Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs und der Bundestagswahl rasant gestiegen. 2024 registrierten die Polizeibehörden von Bund und Ländern über 84.000 Taten und damit gut 40 Prozent mehr als 2023, wie die am Dienstag veröffentlichte Statistik von Bundeskriminalamt und Innenministerium zeigt.

Damit sind die Zahlen das sechste Mal in Folge gestiegen. „Wesentliche Gründe hierfür sind unter anderem teils erhebliche Anstiege von Straftaten insbesondere in den Themenzusammenhängen Wahlen und Nahost-Konflikt“, heißt es.

Innenminister Alexander Dobrindt sprach von einem „extremen“ Anstieg, auf den der CSU-Politiker mit einer „Sicherheitsoffensive“ reagieren wolle. Die Statistik unterstreiche den „dringenden Bedarf“ dafür.

Dobrindt verwies erneut auf die Pläne für mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Man müsse Polizei und Sicherheitsbehörden aber auch stärker schützen, sagte er und kündigte an, die Mindeststrafe für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte von drei auf sechs Monate anheben zu wollen.

Zuwächse gab es in allen Bereichen, sowohl beim Antisemitismus (plus 20 Prozent) als auch bei Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit (34 beziehungsweise 29 Prozent). Ein Viertel der Vorfälle wurde im Internet registriert. Gewalttaten nahmen um 15 Prozent zu.

Die Hälfte der Vorfälle insgesamt wird dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet. Hier nahm die Zahl auch mit fast 50 Prozent am stärksten zu.

Besonders schweres Ausweisungsinteresse

Dobrindt sprach sich dafür aus, bei Straftaten von Ausländern mit judenfeindlichem Motiv, die eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zur Folge haben, ein sogenanntes besonders schweres Ausweisungsinteresse anzunehmen und damit eine Regelausweisung vornehmen zu können. Zudem will Dobrindt nach eigenen Worten Messerangriffe grundsätzlich zum Verbrechen erklären. Sie würden dann mit einer Mindeststrafe von einem statt einem halben Jahr geahndet.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), hat sich alarmiert über den Anstieg rechtsextrem motivierter Straftaten geäußert. „Unser Land ist in Aufruhr, es ist etwas ganz gewaltig ins Rutschen geraten“, erklärte sie am Dienstag in Berlin. Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Geflüchtete, schwarze Menschen, Juden, Muslime, Sinti und Roma bräuchten „ein klares Zeichen der Solidarität gegen die Bedrohung von rechts“.

Linksextremisten waren für knapp zwölf Prozent verantwortlich. Auch Taten wegen „ausländischer“ oder aus religiöser Ideologie nahmen zu.

Wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters Anhaltspunkte liefern, dass er aufgrund von Vorurteilen – etwa bezogen auf ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht – gehandelt hat, spricht die Polizei von sogenannter Hasskriminalität. In 19.481 Fällen sahen die Polizeibeamten „Fremdenfeindlichkeit“ als Motiv.

Der Gaza-Krieg nach dem Hamas-Überfall auf Israel sowie die Bundestagswahl wurden als Treiber für eine Vielzahl von Straftaten ausgemacht. Im Kontext der Wahl stiegen die Vorfälle besonders deutlich: Hauptziel waren der Statistik zufolge die Grünen, knapp gefolgt von der AfD.

Mehr als 6000 antisemitisch motivierte Fälle

In 6.236 Fällen wurde in der Eingangsstatistik der Polizei ein mutmaßlich antisemitisches Motiv aktenkundig. Von den insgesamt 7.328 politisch motivierten Straftaten, die die Polizei den Unterthemenfelder „Israel“ und „Palästina“ zugeordnet hat, sah sie in 2.832 Fällen eine antisemitische Tatmotivation. Ein großer Teil der 793 politisch motivierten Gewaltstraftaten, die im Kontext des Nahost-Konflikts polizeibekannt wurden, stand in Zusammenhang mit Demonstrationen und Protestaktionen. Das lässt sich an der Art der Delikte erkennen lässt – darunter 111 Fälle von Landfriedensbruch und 385 Widerstandsdelikte.

Differenziert nach Art der Taten machen mit 37 Prozent die Propagandadelikte den größten Teil aus. Darunter fallen etwa das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole wie NS-Zeichen oder von verbotenen Extremisten-Organisationen. Auch hier kommen die mit Abstand meisten Taten aus dem rechtsextremen Lager. Den zweitgrößten Anteil (21 Prozent) machen Sachbeschädigungen aus, es folgen Beleidigungen und Volksverhetzung.

Die Gewalttaten – größtenteils Körperverletzungen – legten um 15 Prozent zu, wobei fast ein Drittel dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet wird. Verdoppelt haben sich Taten „aus ausländischer Ideologie“, die damit an zweite Stelle rückten. Als große Gefahr werden weiterhin islamistische Anschläge angesehen.

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