Im „Sommerinterview“ des ZDF hat SPD-Finanzminister Lars Klingbeil überraschend Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende ins Spiel gebracht, um Lücken im Bundeshaushalt zu schließen – auch wenn der Koalitionspartner CSU das strikt ablehnt.
„Da wird keine Option vom Tisch genommen“, sagte der SPD-Vorsitzende. Gerade Menschen mit hohen Einkommen und hohen Vermögen müssten sich fragen: „Welchen Teil tragen wir dazu bei, dass dieses Land gerechter wird?“ Nötig sei ein Gesamtpaket, um eine Lücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt 2027 zu füllen.
Bei WELT äußerte sich dazu Steffen Bilger, der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit Moderator Carsten Hädler.
WELT: Wie sieht es denn jetzt aus? Tragen Sie das von der Union mit – Steuererhöhungen, um die Lücken im Finanzhaushalt zu stopfen?
Steffen Bilger: Also, ich fand das Sommerinterview von Lars Klingbeil ganz in Ordnung. Beim Thema Steuererhöhungen hat er deutlich gemacht, dass das eben ein Punkt ist, den die SPD grundsätzlich für sinnvoll hält. Wir von der Union haben da eine andere Auffassung und wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen dazu verständigt. Im Koalitionsvertrag steht deshalb ja gerade nicht, dass es Steuererhöhungen geben soll. Wir haben stattdessen andere Maßnahmen vereinbart – einige, die der SPD wichtig sind, andere, die uns wichtig sind. Aber Steuererhöhungen gehören nun mal nicht dazu. Und ich glaube auch, dass die nicht in die Zeit passen. Wir haben ohnehin eine hohe Steuerbelastung in Deutschland und brauchen Entlastungen, damit unsere Wirtschaft wieder in Schwung kommt und eben keine zusätzlichen Steuern.
WELT: Aber wie erklären Sie sich das denn, dass der Vizekanzler das Wort „Steuererhöhung“ überhaupt in den Mund genommen hat? Es gibt doch viele Felder, wo man sparen könnte, zum Beispiel bei den Sozialausgaben. Auf dem Auge scheinen die Sozialdemokraten blind zu sein, weil sie sagen: Nein, wir können da nicht sparen. Und nun übernimmt der Vizekanzler sogar Aussagen der Linkspartei und spricht von Steuererhöhungen, besonders für die Reichen.
Bilger: Ja, das sprechen Sie zu Recht an. Im Sozialbereich gibt es definitiv Einsparpotenzial. Und wir haben im Koalitionsvertrag auch vereinbart, dass wir beim Bürgergeld deutliche Einsparungen erzielen wollen. Darum müssen wir uns jetzt kümmern. Wir können mit der Schuldenaufnahme jetzt viel auf den Weg bringen und investieren, zusätzliche Ausgaben wurden ja auch schon beschlossen.
Gleichzeitig haben wir bereits mit Einsparungen begonnen, darauf hat Lars Klingbeil im ZDF-„Sommerinterview“ auch hingewiesen. Beispielsweise beim Personal oder auch in bestimmten Ressorts – da kommen doch einige Milliarden an Einsparungen zusammen. Aber das reicht eben nicht. Deswegen müssen wir jetzt grundlegend an andere Themen rangehen, dort reformieren und konsolidieren. Dazu gehört zum Beispiel auch das Bürgergeld. Oder wenn ich etwa an die hohen Ausgaben für die Migration insgesamt denke – die bereits eingeleitete Migrationswende wird uns ebenfalls helfen, Geld einzusparen. Und wir werben bereits jetzt bei unserem Koalitionspartner dafür, dass wir in den aktuell laufenden Haushaltsberatungen auch ganz genau schauen, wo weitere Sparpotenziale liegen.
WELT: Aber was sagt uns diese Ankündigung von Lars Klingbeil über das Verhältnis von Union und SPD? Es sollte alles besser werden mit dem Antritt von Friedrich Merz als Kanzler. Ist diese Koalition womöglich bereits nach den ersten 100 Tagen festgefahren? Und auch das Bild, was die Regierung abliefert, könnte doch besser sein, das müssen Sie, Herr Bilger, auch zugeben?
