• Tschechien plant ein Atomkraftwerk nahe der Grenze – viele deutsche Anwohner sind besorgt, doch breiter Protest bleibt bislang aus.
  • Olbernhau leidet seit Jahrzehnten unter Luftverschmutzung durch tschechische Kohlekraft – ob ein Atomkraftwerk das kleinere Übel wäre, bleibt für Bürgermeister Klaffenbach offen.
  • Zum geplanten AKW läuft derzeit ein Vorverfahren der Umweltprüfung.

Noch rattern die großen Bagger und Kohlezüge in Nordböhmen, lange Fließbänder transportieren die Braunkohle zu den Verbrennungsöfen in den Kraftwerken, auch in Tusimice. Geht es nach den Plänen der tschechischen Regierung, könnte hier in Zukunft ein Atomkraftwerk stehen. Gut 15 Kilometer nördlich liegt die deutsche Grenze. Berge verdecken zwar den Blick auf die Abbaugebiete, doch "aus dem Auge, aus dem Sinn" heißt es hier nicht.

Gemischte Gefühle bei den Anwohnern

Viele Grenzbewohner sind besorgt von den tschechischen Plänen und dem anfallenden Atommüll. Ein Bewohner schildert: "Ich bin generell nicht für Atomkraft. Ich wünsche sie mir auch nicht hier. Atomkraft sollte – auch wenn es eine saubere Energiequelle ist – abgeschafft werden".

Was sind Mini-Atomkraftwerke? (zum Ausklappen)

Small Modular Reactors (SMR) sind kleinere Reaktoren, die Atomstrom produzieren und die Debatte um Kernenergie aktuell wieder befeuern. Die USA, Kanada und Großbritannien investieren in die Entwicklung solcher Anlagen. Auch die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr den Aufruf einer Europäischen Industrieallianz für kleine modulare Reaktoren gestartet.

Laut EU-Angaben sind SMR flexibler als konventionelle Kernkraftwerke in Bezug auf Standortwahl, Baugeschwindigkeit und die Menge des benötigten Kühlwassers.

Andere stehen dem geplanten Atomkraftwerk neutral gegenüber, denn auch andere Länder, die an Deutschland grenzen, hätten Atomkraftwerke. Außerdem gebe es auch in Tschechien weitere Atomkraftwerke: "Ob es nun vor der Nase steht oder 100 Kilometer weiter – das ist dem Wind egal", erklärt ein Bewohner.

In Olbernhau, 30 Kilometer von dem möglichen AKW-Standort entfernt, mobilisiert eine Bürgerinitiative aktuell gegen eine geplante Photovoltaik-Anlage im Ort, doch zu den Atomplänen der Nachbarn: auffallende Stille.

Das akute Problem: Luftverschmutzung

Zu weit weg von der Grenze ist der Ort jedenfalls nicht, denn die tschechische Braunkohleverstromung merkt man hier: "Der böhmische Wind heißt das bei uns. Wenn der Wind richtig steht – Ostwind – das spürt man auch in unseren Krankheitsstatistiken in den Schulen", schildert Olbernhaus Bürgermeister Jörg Klaffenbach. Das Thema Luftverschmutzung begleite die Menschen im Erzgebirgskamm schon seit Jahrzehnten.

Doch das Thema wurde von Ministerien und vom Bund laut Bürgermeister Klaffenbach nie richtig ernst genommen. "Ob das AKW jetzt die bessere Alternative ist, weiß ich nicht. Das ist eine saubere Energieform, das muss man ganz ehrlich sagen. Die sauberste, die es vielleicht derzeit gibt. Aber es gibt für alles ein Für und ein Wider."

Ist ein AKW das kleinere Übel im Vergleich zur Braunkohle? Zumindest gibt es bisher keine Fragen oder Beschwerden zu den AKW-Plänen, sagt Klaffenbach.

Prüfung der Umweltverträglichkeit geplant

Daher gibt die Stadt auch keine Stellungnahme im aktuell laufenden Vorverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung ab. Die Frist dafür ist der heutige Montag. Doch Sachsens Umweltstaatssekretär Ulrich Menke beruhigt: "Derzeit findet ein sogenanntes Scoping-Verfahren statt. Scoping heißt Umfang- oder Reichweitenermittlung und dort werden wir ermitteln, worum es überhaupt geht, also welche Themen anliegen. Das ist die Grundlage, auf der die anschließende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird."

Im Rahmen dieser Umweltverträglichkeitsprüfung werde dann allen – auch der Öffentlichkeit – Gelegenheit gegeben, mit Einwänden Stellung zu nehmen, sagt Menke. Es sei eher ungewöhnlich, dass die Öffentlichkeit überhaupt schon so früh in einem Verfahren beteiligt wird, sagt Menke. Denn welche möglichen Auswirkungen das Kraftwerk auf Wasser, Luft, Umwelt oder Sicherheit der Menschen haben kann, müsse erst noch ermittelt werden.

Am Ende ist der Bau aber keine deutsche Entscheidung. Das Prüfverfahren muss den tschechischen und europäischen Vorgaben standhalten, dann stehe es dem Land frei, über die eigene Energieversorgung zu entscheiden.

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