Eigentlich hatte die Bundesregierung versprochen, Bürger und Wirtschaft bei den Strompreisen zu entlasten. Doch nun soll die Steuer nur für wenige Branchen sinken - Verbände üben scharfe Kritik. Die Grünen sind empört.

Aus der deutschen Wirtschaft kommt scharfe Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung, die Stromsteuer nur für die Industrie sowie für die Land- und Forstwirtschaft zu senken. Verbände warfen Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor, gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen.

"Schlag ins Kontor für den Mittelstand"

"Händlerinnen und Händler haben darauf gesetzt, dass die Bundesregierung ihr Wort hält und die Stromsteuer für alle senkt, nicht nur für ausgewählte Branchen", erklärte der Präsident des Handelsverbands Deutschland, Alexander von Preen. "Bricht die Bundesregierung jetzt ihr Versprechen, entstehen den Unternehmen Kosten in Millionenhöhe."

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sprach von einem "Schlag ins Kontor für den Mittelstand". Auch energieintensive Handwerksbetriebe, beispielsweise in der Textilreinigung, müssten endlich entlastet werden. "Wir fordern die Bundesregierung auf, zu ihrem Wort zu stehen", erklärte Verbandspräsident Jörg Dittrich.

Unverständnis bei DIHK und Verbraucherzentrale

"Industrie- und Handelskammern berichten uns von vielen empörten Anrufen aus Betrieben, die fest mit einer sinkenden Stromsteuer gerechnet hatten", sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. "Niemand versteht, warum trotz der geplanten Rekordverschuldung diese ohnehin recht kleine, aber sehr wichtige Entlastung nicht möglich sein soll."

Die Verbraucherzentrale Bundesverband betonte, Haushalte in Deutschland zahlten im europäischen Vergleich die höchsten Strompreise. "Die Entlastung der Menschen bei den Energiepreisen war eines der zentralen Wahlversprechen der Koalitionsparteien." Es dürfe keine Abkehr davon geben. "Der Vertrauensverlust wäre immens."

"Koalitionsvertrag trifft auf Wirklichkeit"

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD bei den Strompreisen zugesagt, dass Unternehmen und Verbraucher um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde entlastet würden. "Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren." Das europäische Mindestmaß liegt bei 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Deutsche Verbraucher zahlen 2,05 Cent.

In dem Haushaltsentwurf der Regierung ist die Steuerentlastung nun aber nicht mehr vorgesehen. Wirtschaftsministerin Reiche hatte gestern beim Tag der Industrie in Berlin zur Erklärung gesagt: "Hier trifft dann sozusagen Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit."

Auch ein Sprecher des Finanzministeriums wollte sich heute auf Nachfrage nicht festlegen. "Es steht alles unter Finanzierungsvorbehalt. Das gilt für sämtliche Maßnahmen, die den Haushalt belasten", betonte er.

Empörte Grüne

Scharfe Kritik kommt von den Grünen. "Friedrich Merz ist schon jetzt der Wortbruch-Kanzler, sein Finanzminister Lars Klingbeil führt den Kurs gegen Klimaschutz und Entlastungen mit gewaltigem Enthusiasmus aus", sagte Parteichef Felix Banaszak der Nachrichtenagentur dpa. "Beide haben versprochen, die Energiepreise zu senken. Jetzt canceln sie die Senkung der Stromsteuer und versenken Milliarden an Steuergeldern in Gas."

Regierung stellt Entlastung für Bürger in Aussicht

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, rechtfertigte die Verschiebung der versprochenen Pläne. Die Positionierung der Bundesregierung für den Haushalt 2025 "heißt ja nicht, dass es in der gesamten Wahlperiode nicht kommt".

Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer sowie das Finanz- und Wirtschaftsministerium verwiesen zudem darauf, dass es trotzdem zu einer Entlastung auch der Bürger komme. Die Summe der Maßnahmen führe bereits zu einer Entlastung von zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde auch für Bürger.

Kritik an dem Vorgehen kommt aber auch aus der Regierungspartei. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte eine Absenkung der Stromsteuer für alle, weil diese als Kompensation für den CO2-Preis gedacht gewesen sei. Die Absenkung auch für Bürger und Firmen zum Jahreswechsel sei "gerade mit Blick auf die Akzeptanz der Energiewende dringend notwendig", sagte er der Bild-Zeitung.

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