Die Babyboomer werden oft nur unter dem problematischen Aspekt ihrer Rente betrachtet. Doch die reichste Generation Deutschlands ist Konsummotor - und als solcher zu wenig beachtet.
Wenn Rentnerdasein auf Kaufkraft trifft: Die Generation der Babyboomer, rund 20 Millionen Deutsche, ist der wichtigste Treiber des Konsums hierzulande. Das legt eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCooper (pwc) nahe. Bei der Befragung zum Konsumverhalten gab es einige Überraschungen, erzählt Stephanie Rumpff, Handelsexpertin von pwc Deutschland: "Wie digital die Generation ist und wie aktiv sie digitale Angebote nutzt."
So besitzen 94 Prozent der Befragten ein Smartphone. Immerhin noch 44 Prozent empfinden zudem die Digitalisierung als Erleichterung in ihrem Alltag. Zweite überraschende Erkenntnis für Rumpff ist, "dass eine hohe Markenloyalität besteht, auf die Unternehmen natürlich sehr gut aufsetzen können." Wenn Babyboomer sich auf eine Marke eingelassen haben und wissen, was sie erwartet, bleiben sie in der Regel dabei. Das zumindest gaben 87 Prozent in der pwc-Studie an. Auch Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle bei den Befragten. Die vermeintlich ältere Generation geht also durchaus mit der Zeit.
Wohin das Geld fließt
Die Babyboomer: also eine durchaus digitale Generation, die ihr Geld gerne auch in Markenprodukte investiert. Der frühere Wirtschaftsweise und Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt, Volker Wieland, sagt, warum die Babyboomer sogar die reichste Generation ist, die je in Deutschland gelebt hat: "Das ist eine Generation, die natürlich jetzt über viele Jahre auch Einkommen hatte in einer guten Phase. Wir hatten Frieden, wir hatten keinen Krieg, wir hatten Wachstum, und dementsprechend sind da auch Vermögen aufgebaut worden."
Der Konsum könne also nicht nur aus dem Einkommen, sondern zudem auch aus angespartem Vermögen finanziert werden, rechnet Wieland vor. Eine Generation mit viel Einfluss auf die Wirtschaft also. Kein Wunder, dass diese Erfahrungen die Babyboomer - im Gegensatz zur Generation Z - laut Studie viel positiver in die Zukunft blicken lassen. Und das macht die Babyboomer in Wahrheit zu der Gruppe, auf die sich die Werbewirtschaft mit aller Kraft werfen sollte.
Werbewirtschaft ignoriert Babyboomer
Doch das tut sie nicht, kritisiert Nils Giese, der Geschäftsführer der Frankfurter Kommunikationsagentur Edelman: "Wenn wir uns nur mal die Fakten anschauen: Nur fünf bis zehn Prozent der weltweiten Marketingbudgets haben die sogenannten Babyboomer im Fokus, obwohl diese Zielgruppe für mehr als die Hälfte des privaten Konsums steht. Das ist natürlich eine sehr große Differenz und Diskrepanz".
Giese vertritt die Ansicht, dass noch zu viele Klischees von älteren Leuten in der Werbewirtschaft vorherrschen, anstatt die Lebenswirklichkeit - die in Teilen ähnlich jüngerer Generationen sein kann - in den Mittelpunkt zu rücken und damit den Umsatz zu steigern: "Bring den 65-Jährigen und den vermeintlichen hippen 25-Jährigen zusammen und höre denen zu, wie die beiden über ein Thema sprechen, wo sie eine gewisse Gemeinsamkeit haben. Alleine das kreiert so viele Aha-Effekte, dass danach der Markenverantwortliche oder der Agenturchef anders denken werden."
Handel hat noch viel Potenzial
Vor allem der stationäre Handel würde davon profitieren, denn dort sind die Babyboomer stark vertreten. 80 Prozent aller Einkäufe werden dort getätigt, sagt die Studie von pwc. Eine provokante Frage drängt sich auf: Leben die Babyboomer als Rentner auf Kosten der viel weniger gewordenen Beitragszahler - Stichwort Demografie - und verprassen gleichzeitig noch das ganze Geld, das sich in Jahrzehnten angesammelt hat?
Die Babyboomer leisten in jedem Fall einen hohen Beitrag zum Konsum, "das können wir ja ganz klar festhalten", sagt Stephanie Rumpff von pwc. Gleichzeitig gebe es ja auch das Thema Schenken und Erben, denn die Babyboomer seien eben auch eine sehr sparsame Generation, die Wert darauf lege, Vermögen zu erhalten und zu vererben. "Davon profitieren dann natürlich strukturell die jüngeren Generationen." Die Babyboomer sind ganz klar ein Motor des Konsums. Wenn das jetzt auch noch stärker in den Fokus aller Marktteilnehmer rückt, geht Deutschland ausgedehnten Konsumzeiten entgegen.
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