Nach der Aufhebung eines polizeilichen Demonstrationsverbots durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg fordert die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine zügige Reform des Versammlungsfreiheitsgesetzes. Hintergrund ist eine islamistische Kundgebung am vergangenen Sonnabend, bei der Anhänger der salafistischen Szene offen für einen Kalifatsstaat und gegen Israel protestierten.

„Die eklatanten Lücken im Versammlungsfreiheitsgesetz gefährden unsere innere Sicherheit“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro gegenüber WELT. Extremisten könnten unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nahezu jede Versammlung anmelden, selbst wenn Sicherheitsbehörden im Vorfeld gewaltverherrlichende oder verfassungsfeindliche Inhalte prognostizierten. Die bisherigen rechtlichen Grundlagen reichten nicht aus, um islamistische Aufmärsche wirksam zu verhindern.

Die Polizei Berlin hatte die am Samstag geplante Versammlung unter anderem wegen volksverhetzender Aussagen des Anmelders, des islamistischen Influencers Ahmad Tamim, untersagt. Das Verwaltungsgericht bestätigte das Verbot zunächst, das Oberverwaltungsgericht hob es jedoch auf. Jendro kritisierte, dass sich Verwaltungsrichter „aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht einmal ernsthaft mit Argumenten beschäftigen“ würden.

Bei der Kundgebung hatten sich am Wochenende rund 1500 Personen versammelt. Tamim rief in seiner Rede unter anderem zur militärischen Intervention islamischer Staaten gegen Israel auf. Die Teilnehmer riefen „Allahu Akbar“, hielten Schahada-Fahnen mit islamistischem Symbolwert hoch und forderten auf Plakaten ein Kalifat im Nahen Osten. Frauen mussten am Rand der Versammlung bleiben.

„Eine orchestrierte Machtdemonstration“

Tanim gilt als führender Kopf der Gruppe „Generation Islam“, die dem Umfeld der Hizb-ut-Tahrir-Bewegung (HuT) zugerechnet wird. Das Bundesinnenministerium hatte HuT im Jahre 2003 verboten. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz propagiert die Gruppe „die ‚Befreiung‘ aller Muslime von ‚Unterdrückung‘ und ihre Vereinigung in einem weltweiten Kalifat“. „Generation Islam“ dockt an diesen Vorstellungen an und verbreitet vor allem im Internet aufwendig produzierte propagandistische Inhalte.

Jendro sprach mit Blick auf die Demonstration am Wochenende von einer „Hardcore-Salafisten-Inszenierung“, bei der gezielt die mediale Wirkung im Vordergrund gestanden habe: „Das war keine simple Pro-Palästina-Demo, sondern eine orchestrierte Machtdemonstration mitten in der Hauptstadt unseres demokratischen Rechtsstaates.“

Die GdP fordert nun eine umfassende Reform des Versammlungsfreiheitsgesetzes. Konkret nennt Jendro die Wiedereinführung des Begriffs der „öffentlichen Ordnung“, ein konsequentes Vermummungsverbot, die Möglichkeit zur gewaltabschöpfenden Gefahrenabwehr sowie das Verbot von Versammlungen an symbolischen Orten wie dem Brandenburger Tor oder dem Reichstag bei bestimmten Anlässen. Ohne solche Instrumente werde der Rechtsstaat zunehmend handlungsunfähig gegenüber extremistischen Provokationen.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel hatte sich nach dem OVG-Urteil ebenfalls ungewöhnlich deutlich geäußert. „In den siebeneinhalb Jahren im Amt als Polizeipräsidentin hat mich noch nie eine gerichtliche Entscheidung so geschmerzt“, hatte sie WELT am Montag gesagt. Unterstützung kam vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der die Entscheidung des Gerichts „unverständlich“ nannte. Wegner forderte wie die GdP, den Begriff der öffentlichen Ordnung wieder ins Versammlungsrecht aufzunehmen. Nun müsse die Innenverwaltung prüfen, welche gesetzlichen Änderungen erforderlich seien.

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