Die 20-jährige Katrine spähte über ein dichtes Waldgebiet und suchte den Horizont nach etwaigen anfliegenden Bedrohungen ab. Nach fast vier Monaten Militärtraining absolvierte die junge Soldatin mit dem Rest ihrer Einheit im Juni ihre letzten Übungen, nahe der Kaserne des Königlich Dänischen Heeres in Høvelte, 25 Kilometer nördlich von Kopenhagen. Sie und andere Soldatinnen hatten sich Anfang des Jahres freiwillig zum Wehrdienst gemeldet – bislang der einzige Weg für Däninnen, im Militär zu dienen.

Aber jetzt können Frauen in diesem Land erstmals auch zwangsweise eingezogen werden. Zugleich soll der Wehrdienst in Dänemark von bislang vier auf elf Monate verlängert werden. Entsprechende Regeln hatte das Parlament Anfang Juni gebilligt, vor dem Hintergrund russischer Aggression und im Rahmen wachsender militärischer Investitionen vieler Nato-Mitgliedsländer.

Dänemark hatte bislang bereits eine Wehrpflicht für körpertaugliche Männer über 18 Jahren. Aber viele von ihnen sowie auch zahlreiche Frauen meldeten sich freiwillig, und etwaige Lücken wurden dann mithilfe eines Lotteriesystems gefüllt, das bis jetzt nur Männer involvierte. Nun werden Frauen in das Lossystem einbezogen. Wer an diesem Dienstag 18 Jahre alt wird, könnte 2026 Dienst leisten müssen.

„In der Lage, in der sich die Welt jetzt befindet, ist es nötig. Ich denke, es ist nur fair und richtig, dass Frauen gleichberechtigt mit Männern teilnehmen“, sagt Katrine. Sie und andere Soldatinnen äußerten sich aus Gründen der operativen Sicherheit unter der Bedingung, dass nur ihr Vorname genannt wird.

Die Reformen sind Teil einer überparteilichen Vereinbarung vom vergangenen Jahr über verstärkte Verteidigungsanstrengungen. Sie sollten ursprünglich erst 2027 zum Tragen kommen, aber das wurde dann vorgezogen – „basierend auf der gegenwärtigen Sicherheitslage“, wie Oberst Kenneth Strøm, Leiter des Wehrpflichtprogramms, offensichtlich mit Bezug auf Russlands Krieg in der Ukraine sagt. So sind Lehren von den ukrainischen Gefechtsfeldern auch in die Ausbildung eingeflossen, die Katrine absolvierte. „Das macht es sehr real“, sagt sie.

Mit der Einführung einer Wehrpflicht auch für Frauen soll zugleich die Zahl der aktiv Dienenden erhöht werden. Dänemark, ein Land mit sechs Millionen Einwohnern, hat etwa 9000 Berufssoldaten. Hinzu kommen jene, die ihren Grundwehrdienst ableisten. 2024 waren es 4700, bis 2033 soll die Zahl auf jährlich bis zu 6500 steigen. Mehr Rekruten bedeute „mehr Kampfkraft“, so Strøm.

Waren im vergangenen Jahr etwa ein Viertel der Wehrdienstleistenden weibliche Freiwillige, würden manche Frauen wahrscheinlich nicht sehr begeistert sein, wenn ihr Wehrdienst-Los gezogen werde, sagt Anne Sofie, eine von Katrines Militärgefährtinnen. Aber manche würden wahrscheinlich zu ihrer Überraschung feststellen, dass sie es „viel lieber mögen“, als sie es gedacht hätten. Der Wehrdienst wird sich ab 2026 aus fünf Monaten Grundausbildung und sechs Monaten Einsatztraining plus zusätzlichem Unterricht zusammensetzen.

Dänemark hat auch vor, seine diesjährigen Verteidigungsausgaben um drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, mithilfe eines etwa sechs Milliarden Euro umfassenden Fonds, aus dem auch Teile des Wehrpflichtprogramms finanziert werden sollen.

„Wir haben eine verschärfte Sicherheitslage in Europa“, sagt Rikke Haugegaard vom Royal Danish Defence College mit Hinweis auf den Ukraine-Krieg und die besondere Verwundbarkeit des Baltikums, wo Dänemark als Zeichen der Solidarität seine Militärpräsenz verstärkt hat. Vor diesem Hintergrund sei die Wehrdienst-Reform Teil der Bemühungen, „die dänische Verteidigung zu stärken“.

Aber Haugegaard spricht auch von vielen Herausforderungen, von unpassender Ausrüstung über einen Mangel an Kasernen bis hin zu möglichen Fällen sexueller Belästigung. In den kommenden ein, zwei Jahren „werden wir eine Menge neuer Gebäude bauen, um all diese Leute unterzubringen. Es wird ein stufenweiser Prozess sein“, sagt sie voraus.

Aber vielleicht kann Dänemark von den Erfahrungen anderer skandinavischer Länder profitieren: Das benachbarte Schweden hat 2017 eine Wehrpflicht sowohl für Männer und als auch Frauen eingeführt, und in Norwegen ist sie bereits seit 2015 geschlechterneutral.

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