Sie wissen einen Scheiß, was sie da tun“, schimpfte Donald Trump am Dienstag wütend über Israel und Iran, nachdem die beiden Länder sich gegenseitig der Verletzung des von Washington verkündeten Waffenstillstands beschuldigt hatten. Der US-Präsident kritisierte beide Länder heftig – und Jerusalem teils deutlich schärfer als Teheran.

„Sobald wir die Vereinbarung getroffen hatten, kam Israel und warf eine Menge Bomben ab, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte“, sagte Trump kurz vor seiner Abreise aus Washington zum Nato-Gipfel in den Niederlanden. Er forderte Israel auf, den Iran nicht weiter anzugreifen. „Bringt eure Piloten nach Hause, jetzt“, postete er auf seinem Netzwerk Truth Social.

Dort hatte er in der Nacht zu Dienstag auch die Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der Islamischen Republik verkündet. Allerdings wusste der Iran zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nichts davon, dass die Kampfhandlungen um 4.00 Uhr morgens lokaler Zeit enden sollten. „Es gibt kein Abkommen, sondern nur die Bereitschaft des Irans für eine Deeskalation“, schrieb Außenminister Abbas Araghtschi um 4.16 auf X.

Am Ende kam der Waffenstillstand dann doch – nur, um kurz darauf schon wieder zu wackeln. Dabei sollte er doch eigentlich „für immer gelten“, wie der amerikanische Präsident in einem Interview mit dem US-Sender NBC behauptet hatte. In Nordisrael heulten am Dienstagmorgen jedoch erneut die Alarmsirenen. Teheran soll drei Stunden nach Inkrafttreten des Waffenstillstands zwei ballistische Raketen auf den jüdischen Staat abgefeuert haben. Sie wurden zwar abgefangen, trotzdem gab Verteidigungsminister Israel Katz bekannt, er habe die Streitkräfte angewiesen, „mit Nachdruck und intensiven Luftschlägen auf die Verletzung der Waffenruhe durch den Iran zu reagieren“.

„Teheran wird zittern“, twitterte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich, der auch Mitglied des Sicherheitskabinetts von Premierminister Benjamin Netanjahu ist. Im Gegenzug warnte der Oberste Nationale Sicherheitsrat des Irans, dass „jede weitere Aggression eine entschlossene und umgehende Reaktion zur Folge hat“. Nach Trumps Wutausbruch soll Israel mittlerweile zurückgerudert sein. Anstatt eine große Anzahl von Zielen anzugreifen, soll nur ein Radarsystem außerhalb von Teheran zerstört werden.

Obwohl sich beide Konfliktparteien scheinbar zu einer Einstellung der Kämpfe verpflichtet haben, bleibt die Waffenruhe brüchig. Auch Irans Verbündete im Irak und im Jemen könnten sie mit Angriffen gefährden.

Trump verbucht Ende des Krieges als Triumph

Der Iran und Israel feiern sich unterdessen jeweils als Sieger des zwölf Tage andauernden Krieges. Teheran bezeichnete den von den USA und Katar ausgehandelten Waffenstillstand als eine Niederlage für Israel. Der Iran habe Israel und seine „terroristischen Unterstützer“ gezwungen, „seine Niederlage zu akzeptieren und seine Aggression einseitig einzustellen“, teilte der Nationale Sicherheitsrat am Dienstag mit. Die iranische Armee bleibe „in Alarmbereitschaft“.

Die israelische Regierung hatte am Dienstagmorgen mitgeteilt, dass man all seine Ziele „und noch viel mehr“ erreicht habe. Durch den großangelegten Militäreinsatz sei die „unmittelbare doppelte existenzielle Bedrohung“ für das Land durch Teherans Atom- und Raketenprogramm beseitigt worden. Dies hatte Ministerpräsident Netanjahu in einer Kabinettssitzung betont.

Auch Trump verbuchte die Einstellung der Kampfhandlungen als großen Triumph. „Ich bin sehr froh, dass ich die Arbeit erledigen konnte“, sagte der US-Präsident. Der Krieg sei nun vorbei und er glaube nicht, dass Israel und der Iran „jemals wieder aufeinander schießen werden“. Es dürfte diese kurz darauf offensichtlich gewordene Fehleinschätzung gewesen sein, die Trump so in Rage gebracht hat. Aber können alle am Konflikt beteiligten Parteien nun tatsächlich zufrieden sein und sogar von einem dauerhaften Frieden sprechen?

