Das Kabinett sieht gut aus“, lobt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Minister. Sie sind am Dienstagmorgen komplett vor der Talstation der Zugspitz-Seilbahn angetreten. Daneben auf einem Parkplatz marschieren die Gebirgsschützen auf, mit Trommeln und Musik. Es regnet teils heftig.

Als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vorfährt, als einziger in einer Mercedes-Limousine, während sämtliche bayerischen Minister in BMWs chauffiert werden, bricht zum ersten Mal die Sonne durch. Die Gebirgsschützen feuern drei eindrucksvolle Salut-Salven ab, die von der Bergkulisse widerhallen.

Oben, am Gipfel, tagt dann das bayerische Kabinett mit Merz als Ehrengast. Die geplatzte Wahl dreier neuer Verfassungsrichter in der vergangenen Woche, in Berlin nach wie vor kontrovers, ist da wohl kein Thema. Merz und Söder beantworten dazu hinterher Journalistenfragen nur knapp. Alles Notwendige in der Sache sei gesagt, meinen beide in ähnlichen Worten. Daran ändere auch die aktuelle Erklärung der Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf nichts, die darin entschieden bestreitet, politisch „ultralinks“ zu stehen oder ungeborenes Leben nicht als menschlich anzuerkennen.

„Da ist keine Kuh auf dem Eis“, sagt Merz. „Wir reden in den nächsten Wochen in der Koalition.“ Da sei im Wesentlichen die „handwerkliche Vorbereitung“ zu verbessern – sprich: Die Absprachen in den Fraktionen, um die gewünschten Mehrheiten zu sichern.

CDU-Chef Merz lobt, die schwarz-rote Koalition habe bereits Dutzende Gesetze verabschiedet und darunter rund 15 auch nach Abstimmung mit den Ländern durch den Bundesrat gebracht. Sie beträfen Investitionen, Steuern, die Migrationspolitik und Beschleunigungen von Genehmigungsverfahren – etwa für Telekommunikations-Infrastruktur. Es sei hier alles nach Plan gelaufen. Alles, was sich die Koalition für die ersten zehn Wochen vorgenommen habe, habe sie geschafft. Und das, so Merz, seien nur „die ersten zehn von 200 Wochen“, die die reguläre Amtszeit umfasse.

Der CSU-Vorsitzende Söder hebt hervor: Bei der Migrationspolitik und der Eindämmung der Asylzuwanderung habe die Bundesregierung Probleme gelöst. „Die Zahlen gehen deutlich zurück.“ Vor allem aber gebe es einen „grundlegenden Richtungswechsel. Deutschland ist nicht mehr der migrationspolitische Geisterfahrer.“

Positive Folge der Grenzkontrollen sei, dass etwa Polen jetzt auch seine Außengrenze konsequenter gegen illegale Migration abschotte. Die Bundesregierung spreche über Zuwanderung mit allen Nachbarstaaten, sagt Merz. Die Grenzen sollten nur vorübergehend kontrolliert werden, bis es eine europäische Lösung gebe.

In Bayern reisten außerdem neuerdings immer mehr Asylbewerber freiwillig wieder aus, so Söder. Das sei eine Folge der Bezahlkarte für Sozialleistungen, die inzwischen bayernweit gilt.

Merz fügt hinzu, für dieses Modell werde er auch in der schwarz-roten Koalition in Berlin werben. Bisher sei ein solches System mit der SPD nicht vereinbart. Vorstellbar sei, die Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz festzuschreiben.

„Wir haben großen Energiehunger“

Während der nicht-öffentlichen Kabinettssitzung hätten „fast alle“ bayerischen Landesminister Themen mit Merz diskutieren können, teilt Söder mit. Herausgekommen sei eine Wunschliste, die Merz abzuarbeiten versprochen habe. „Drei Jahre Rezession machen auch vor Bayern nicht halt.“ Der Freistaat sei wirtschaftlich zwar in vielem die Nummer eins in Deutschland – beim Bruttoinlandsprodukt, bei Industrie, Start-ups, Hochschulen und bei der Rüstung, von Söder neudeutsch als „Defence Tech“ bezeichnet. Ein Problem seien die drohenden US-Zölle. Da könne es noch so viele Steuersenkungen im Inland geben, „aber hoffentlich gibt es bis August ein Ergebnis“.

Das, so Merz, sei „nicht leicht, aber möglich“. Er habe sich dafür eingesetzt, dass die EU auf neue US-Zölle nicht mit gleich hohen Gegenzöllen reagieren solle, aber: Die US-Regierung solle nicht die Bereitschaft der Europäer unterschätzen, mit ähnlichen Maßnahmen zu reagieren.

Die seit drei Jahren andauernde Rezession beruhe freilich auch auf strukturellen Problemen. Es gebe in Deutschland große Rückstände in der Produktivität. Die aktuell wieder besseren Zahlen seien „nicht mehr und nicht weniger als Hoffnungswerte“. Ein „sich verfestigendes Wachstum“ sei das noch nicht.

Und mit Blick auf die Automobilindustrie fordert Söder den Fortbestand des Verbrennermotors. „Wir glauben an Technologieoffenheit und nicht an Ideologie.“ Darum arbeite Bayern an einem „technologischem Ökosystem“ mit künstlicher Intelligenz und „Quantencomputing“. Dafür brauche es viel Energie, oder, in Söders Worten: „Wir haben großen Energiehunger.“ Es brauche dringend Gaskraftwerke und mehr Leitungen in den Süden. Bei den erneuerbaren Energien sollten nicht nur Wind und Solar ausgebaut werden, sondern auch Biogas und Biomasse. Kernkraft erwähnt er mit keiner Silbe, auch Merz nicht.

Der kündigt an, nach und nach alle Bundesländer zu besuchen, so wie am Dienstag Bayern. Bund und Länder müssten „ein vertrauensvolles Miteinander finden“. So pompös wie beim Zugspitztreffen dürfte es dabei vermutlich nicht zugehen.

Den Empfang der Gebirgsschützen, überwiegend ältere Herren in Tracht, nennt Söder „Kultur, manchmal ein bisschen Klischee“. Sie seien die „bayerische Armee“. Und fügt hinzu: „Im Zweifelsfall.“

Christoph Lemmer berichtet für WELT über bundes- und landespolitische Themen, vor allem aus Bayern.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.