Erneuter Rückschlag für die deutsche Industrie: Ihre Aufträge sind im Juni wegen der sinkenden Nachfrage aus dem Ausland überraschend den zweiten Monat in Folge gefallen. Das Neugeschäft schrumpfte um einen Prozentpunkt im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Anstieg von einem Prozentpunkt gerechnet, nachdem es im Mai bereits einen Rückgang von revidiert 0,8 (zuvor: 1,4) Prozent gegeben hatte.
Im Juni wuchs zwar das Inlandsgeschäft um 2,2 Prozent. Dafür kamen aus dem Ausland 3,0 Prozent weniger Bestellungen an. Dabei nahmen die Aufträge aus der Euro-Zone um 5,2 Prozent zu, während die aus dem Rest der Welt um 7,8 Prozent einbrachen.
„Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Industrie ihren Boden gefunden hat“, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Privatbank, Alexander Krüger.
So fällt die Bilanz im gesamten zweiten Quartal positiv aus: Der Auftragseingang lag von April bis Juni um 3,1 Prozent höher als in den ersten drei Monaten des Jahres. Große Sprünge seien aber wegen struktureller Probleme nicht drin, zumal vom Zoll-Deal mit den USA neue Hemmnisse ausgingen, sagte Krüger. Die ab Donnerstag geltenden neuen US-Zölle von 15 Prozent auf Importe aus der Europäischen Union verteuern Waren „Made in Germany“ beim wichtigsten Exportkunden der deutschen Wirtschaft.
Die negative Entwicklung im Juni ist vor allem auf den Rückgang beim sonstigen Fahrzeugbau zurückzuführen, zu dem Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge gehören: Hier brachen die Aufträge um 23,1 Prozent zum Vormonat ein. Auch die Rückgänge der Bestellungen in der Automobilindustrie (-7,6 Prozent) und bei den Herstellern von Metallerzeugnissen (-12,9 Prozent) beeinflussten das Gesamtergebnis negativ. Positiv wirkte sich hingegen der Anstieg bei den Herstellern von elektrischen Ausrüstungen (+23,5 Prozent) aus.
Zuletzt hellte sich das Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe auf, wie das Ifo-Institut bei seiner Juli-Umfrage herausfand. „Die Firmen bewerten ihre aktuelle Lage als merklich besser“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Auch ihre Erwartungen hellten sich weiter auf.“ Der Auftragsentwicklung fehle es aber weiterhin an Schwung.
So bewerten Ökonomen die Lage
Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt: „Die Auftragseingänge ohne die stark schwankenden Großaufträge haben sich von ihrem Einbruch im Vormonat nur wenig erholt. Das ist enttäuschend und passt zum generellen Bild, das sich die Frühindikatoren nur sehr zögerlich erholen. Wenn wir für das kommende Jahr trotzdem ein starkes Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent erwarten, dann nur, weil die Bundesregierung ihre Ausgaben massiv erhöhen wird, ohne allerdings einen Neustart in der Wirtschaftspolitik zu wagen.“
Jens-Oliver Niklasch, LBBW: „Eine leichte Enttäuschung, die sich aber nach den Zahlen aus dem Maschinenbau bereits abzeichnete. Immerhin gab es im Juni ohne Großaufträge ein kleines Plus von einem halben Prozent. Andererseits sind das noch keine Daten, welche die Auswirkungen des Zollkompromisses – wenn man ihn denn so nennen kann – zwischen den USA und der EU zeigen. Hierfür müssen wir uns noch zwei, drei Monate gedulden. Die Daten von heute unterstreichen lediglich, dass die Konjunktur sich zuletzt wieder schwertat.“
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