Israel hatte den Iran am 13. Juni angegriffen – ein Präventivschlag aus der Befürchtung heraus, die Islamische Republik stehe kurz vor der Entwicklung einer Atombombe. Dieses Ziel dürfte mit den Bombardierungen der iranischen Nuklearanlagen durch israelische und amerikanische Kampfflugzeuge erst einmal verhindert worden sein.

Israel und auch die USA gehen davon aus, dass das iranische Atomprogramm vorerst „beendet“ ist. Dabei ist jedoch noch unklar, wie groß die entstandenen Schäden sind und wo rund 400 Kilogramm zu 60 Prozent angereichertes Material verblieben sind. Zudem stellt sich die Frage, ob der Iran noch andere geheime Anlagen besitzt, in denen das Uran möglicherweise auf 90 Prozent angereichert werden könnte und damit waffenfähig wäre.

Mit Sicherheit hat Israel die Islamische Republik militärisch schwer getroffen. Die veraltete iranische Luftwaffe wurde ausgeschaltet, ebenso wohl ein Großteil der Luftabwehrsysteme. Sonst hätten israelische Kampfjets nicht nach Belieben im iranischen Luftraum agieren können. Zudem hat Israel einen Teil des Raketenarsenals und wohl hunderte von Raketenabschussrampen zerstört.

Der Iran wird wieder aufrüsten

Wie jedoch die iranischen Vergeltungsschläge der letzten Tage auf Israel und auch auf die US-Basis in Katar zeigten, besitzt Teheran noch immer ausreichend Vorräte, um zuzuschlagen. Man kann davon ausgehen, dass der Iran bei einer stabilen Waffenruhe seine militärischen Kapazitäten neu formieren wird. Die Führung will nicht noch einmal ein ähnliches Desaster wie in den vergangenen zwölf Tagen erleben. Es ist ein totales militärisches Versagen, wenn ein anderer Staat innerhalb kurzer Zeit die Lufthoheit über nationalem Territorium erreichen kann.

Der Iran wird möglichst schnell versuchen, sein Abschreckungspotential wiederzuerlangen und vermutlich aufrüsten wie nie zuvor. Dafür braucht das Mullah-Regime effektivere Luftabwehrsysteme, noch mehr weitreichende Drohnen, ballistische Raketen und Lenkwaffen sowie Marschflugkörper. Schließlich geht es der religiösen Führung in Teheran darum, gegen den Erzfeind Israel und seinen „terroristischen Verbündeten“, den „verdorbenen Westen“, zu bestehen. Die politische Strategie des Iran basiert auf einer vermeintlich moralischen Überlegenheit und religiösen Legitimierung des Widerstands. Das ist die treibende Kraft der Regimes in Teheran – also eine Glaubensfrage.

Ob und wann es neue Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm gibt, ist nicht abzusehen. Für Teheran wären Atomsprengköpfe nach wie vor die ultimative Waffe. Nach dem Zwölf-Tage-Krieg dürfte der Wunsch danach noch größer sein als je zuvor. Israel wird einen Neustart des iranischen Atomprogramms jedoch unter allen Umständen unterbinden wollen.

„Angesichts einer Wiederaufnahme nuklearer Aktivitäten“, sagt der ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes Amos Yadlin, „sollten im Vorfeld strategische Vereinbarungen zwischen Israel und den USA über eine gemeinsame militärische und politische Kampagne getroffen werden, um die Wiederaufnahme des iranischen Atom- und Raketenprogramms zu verhindern“. Anscheinend haben sich weder Israel noch die USA konkrete Gedanken über die Frage gemacht, was nach dem Krieg mit dem iranischen Atomprogramm geschehen soll.

Der Iran ist zwar militärisch geschwächt und in keiner starken Verhandlungsposition, aber von seinen nuklearen Ambitionen wird er sich kaum abbringen lassen.

Alfred Hackensberger hat seit 2009 aus mehr als einem Dutzend Kriegs- und Krisengebieten im Auftrag von WELT berichtet. Vorwiegend aus den Ländern des Nahen und Mittleren Osten wie Libyen, Syrien, dem Irak und Afghanistan, zuletzt aber auch aus Bergkarabach und der Ukraine.

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