Bilger: Ja, da will ich Ihnen gar nicht widersprechen. Es gab sicher viel Gutes in den ersten 100 Tagen. Die bereits erwähnte Migrationswende, dazu die Maßnahmen, die die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, raus aus der Rezession. Da haben wir definitiv viel erreicht, auch dahin gehend, wie Deutschland mittlerweile in der Welt und in Europa wieder auftritt. Das sind definitiv Pluspunkte, aber es gab natürlich auch die Negativpunkte. Das will ich gar nicht verleugnen. Aber ich finde, dass es möglich sein muss, in einer Koalition, in der sich mit CDU, CSU und SPD drei sehr unterschiedliche Parteien zusammengefunden haben, auch mal Diskussionen zu führen und dann nicht immer gleich einen „Koalitionsstreit“ daraus zu machen.
Lars Klingbeil hat das gestern eigentlich schon richtig eingeordnet, indem er gesagt hat, das ist eben eine SPD-Kernüberzeugung, dass Steuererhöhungen ein sinnvolles Mittel sind. Aber ich wiederhole es noch einmal: Wir haben das lange diskutiert in den Koalitionsverhandlungen und es war der SPD ein wichtiges Anliegen, dass Steuererhöhungen im Koalitionsvertrag stehen. Und in so einem Gesamtverhandlungsprozess haben wir als Union dann natürlich auch einen Preis dafür gezahlt, dass es eben keine Steuererhöhungen gibt, um diese Haushaltslücke zu schließen. Ich finde, bei diesem Thema sollten wir uns jetzt wirklich auf andere Punkte konzentrieren. Da ist der Finanzminister gefordert, da sind auch die SPD-Abgeordneten gefordert. Und wir werden als Fraktion werden natürlich auch unsere Vorschläge machen.
WELT: Aber Herr Bilger, die AfD wird immer stärker und nimmt der Union immer mehr Wähler ab. Laut einer neuen Umfrage rechnet eine Mehrheit der Bundesbürger jetzt sogar damit, dass die AfD bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr sogar erstmals einen Ministerpräsidenten stellen könnte. Sie müssen doch begreifen, dass irgendwas getan werden muss! Die AfD muss überhaupt nichts machen, die legen einfach trotzdem zu. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?
Bilger: Wir müssen unsere Arbeit gut machen. Sicher war nicht alles in den ersten 100 Tagen so, dass wir diesem Anspruch gerecht geworden sind. Aber wir haben auch vieles umsetzen können, was die Chance bietet, der AfD auch wieder Wähler zu nehmen, beziehungsweise Wähler zurückzugewinnen für die Parteien der demokratischen Mitte. Dazu gehört beispielsweise das Thema Migrationspolitik. Aus Detailumfragen nehme ich aber auch wahr, dass viele Menschen noch gar nicht so richtig glauben, dass sich jetzt da wirklich so viel ändert. Gleiches gilt auch für die Wirtschaftspolitik. Wenn wir etwa beschließen, dass wir die Energiepreise senken oder dass wir Abschreibungen nochmal ganz anders fördern – was ja einen großen Schub bedeuten würde für die Wirtschaft – dann sind das alles Maßnahmen, die jetzt erst noch umgesetzt werden müssen. Dazu haben wir im September die Haushaltsberatung im Bundestag, und dann kann das auch wirken.
Gleichzeitig merke ich, dass es eine große Unzufriedenheit mit der Politik insgesamt gibt. Man glaubt nicht so richtig, dass sich wirklich was ändert. Und da müssen wir jetzt einfach unter Beweis stellen: Ja, wir haben erkannt, so geht es nicht weiter. Es ändert sich etwas! Und damit haben wir dann meiner Meinung nach auch eine gute Grundlage für die Landtagswahlen, die im kommenden Jahr dann ab März stattfinden. Und da geht es thematisch ja auch nicht nur um die Bundespolitik. Einem Ministerpräsidenten Reiner Haselhoff (CDU) ist es beim letzten Mal auch gelungen, mit einem klaren Fokus auf die Themen, die die Menschen in Sachsen-Anhalt bewegt haben, ein sehr gutes Ergebnis einzufahren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Sven Schulze (CDU, designierter Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt, d. Red.) genauso gelingen wird.
Hinweis der Redaktion: Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht abgeändert und gekürzt.
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