Ein Moment hat sein Leben geprägt. Während Manuel Streifeneder noch ein Student war, erkrankte sein bester Freund an Krebs und überlebte nicht. „Ich kann mich aber noch gut darin erinnern, wie er damals gesagt hat, dass er eigentlich nichts vom Leben hatte“, sagt der 34-Jährige. Sein Kumpel sei erst jeden Tag in die Schule gegangen, dann in die Universität und dann jeden Tag zur Arbeit. „Das hat mir so ein bisschen die Augen geöffnet und gezeigt, dass ich das für mich nicht will.“
Diese Erkenntnis ist viele Jahre her. Manuel Streifeneder hat seitdem sein Leben umgekrempelt, ist zum Frugalisten geworden – und lebt in finanzieller Freiheit. Möglich macht das ein Depot von fast 410.000 Euro (WELT bekam einen Einblick). Als Frugalisten bezeichnen sich Menschen, die besonders sparsam leben. So wollen sie möglichst schnell Geld ansparen und dann ein Leben ohne Arbeit finanzieren.
Geld und Finanzen beschäftigen den Bayer schon die meiste Zeit seines Lebens. „Ich bin in einem normalen Einfamilienhaus damals aufgewachsen“, erzählt er. Seine Mutter sei Hausfrau gewesen, sein Vater habe Vollzeit gearbeitet. Das Geld steckten seine Eltern zunächst ins Eigenheim, später in ein Ferienhaus in Spanien.
Das Geld sei daher immer etwas knapp gewesen. „Das hat mich irgendwann, so mit 13 Jahren, schon etwas gestört“, sagt er. Seine Freunde hätten einfach immer mehr gehabt – mehr Spiele, mehr Konsolen, mehr Taschengeld. „Da kam bei mir so der Wunsch auf: Ich will jetzt irgendwie Geld verdienen.“
Er habe dann nicht etwa Zeitung ausgetragen, sondern sich ein Online-Geschäft mit dem Anschauen von Werbung aufgebaut. „Dadurch habe ich mir auch das Programmieren beigebracht und Geld verdient.“ Je besser er im Programmieren wurde, desto mehr Auftragsarbeiten erreichten ihn. „Ich habe also gefühlt schon immer mein Geld am PC verdient.“
So finanzierte sich Manuel Streifeneder sowohl die Schulzeit als auch das Studium. Das verdiente Geld habe er „schon immer gerne gespart und vervielfacht“, sagt er. Anfangs über Zinsen auf Sparbüchern und Tagesgeld. Nach dem Bachelor-Abschluss arbeitete der Bayer als Elektroingenieur. Auf Dienstreise in Südkorea entdeckte er einen Blog über die Börse und finanzielle Freiheit.
Er habe von einer Faustformel gelesen, die besagt, dass man pro investierte 1000 Euro mit knapp 2,50 Euro netto an Ertrag rechnen kann. „Ich habe mir das mal durchgerechnet. Ich hätte 650.000 Euro gebraucht, um davon leben zu können. Das war wirklich viel“, berichtet er.
Zwei Möglichkeiten habe er gehabt: Ausgaben senken, um schneller ans Ziel zu kommen – oder mehr Geld verdienen. „Dadurch kam ich zum Frugalismus, um so viel Geld zu sparen, wie’s möglich ist.“ Er habe damals Vollzeit gearbeitet und viele Überstunden gemacht. Das Einkommen sei sehr gut gewesen, auch durch diverse Zuschläge.
Sparen beim Kantinenessen
Aber: „Die Arbeitsbelastung war mir zu hoch, weil es schon eher 45 bis 60 Stunden die Woche waren. Da hatte ich irgendwann nichts mehr vom Leben“, erinnert er sich. Das habe Streifeneder ändern wollen, weshalb er all sein Geld ins Depot steckte – und gleichzeitig mit dem Sparen begann.
Gestartet sei er mit dem Offensichtlichen: „Ich habe die Preise für Strom- und Versicherungen verglichen und optimiert.“ Eigentlich, sagt er, habe er alles in seinem Leben optimiert, ohne Lebensqualität zu verlieren. „Ich habe alles in meinem Leben hinterfragt. Warum esse ich in der Kantine das Essen für fünf Euro, obwohl das für 2,50 Euro auch total lecker ist?“, gibt er Einblick in seinen Gedankengang.
Er habe mit der Zeit festgestellt, dass er gar nicht so viel brauche, um glücklich zu sein.„Ich habe selten neue Klamotten wirklich gebraucht, mein Auto bin ich so lange gefahren, wie es ging“, verrät er. Frühere Kollegen hätten sich über die Jahre immer neue, dicke, schnelle Autos geholt – „aber die müssen alle jetzt auch noch arbeiten, ich bin finanziell komplett frei“, erzählt er lachend.
Das liegt auch daran, dass Manuel Streifeneder sich in den vergangenen Jahren mehr mit der Börse beschäftigt hat. Begonnen hat er vor zehn Jahren mit Sparplänen in ETFs – konkret mit einem Food-and-Beverage-Europa-ETF und einem Healthcare-ETF. „Essen und Trinken sowie Gesundheit braucht man immer, dachte ich mir“, begründet er das Investment.
Für passives Einkommen habe er zudem in Dividenden-ETFs investiert, das habe ihn motiviert. Mit der Zeit kaufte er außerdem Einzelaktien – und startete so mit dem Handel von Optionen. „Das fand ich cool. Ich habe es dann einfach probiert, und seitdem ist das meine Haupteinnahmequelle tatsächlich“, verrät er.
