Andere Länder sind viel weiter - hierzulande aber stockt der Einbau intelligenter Stromzähler. Dabei werden die sogenannten Smart Meter für das Energienetz der Zukunft dringend gebraucht.

Ein wenig bewölkt ist es an diesem Tag im brandenburgischen Jüterbog. Doch Jan Helbing lässt sich davon nicht aufhalten. Der 58-Jährige lädt sein E-Auto mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage. Überschüssige Energie speichert eine Batterie im Keller - alle Komponenten steuert und kontrolliert er per App. Das zentrale Element: ein Smart-Meter-Gateway, also ein intelligentes Messsystem mit Kommunikationsschnittstelle.

"Im Winter ist es natürlich bei wenig Sonnenschein ein bisschen schwieriger, dann müssen wir halt hauptsächlich dazukaufen", sagt Helbing. "Im Sommer ist es aber so, dass wir die meisten Fahrleistungen einfach aus der Solaranlage generieren können."

Was modern und effizient klingt, war jedoch in der Umsetzung alles andere als einfach und smart.

Langes Warten auf das Messsystem

Der Wunsch, sein E-Auto mit Hilfe eines intelligenten Zählers zu laden, scheiterte monatelang an der Realität. Ein Antrag auf der Webseite des Messstellenbetreibers verlief im Sande, die Fachabteilung wusste nichts davon. Erst zwei Jahre später, wird das Messsystem endlich installiert - parallel mit der PV-Anlage. "Das hätte ich nicht gedacht, dass das wirklich so lange dauern würde", sagt Helbing rückblickend.

Der Smart-Meter-Nutzer ist kein Einzelfall. Zwar ist der Einbau bei bestimmten Haushalten seit Januar dieses Jahres gesetzlich vorgeschrieben ist - etwa bei einem Stromverbrauch über 6.000 kWh oder PV-Anlagen mit mehr als sieben kWp. Trotzdem kommt der Rollout nur schleppend voran.

Deutschland weit unter europäischem Durchschnitt

Lediglich etwa zwei Prozent aller Haushalte in Deutschland waren Anfang des Jahres mit einem intelligenten Messsystem mit Gateway ausgestattet. Bei jenen, die gesetzlich zur Nutzung verpflichtet wären, lag die Quote bei nur 14 Prozent - weit unter dem angestrebten Ziel. In vielen anderen europäischen Ländern ist der Ausbau bereits deutlich weiter fortgeschritten.

In Schweden, Norwegen und Finnland ist die Abdeckung nahezu vollständig. Auch Länder wie Frankreich und Spanien melden Installationsraten von 90 bis 99 Prozent. Im europäischen Durchschnitt nutzten Ende 2024 rund 63 Prozent aller Stromkunden einen Smart Meter.

Viel mehr als nur Stromzähler

Intelligente Messsysteme sind weit mehr als digitale Stromzähler. Sie erfassen präzise, wie viel Strom ein Haushalt verbraucht oder in das Netz einspeist, und übertragen diese Daten verschlüsselt und in Echtzeit an den Netzbetreiber. Damit liefern sie einen kontinuierlichen, digitalen Überblick über das Stromnetz - insbesondere auf der bislang kaum überwachten Niederspannungsebene, an die mittlerweile Millionen dezentraler Erzeuger und Verbraucher angeschlossen sind.

Für Verteilnetzbetreiber wie EWE NETZ sind die Systeme inzwischen unverzichtbar geworden. "Nicht nur die Masse von Anlagen ist eine Herausforderung", sagt Torsten Maus, Geschäftsführer von EWE NETZ. "Sondern Wind und Sonne sind immer zu unterschiedlichen Zeiten da - mal mehr Wind, mal weniger Sonne. Und diese Schwankungen, die wir damit haben, sind für uns eine enorme Herausforderung, das ins Gleichgewicht zu bringen."

Echtzeitdaten für den Netzbetreiber

Durch die zunehmende Einspeisung aus volatilen Quellen wie Wind- und Sonnenenergie ist es für Netzbetreiber zentral, in Echtzeit zu wissen, wo Strom produziert und wo er verbraucht wird. Genau hier setzen die Smart-Meter-Gateways an. Dieses intelligente Messsystem kann auch kommunizieren", so Maus weiter. "Nur so können wir wissen, was eigentlich bei uns im Netz los ist: Wo ist welche Verbrauchssituation, wo ist welche Einspeisesituation? Daraus machen wir uns ein gesamtes Lagebild und können dann steuernd und regelnd eingreifen."

