. 64 Prozent geben an, dass es ihnen hilft, sich effizienter zu strukturieren. 47 Prozent empfinden sogar, dass ihr Leben ohne ihr Smartphone nicht funktionieren würde.
Gleichzeitig ist vielen bewusst, dass die intensive Nutzung auch negative Folgen haben kann. Über die Hälfte (55 Prozent) sieht in Social Media einen Treiber psychischer Belastungen, 47 Prozent berichten, dass Social Media ihnen Zeit für andere, wohltuende Aktivitäten raubt, und versuchen daher bewusst, ihre Bildschirmzeit zu reduzieren. Für 35 Prozent hat das eigene Nutzungsverhalten sogar bereits suchthafte Züge. Gut ein Drittel der Jungen selbst fordert deshalb ein Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige.
„Die Studie zeigt klare Zusammenhänge zwischen digitalem Nutzungsverhalten und psychischer Belastung“, kommentiert Hurrelmann die Ergebnisse. „Es braucht eine umfassende digitale Bildungsoffensive, die Resilienz, kritisches Denken und Medienkompetenz stärkt.“
In der Frage, was ihnen in ihrem Leben Sinn gibt, ticken die jungen Menschen hingegen weitgehend analog – und im Gleichtakt mit den älteren Generationen. So steht die Familie bei allen Generationen unangefochten an der Spitze von Faktoren, die dem Leben einen Sinn geben, gefolgt von Partnerschaft und Liebesbeziehungen. Auch Freundschaften werden von allen Gruppen etwa gleich stark betont.
Abweichungen gibt es bei den Zielen im Leben, die für jüngere Menschen noch eine höhere Rolle für die Sinngebung spielen als für die älteren. Auch Erfolg wird von ihnen höher gewichtet als bei den Älteren. „Insgesamt zeigt der Vergleich jedoch, dass bei Sinnstiftung im Leben eine sehr große Übereinstimmung der drei Generationen besteht“, halten die Autoren fest.
Und auch bei den wichtigsten Sorgen gibt es viele Übereinstimmungen. Der Krieg in Europa rangiert hier eindeutig an der Spitze, gefolgt von steigenden Preisen. Doch es zeigen sich auch deutliche Unterschiede: Die unter 14- bis 29-Jährigen sorgen sich mehr um Inflation, teuren und knappen Wohnraum, Klimawandel, Arbeitslosigkeit und Wohlstandsperspektiven für die junge Generation. Die 50- bis 69-Jährigen akzentuieren stärker die Sorgen über den Krieg in Europa und Nahost, die Zunahme von Migration, eine Wirtschaftskrise und Altersarmut sowie den Zusammenbruch des Rentensystems.
„Hieraus lässt sich eine unterschiedliche Wahrnehmung von gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen je nach Alters- und Generationenzugehörigkeit ablesen“, folgern die Autoren. Von einer unüberbrückbaren Spannung zwischen den Altersgruppen oder Konflikten zwischen den Generationen könne jedoch keine Rede sein – was sich schon dadurch zeige, dass die Sorge vor einer Zunahme der Konflikte zwischen den Generationen bei allen Altersgruppen am Schluss des Sorgen-Rankings stehe.
Der Glaube an das politische System sei in der jungen Generation mittlerweile stark erschüttert, halten die Studienautoren fest. In ihrer viel beachteten Trendstudie aus dem vergangenen Jahr hatten sie daher einen „Rechtsruck“ in der Jugend ausgemacht. Ein Bild, das sich inzwischen insofern relativiert habe, als nicht nur die AfD einen starken Zulauf erfahren habe, sondern auch die Linkspartei – während die politische Mitte erodiere. „Die Neigung, in die Flügelextreme zu gehen, ist im Moment groß“, sagt Hurrelmann. Diese Entwicklung sei kein Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern ein Zeichen tiefer Enttäuschung der jungen Generation. „Sie fühlen sich von der Politik nicht repräsentiert – ihre Lebensrealität, so ihr Eindruck, spielt in den Entscheidungsetagen kaum eine Rolle.“ Während die jüngere Generation sich von der Mitte abwende, tendierten Ältere eher zu den traditionellen Volksparteien. „Das ist noch keine Spaltung. Aber diese unterschiedliche Akzentuierung lässt aufhorchen.“
Bezahlbarer Wohnraum, gerechte Bildungschancen, ein stabiles Rentensystem, politische Teilhabe und Zukunftskompetenzen für eine lebenswerte Zukunft seien die zentralen Anliegen, fasste Studienleiter Simon Schnetzer zusammen. „Zukunft entsteht nicht durch Appelle zur Resilienz, sondern durch gerechte Rahmenbedingungen“, betonte er. „Die junge Generation will nicht nur funktionieren, sie will gestalten – und erwartet von der neuen politischen Führung, dass sie diesen Gestaltungswillen ernst nimmt.“
Sabine Menkens berichtet für WELT über bildungs- und familienpolitische Themen.
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