Wer zurzeit nach einem Job sucht, hat es häufig schwer. Denn Unternehmen halten sich angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage mit Stellenausschreibungen zurück.
Sowohl Jobportale wie Indeed als auch die Bundesagentur für Arbeit melden, dass die Zahl der ausgeschriebenen Stellen zuletzt deutlich zurückgegangen ist. So gab es im Juni dieses Jahres 17 Prozent weniger offene Stellen als im Juni 2024. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um fast 190.000 gestiegen. Und insgesamt könnte sie Arbeitsmarktexperten zufolge sogar noch in diesem Sommer auf drei Millionen ansteigen.
"Die Bewerbungsphase war für mich sehr frustrierend"
Für Menschen, die auf Jobsuche sind und nach der Ausbildung oder dem Studium neu in den Arbeitsmarkt drängen, sind das keine idealen Voraussetzungen. Aufreibende und erfolglose Bewerbungsphasen sind zurzeit keine Seltenheit.
Das beschreibt auch der 27-jährige Tim, der nach dem Abschluss seines Studiums in BWL und Philosophie in den vergangenen Monaten lange auf Jobsuche war: "Die Bewerbungsphase war für mich sehr frustrierend, weil ich nur Absagen erhalten habe. Meinen ehemaligen Kommilitonen und meinen Freunden ging es nicht anders. Einige haben über 50, manche sogar über 100 Bewerbungen verschickt und nicht einmal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten."
Auch Monja, ebenfalls 27 Jahre alt, hat zurzeit Schwierigkeiten, eine neue Stelle zu finden, nachdem sie ihren Job bei einer Marketingagentur verloren hat. "Die Firma musste mir aus Kostengründen kündigen. Jetzt stecke ich wieder mitten in der Bewerbungsphase, die sich diesmal noch schwieriger gestaltet als vor ein paar Jahren." Trotz mehrjähriger Berufserfahrung und einem abgeschlossenen Studium habe sie das Gefühl, vor allem bei größeren und international tätigen Konzernen, auf Granit zu beißen. Besonders frustrierend sei für sie, dass sie auf ihre Bewerbungen größtenteils nicht einmal eine Rückmeldung erhalte.
Goldene Zeiten vorerst vorbei
Arbeitsmarktexperten überrascht diese Entwicklung nicht. So erklärt Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: "Die Zeiten sind nicht mehr so golden, wie sie einst waren, als man noch mit offenen Armen empfangen wurde. Was wir gerade erleben, ist eine Industrie-Krise." Die Industrie verliere zurzeit tausende Jobs im Monat. Dadurch steige das Entlassungsniveau, wobei es immer noch niedriger sei als vor der Pandemie, so Weber. "Aber die neu ausgeschriebenen Stellen, sind so niedrig wie noch nie."
Dieses Phänomen sei in fast allen Branchen zu beobachten, sagt Virginia Sondergeld, Ökonomin beim Jobportal Indeed: "In Bereichen wie Marketing, Projektmanagement oder IT hat sich das Stellenangebot besonders stark ausgedünnt. Auch die Industrie, lange das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, schwächelt." Etwa im Automobilsektor komme es aktuell eher zu Stellenabbau als zu Neueinstellungen. "Das war jahrzehntelang undenkbar", betont die Expertin.
Sondergeld führt das hauptsächlich auf die angespannte finanzielle Lage der Firmen zurück: "Die Kombination aus wirtschaftlicher Schwäche, geopolitischen Unsicherheiten und strukturellen Herausforderungen im Inland sorgt dafür, dass viele Unternehmen bei Neueinstellungen auf die Bremse treten und ihre Personalkosten genau im Blick behalten."
Immerhin kleiner Hoffnungsschimmer
Für Arbeitssuchende sei die Lage dennoch nicht vollkommen aussichtslos, erklärt Weber. Man müsse genau schauen, in welchen Bereichen zurzeit noch Personal gesucht wird und ergänzt: "Dabei muss es nicht unbedingt immer die Branche oder das Produkt sein, an das ich schon immer gedacht habe. Als Maschinenbauer muss es zum Beispiel ja nicht zwingend die Automobilbranche sein, es kann auch Windkraft sein."
Außerdem gebe es aktuell einzelne Branchen, die einen wachsenden Bedarf an Personal haben. So erklärt Sondergeld: "Die Rüstungsindustrie etwa wächst angesichts globaler Unsicherheiten und gewinnt als Arbeitgeber an Bedeutung." Auch seien Fachkräfte vor allem in Engpassberufen gefragt - zum Beispiel in der Pflege oder im Handwerk.
Wer in diesen Bereichen Qualifikationen mitbringt, habe angesichts des Arbeitskräftemangels weiterhin gute Karten, so Sondergeld. Für viele Arbeitssuchende könne zudem ein Quereinstieg eine Option sein, insbesondere wenn Weiterbildungen gezielt genutzt werden, um sich für stark nachgefragte Branchen zu qualifizieren.
Entspannung am Arbeitsmarkt lässt auf sich warten
Tim hat inzwischen einen Job gefunden. Er wurde bei der Firma übernommen, bei der er zuvor schon als Werkstudent gearbeitet hat. Ein Großteil seiner Bekannten, ebenso wie Monja, sind hingegen immer noch auf Arbeitssuche.
Eine ernsthafte Trendwende am Stellenmarkt wird es laut Sondergeld wohl erst geben, wenn es mit der deutschen Wirtschaft wieder bergauf geht. Zwar habe die neue Bundesregierung bereits wichtige Maßnahmen wie den Investitionsbooster, das Sondervermögen für Infrastrukturprojekte und die gelockerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben auf den Weg gebracht. Doch bis diese Initiativen Wirkung auf dem Arbeitsmarkt zeigen, dürfte es vermutlich noch dauern.
Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau, 07.07.2025 18:09 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.