Durch diese Echtzeitdaten lassen sich Lastspitzen frühzeitig erkennen und gezielt steuern. Flexible Verbraucher wie Wärmepumpen, Wallboxen oder Batteriespeicher können folglich so betrieben werden, dass sie das Netz stabilisieren, statt es zusätzlich zu belasten.

Gleichzeitig schaffen die Gateways die technische Grundlage für dynamische Stromtarife, bei denen sich der Preis nach Netzbelastung und Marktsituation richtet. Endverbraucher profitieren so nicht nur finanziell, sondern helfen auch, das System effizienter und damit klimafreundlicher zu gestalten.

Gefahr des kostspieligen Blindflugs

Ohne diese Transparenz droht im wachsenden dezentralen Energiesystem ein gefährlicher Blindflug - mit potenziell hohen Folgekosten für Netzsicherheit und Klimaziele. Denn Smart-Meter-Gateways ermöglichen es, sowohl Erzeugung als auch Verbrauch dynamisch aufeinander abzustimmen. Damit tragen sie entscheidend dazu bei, erneuerbaren Strom effizient zu integrieren und Lasten intelligent zu verteilen. Das hilft letztlich auch, CO2-Emissionen zu senken.

Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) sagt: "Smart Meter sind eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende, weil sie helfen, erneuerbaren Strom zeitnah, so wie er produziert wird, zu integrieren und zu verbrauchen."

Was den Ausbau bremst

Die Ursachen für den schleppenden Rollout sind vielfältig. Zum einen gelten in Deutschland besonders hohe technische Anforderungen an die Smart-Meter-Gateways - insbesondere im Hinblick auf IT-Sicherheit. Carolin Schenuit bemängelt, dass die Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eher einem Geheimdienstniveau entsprächen als den praktischen Anforderungen an ein Messgerät.

"Da muss man sich natürlich fragen, ist das sachdienlich - beziehungsweise, wie viel ist nötig und wie viel kann man vielleicht auch an Abstrichen akzeptieren." Zwar sei Datensicherheit wichtig, doch der überzogene Fokus darauf habe jahrelang Fortschritt verhindert, so Schenuit.

Bürokratische Hemmnisse

Besonders schwer wiegt das für innovative Energieunternehmen, die mit neuen Geschäftsmodellen auf den Markt drängen - wie etwa der norwegische Anbieter Tibber, der Strom zu stündlich variierenden Börsenpreisen verkauft. Die Kommunikation mit intelligenten Zählern ist für das Geschäftsmodell elementar. Merlin Lauenburg, Geschäftsführer von Tibber Deutschland, erklärt, dass man in Deutschland mit einer Vielzahl von Hindernissen kämpfe, unter anderem einer Fragmentierung des Marktes. "Wir haben knapp 900 Netzbetreiber in Deutschland, von denen wir wissen, dass etwa 500 im März nicht einen einzigen smarten Zähler installiert haben."

Um Bewegung in den Markt zu bringen, hat Tibber gemeinsam mit weiteren Unternehmen 2024 eine Smart-Meter-Initiative gegründet. Ziel ist es, den politischen Druck zu erhöhen, bürokratische Hemmnisse abzubauen und die technischen Anforderungen auf ein praktikables Maß zu reduzieren. In einem offenen Brief an die Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche forderten sie eine Abkehr vom deutschen Sonderweg - hin zu einem schnelleren, einfacheren und marktoffeneren Rollout.

Hunderte von Netzbetreibern und Versorgern

Mit dem im Mai 2023 in Kraft getretenen Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) wurde ein erster Anlauf für eine Beschleunigung des Ausbaus genommen. Die Zahl der installierten Systeme habe sich seitdem vervielfacht, heißt es vom Bundeswirtschaftsministerium.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht die aktuelle Debatte um vereinfachte "Smart Meter light" kritisch und betont, dass die größten Effizienzpotenziale nicht in der Hardware, sondern in der Vereinfachung komplexer lägen. Besonders die Vielzahl an beteiligten Akteuren - rund 900 Netz- bzw. Messstellenbetreiber und etwa 1.000 Energieversorger - sorge für unnötige Kosten und Verzögerungen.

Eine stärkere Konsolidierung und Kooperation innerhalb dieser Strukturen könnte laut BSI den Rollout deutlich effektiver und wirtschaftlicher gestalten. Für Carlin Schenuit aber auch für Merlin Lauenburg ist klar: Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, braucht es jetzt mehr als nur gesetzliche Vorgaben - es braucht eine strukturierte, digitale und entschlossene Umsetzung.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.