Nach langen Debatten wollen die NATO-Mitglieder beim Gipfel in Den Haag offiziell beschließen, ihre Verteidigungsbudgets deutlich anzuheben. Ausgerechnet von der Rüstungsindustrie kommen jetzt Warnungen.
Damit hatte keiner gerechnet: Im Juni 2024 erklärte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Luft- und Raumfahrtmesse ILA in Berlin, die Bundeswehr werde 20 Eurofighter-Kampfjets kaufen - zusätzlich zu bestehenden Orders. So klang das, als Scholz die Zeitenwende ausrief. Für die umstehende Führungsriege des Herstellers Airbus kam diese Ankündigung offenbar völlig überraschend. Damals Anwesende schmunzeln noch heute über die verblüfften Gesichter der Top-Manager.
Allerdings wurde aus der vollmundigen Ankündigung des inzwischen abgewählten Kanzlers bis heute: nichts. Ein Auftrag für die 20 Jets im Milliardenwert liegt bisher nicht vor. Und das ist kein Einzelfall. Egal ob Panzerhaubitzen oder Flugabwehr: Zwischen dem erklärten Bedarf der Bundeswehr und den tatsächlichen Bestellungen klaffen oft große Lücken.
Klar, dass Rüstungsunternehmen sich da mit Investitionen zurückhalten. Diese seien nur dann wirtschaftlich vertretbar, wenn es tatsächlich Verträge und Garantien gebe, erklärt zum Beispiel Alexander Sagel, der Chef des Panzergetriebe-Spezialisten Renk aus Augsburg: "Die Garantie, dass man sagt: 'Ich nehme Euch in den nächsten fünf Jahren - als Beispiel - 500 Getriebe ab', ist natürlich die Voraussetzung dafür, dass wir investieren können." Stattdessen aber gebe es eher Teilzusagen mit der Aussicht auf weitere Abnahmen.
Industrialisierung statt Handarbeit
Wären die Zusagen umfassender und konkreter, könnte die Rüstung in Deutschland vom Manufakturformat zur Industrie heranwachsen. Die Herausforderung für beide Seiten liegt aber darin, dass Rüstung in Deutschland nach wie vor Handarbeit ist. Hersteller wie der Panzerbauer KNDS Deutschland setzen in erster Linie auf aufwendige Produktion in Kleinserien.
Diese Manufaktur-Struktur wurde zuletzt auch in einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft IfW kritisiert. Das müsse sich ändern, wolle man die NATO-Ziele erreichen und künftig mit dem Ausstoß russischer Rüstungshersteller mithalten, so die Studie.
"Das Potenzial dazu ist jedenfalls vorhanden", sagt Rafaela Kraus, Professorin für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr in München. So gebe es in Deutschland eigentlich extrem gutes "Engineering-Know-how". Dieses könnte man auch besonders gut im Rüstungsgeschäft einsetzen, um die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. Das könne aber nur gelingen, wenn zum Beispiel Autozulieferer auch für Verteidigungsunternehmen arbeiten, so Kraus.
Zulieferer wollen in die Rüstung wechseln
Das sei aber derzeit nicht einfach, heißt es unter anderem bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, die auch für den oberbayerischen Panzerbauer KNDS spricht. In einem Positionspapier hat die IHK in diesem Frühjahr Forderungen zusammengefasst. Die wichtigste: Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden.
Maximilian Epp, Verteidigungsexperte bei der IHK, sagt, die Unternehmen müssten sich auf jeden Fall bewusst sein, dass es nicht von heute auf morgen gehe, in die Verteidigungsindustrie zu liefern. "Man muss dort gewisse Normen und Qualitätsstandards erfüllen, die erst überprüft und zertifiziert werden müssen." Was das Ganze zusätzlich verzögere, sei die Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter, die aktuell mit acht bis zehn Monaten viel zu lange dauere. "Die muss unbedingt beschleunigt werden."
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