Wenn Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch nach Washington aufbricht, begleiten ihn hohe Erwartungen – aus der eigenen schwarz-roten Koalition wie auch aus der Opposition. „Natürlich wird es vor allem darum gehen, zu einer weiteren Annäherung bei der Unterstützung der Ukraine zu kommen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt WELT. „Putins Drohnenterror ist dabei Merz’ bestes Argument.“ US-Präsident Donald Trump wolle Frieden und Frieden schaffe nur eine starke Ukraine.

Merz habe „mit der enormen Stärkung der europäischen Verteidigung die Grundlage für einen erfolgreichen Besuch“ gelegt. Dass die US-Regierung dies honoriere, zeige sich „schon jetzt mit der ungewöhnlichen Übernachtung im Gästehaus Blair House“. Der Besuch diene auch der Vorbereitung der wichtigen G7- und Nato-Gipfel in diesem Monat.

Sicherheitspolitik und Handelsbeziehungen auf der Agenda

SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller, sprach von einem richtigen Schritt genau zur richtigen Zeit. „Unsere Erwartungen sind natürlich hoch, dass Friedrich Merz die drängenden Themen dieser Tage auch selbstbewusst anspricht.“ In Sachen Zollpolitik werde es entscheidend sein, die gemeinsamen Interessen Deutschlands, Europas und der USA zu betonen, damit die Handelshemmnisse abgebaut und die Verunsicherung der Märkte beendet würden. Zudem müsse Russlands Präsident Wladimir Putin durch gemeinsamen Druck an den Verhandlungstisch gebracht und ein gerechter Frieden in der Ukraine erreicht werden. In der Palästinenserfrage müsse erreicht werden, dass die Waffen auf beiden Seiten schweigen.

„Kanzler Merz sollte in Washington deutsche und europäische Interessen vertreten, als guter Zuhörer und harter Verhandler“, verlangte AfD-Chef Tino Chrupalla. „Höchste Priorität hat, den Ukraine-Krieg mit stabilen Sicherheitsgarantien zu beenden. Jede weitere Osterweiterung der Nato muss unterbleiben.“

Auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger forderte ein selbstbewusstes Auftreten des Kanzlers am Donnerstag im Weißen Haus. „Die Trump-Administration ignoriert sehr oft, wie sehr die Sicherheitspolitik in Europa mit der im Indopazifik und damit einem der wichtigsten Interessen der USA zusammenhängt.“ Wenn die USA die Ukraine nicht stärker unterstützten oder sie gar im Stich ließen, schadeten sie auch der eigenen Sicherheit, sagte Brugger WELT. „Wer glaubt, es sei eine kluge Strategie, mit Unterwürfigkeit Donald Trump schmeicheln zu wollen, oder sich von ihm erpressen lässt, wird das schnell bereuen. Friedrich Merz sollte als guter Demokrat auch nicht schweigen zu den jüngsten Angriffen auf Justiz, Medien und Gesellschaft.“

Linke-Chefin Ines Schwerdtner warnte Merz vor Zurückhaltung: „Trump sieht Europa mehr als Konkurrenz, denn als Verbündeten. Es wäre fatal, wenn Merz unter diesen Bedingungen als Bittsteller nach Washington reist. Wer der US-Regierung heute die Gelegenheit dazu gibt, wird sofort aufs Kreuz gelegt.“ Es führe kein Weg daran vorbei, sich auf einen eigenständigen europäischen Weg zu besinnen.

„Selbstbewusste Politik im Interesse unseres Landes ist von Merz leider nicht zu erwarten“, kritisierte Sahra Wagenknecht. „Wie der Außenminister bereits angekündigt hat, will die Bundesregierung Trumps Aufrüstungsforderungen bereitwillig erfüllen, großzügige Rüstungsaufträge an amerikanische Waffenschmieden inklusive.“ Auch Schritte zur Überwindung der digitalen Abhängigkeit Deutschlands und einer neuen Energieabhängigkeit stünden nicht auf Merz’ Agenda. „Wir brauchen dringend Eigenständigkeit und ein Ende der Vasallentreue. Es ist doch völlig irre, dass Trump an der Zollschraube dreht, wir uns aber weiter komplett abhängig von seinem überteuerten Frackinggas machen, anstatt wieder Pipelinegas vom günstigsten Anbieter zu beziehen“, sagte die BSW-Vorsitzende mit Blick auf russisches Gas. „Und es widerspricht den Interessen unserer Bürger, unsere Verwaltungen im Zuge der Digitalisierung komplett abhängig von US-Datenkraken wie Microsoft zu machen.“

FDP-Parteichef Christian Dürr äußerte die Hoffnung auf einen Impuls von dem Treffen „für eine neue Phase erfolgreicher Zusammenarbeit“. „Das Eindämmen und schließliche Beenden von kriegerischen Konflikten und ein fairer Welthandel verlangen gemeinsame Anstrengungen statt unberechenbarer Sonderwege.“ Voraussetzung sei die Anerkenntnis eines gemeinsamen westlichen Wertekanons.

Claudia Kade ist Politik-Chefin bei WELT.

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