So investiert der Frugalist sein Geld
Der Handel mit Optionen gilt in der Branche als risikoreich. Das weiß Manuel Streifeneder. Er sagt, dass die Risiken stark von der gewählten Optionsstrategie und der Erfahrung des Händlers abhängen. „Ich habe mir in all den Jahren auch schon meine Finger verbrannt, das gehört komplett dazu“, sagt er. Natürlich habe er auch Optionen geschrieben, die nicht gut liefen. „Die meisten davon habe ich aber tatsächlich aussitzen können.“
Genau lässt sich nicht verfolgen, wie viel Rendite er mit den Optionen macht. „Zwischen zehn und 30 Prozent sollte man damit – je nach Börsenjahr – eigentlich herausholen können“, sagt er. Diese Summe schaffe er. Da in seinem Depot aber nicht nur die Optionen liegen, lasse sich das nicht exakt bestimmen. „Ich habe Gold und Silber, Bargeld, Tagesgeld, Aktien, ETFs – und dann halt noch die Optionen“, zählt er auf.
Seit Beginn seiner Investments habe er im Durchschnitt eine Rendite von 15,7 Prozent gemacht. 2024 waren es eigenen Angaben nach 22,13 Prozent. So ist sein Geld verteilt:
Er weiß, dass Investments an der Börse immer mit Risiko verbunden sind – „aber ich schlafe nachts trotzdem wie ein Baby. Und das, obwohl ich vom Vermögen und von den Erträgen leben muss“, sagt er. Der Bayer hat kein Einkommen mehr, er muss also sein Leben mit seinen Investments finanzieren. „Das macht tatsächlich irgendwas mit einem, weil das Einkommen plötzlich so relativ unsicher ist.“
Ziel sind zwei Millionen Euro im Depot
Aktuell hat der Frugalist etwa 410.000 Euro im Depot. „Laut der 4-Prozent-Regel könnte ich davon nicht leben. Das funktioniert halt nur durch den Optionshandel“, sagt er. Das Problem ist: Der Optionshandel sei halt wesentlich aktiver als Sparpläne auf Dividendenaktien. „Ich muss mindestens einmal in der Woche hereinschauen können. Und deswegen ist das auch langfristig nichts.“
Sein Ziel ist es, eines Tages mindestens zwei Millionen Euro im Depot zu haben – am liebsten noch vor seinem 50 Geburtstag. „Das wären ungefähr 5000 Euro netto pro Monat, die einfach komplett passiv hereinkommen. Egal, was ich mache und egal, ob ich im Krankenhaus liege oder nicht.“
Laut Streifeneder sei das der beste Beweis dafür, dass man als Frugalist zwar sparsam lebe, sich aber dadurch nicht automatisch einschränken muss. „Es ist nicht mal ein Verzicht für mich, einfach weil ich gar nicht erst den Wunsch zum Beispiel nach einem teuren Auto habe. Für mich wiegen andere Dinge viel schwerer“, betont er.
Auf dieses Ziel arbeite er jeden Tag hin. Er lebt in Monat von 1770 Euro, darin enthalten sind unter anderem die Hälfte der Miete für die gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin (275 Euro), Sport (32 Euro), Telekommunikation (37,52 Euro) und Versicherungen (22,53 Euro) enthalten. Der größte Teil dieser Summe, 590 Euro, fließt ins Reisebudget des jungen Mannes. Die gemeinsamen Reisen mit seiner Freundin seien ihm das wichtigste, der perfekte Ausgleich. „Die Erinnerungen bleiben für immer.“ Demnächst starte das Paar wieder eine mehrmonatige Reise durch Südostasien.
Der Elektroingenieur habe eigenen Angaben nach schon immer den Wunsch gehabt, frei zu sein. „Ich will frei sein und leben, wie ich will. Ich will keinen Chef haben, der mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe.“ Das sei eine intrinsische Motivation – und etwas, das eigentlich jeder erreichen kann.
Fünf Aktien, die er gerade empfiehlt
Wie Anfänger damit starten sollen, sei immer individuell. Das vermittelt er auch auf seinem Blog „Finanznomade“. „Wer einfach nur sparen will, kann das einfach über klassische ETFs machen – etwa mit dem MSCI World oder dem FTSE All World.“ Da sei man fein raus, müsse sich um nichts kümmern.
Aber: „Wer sich beschäftigen will, sollte das über Einzelaktien machen – da kann man einfach noch Geld verdienen kann beziehungsweise ein bisschen outperformen“, erklärt der Frugalist und nennt gleich fünf Aktien, die sich aktuell für den Einstieg seiner Meinung nach anbieten.
1. Reality Income
2. Merck
3. Bristol-Meyer-Squibb
4. Kraft Heinz
5. Getty Realty
Zwar seien das Positionen aus unterschiedlichen Branchen, das spiele für den 34-Jährigen aber keine Rolle. „Es geht mir nie um die Branchen, sondern es geht immer nur darum: Ich schaue mir die Bilanz an von den Unternehmen und rechne mir eben diesen fairen Wert.“
Bei Merck sei es zum Beispiel so, dass die meilenweit von dem fairen Wert entfernt sind. „Genauso ist es zum Beispiel bei Bristol-Myers – die sind auch momentan total unterbewertet“, fasst er zusammen.
Lea M. Oetjen schreibt seit 2025 als Redakteurin für die WELT. Für ihre Arbeit erhielt sie den „Axel Springer Preis“. Thematisch liegt ihr Schwerpunkt bei Finanzen, Immobilien, Geldanlage, Wirtschaft, Börse und Social Media.
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