Für Donald Trump ist die Sache klar. Die Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen in der Nacht zum Sonntag waren ein „spektakulärer Erfolg“, die Einrichtungen zur Urananreicherung seien „komplett ausradiert“ worden und der Schaden sei „monumental“, sagte er in den ersten 24 Stunden danach. Sieben B2-Tarnkappenbomber warfen insgesamt 14 bunkerbrechende Bomben vom Typ GBU-57 über der unterirdischen Atomanlage Fordo ab und dutzende Tomahawk-Marschflugkörper schlugen in den Anlagen in Isfahan und Natanz ein.
Verteidigungsminister Pete Hegseth sprach am Sonntag von einer komplexen Operation, die das iranische Nuklearprogramm „umgehauen“ hat. Während aus der Regierung selbstbewusste Töne kommen, was den Erfolg des Militärschlags angeht, zeigen sich Militärs und Experten vorsichtiger. Im Raum steht ein für Trump unangenehmes Szenario: dass es nicht gereicht hat.
Während Hegseth selbstbewusst verkündete, dass man „glaubt“, das iranische Atomprogramm zerstört zu haben, äußert sich der Vorsitzende des Generalstabs, Dan Caine, betont zurückhaltend. Er ist derjenige, der den Militärschlag koordiniert hat. Trump erwähnte ihn am Sonntagabend in seiner Ansprache an die Nation und nannte ihn einen „außergewöhnlichen Anführer“.
Eine endgültige Schadensbewertung vorzunehmen, werde „einige Zeit“ in Anspruch nehmen, sagte Caine. Derzeit könne man nur sagen, dass alle drei getroffenen Atomanlagen „ernsthaften Schaden und Zerstörung“ erfahren hätten. Für die Antwort auf die entscheidende Frage, ob damit Irans Fähigkeiten, eine Bombe zu bauen, zerstört worden seien, sei es noch „viel zu früh“. Damit bestätigte er Trumps Einschätzung der „Ausradierung“ des Atomprogramms vorerst nicht.
Warum der Lüftungsschacht Fordos entscheidend sein könnte
Dass die Bewertung eines Luftschlags langwierig ist, ist nicht ungewöhnlich. „Die USA müssen Luftbilder, abgefangene Kommunikation und Informationen von Verbündeten wie Israel analysieren, um das Ausmaß der Schäden zu rekonstruieren“, sagte der ehemalige stellvertretende Verteidigungsstaatssekretär Michael Patrick Mulroy zu CNN.
Im Fall der für das iranische Atomprogramm zentralen Anlage Fordo bieten Luftbilder keinen definitiven Erkenntnisgewinn. Satellitenbilder der Firma Maxar Technologies sind öffentlich und zeigen die Löcher im Bergmassiv, wo die bunkerbrechenden Bomben eingeschlagen haben.
Es bestünde die theoretische Möglichkeit, dass die USA die Anlage schwer beschädigen konnten, sagte der ehemalige IAEA-Inspekteur David Albright bei CNN. Besonders, weil das US-Militär dank israelischer Geheimdienstinformation offenbar genau wusste, wo sich der Lüftungsschacht der rund 80 bis 90 Meter unter der Erde liegenden Anlage befand. Dieser gilt als Achillesferse von Fordo. Wenn dieser einigermaßen direkt getroffen wurde, könnte die Anlage für „die nächsten Jahre unbrauchbar“ sein, so Albright. Denn die hochsensiblen Zentrifugen können bereits bei kleinen Erschütterungen aus dem Takt gebracht und damit beschädigt werden. Ob das so geschehen ist, gilt als wahrscheinlich, lässt sich allein durch Satellitenbilder aber nicht bestätigen.
Größere Zweifel regen sich in Washington an der erfolgreichen Zerstörung des iranischen Urans. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur „Mehr News Agency“ berichtete am Sonntag, dass Fordo evakuiert und das dort auf 60 Prozent angereicherte Uran an einen sicheren Ort gebracht worden sei. Der Iran besitzt laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) insgesamt rund 400 Kilo 60-prozentiges Uran, das – wenn es auf 90 Prozent angereichert wird – für den Bau von zehn atomaren Sprengköpfen reichen würde. Die Anreicherung von 60 auf 90 Prozent gilt als letzter, schnell zu erreichender Schritt.
Auch die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtete am Sonntag unter Berufung auf einen hochrangigen iranischen Funktionär, dass das Uran vor dem US-Angriff in Sicherheit gebracht wurde. Satellitenaufnahmen vom Donnerstag zeigen 16 Lastwagen unmittelbar vor Fordo. Bilder vom Freitag zeigen, wie sie sich rund einen Kilometer von der Anlage entfernt haben. Der IAEA-Chef Rafael Grossi sagte der „New York Times“, dass er glaube, Teheran habe das Uran darin abtransportiert. Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte in einem Pressestatement am Sonntag, er habe „Interessante Informationen“ über den Verbleib des Urans.
In der Trump-Regierung herrschte über die Frage Uneinigkeit. Außenminister und Sicherheitsberater Marco Rubio wollte dem nicht viel Bedeutung beimessen. „In der Minute, in der die Lastwagen irgendwo hingefahren wären, hätten die Israelis sie ausgeschaltet“, sagte er am Sonntag im Interview mit dem Sender CBS. Ein entsprechendes Bombardement einer Lastwagenkolonne durch Israel ist allerdings bislang nicht bekannt.
Vizepräsident J.D. Vance betonte, dass man die Kapazität des Iran zerstört habe, Uran von 60 auf 90 Prozent anzureichern. Er räumte aber ein, dass das Regime weiterhin im Besitz seines 60-prozentigen Urans sei. „Wir werden in den kommenden Wochen daran arbeiten, etwas mit diesem Brennstoff zu machen“, sagte er dem Sender ABC. Darüber werde man mit Teheran reden.
Die Frage nach dem Verbleib des Urans ist entscheidend. Sollten die Zentrifugen in Fordo nachhaltig zerstört worden sein, wäre das ein schwerer Rückschlag für das Atomprogramm. Unklar ist aber, ob Teheran in möglicherweise bislang noch unentdeckten Atomanlagen weitere Zentrifugen besitzt, beziehungsweise in der Lage ist, diese neu zu bauen, um das 60-prozentige Uran auf 90 Prozent anzureichern und so den finalen Schritt zum Bau des Sprengkopfes gehen zu können.
Sollte dies so sein, könnte Teheran nun besonders motiviert sein, die Atombombe fertigzustellen. Bemerkenswert war in diesem Kontext die Äußerung der iranischen Atombehörde zu dem US-Angriff. Die Attacke sei „unglücklicherweise im Schatten der Gleichgültigkeit der Internationalen Atomenergiebehörde und sogar mit ihrer Unterstützung“ durchgeführt worden. Mit anderen Worten: Teheran beschuldigte die IAEA, das Bombardement gebilligt zu haben, was die rhetorische Vorbereitung für einen Austritt des Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag und eine Ausweisung der IAEA-Inspekteure sein könnte. Dann der Iran unter Ausschluss der internationalen Gemeinschaft die Bombe fertigstellen.
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