Jahrelang hat die Holding der Berlusconi-Erben daran gearbeitet: Nun halten sie eine Dreiviertel-Mehrheit am deutschen Sender ProSiebenSat.1. Welcher Plan steckt dahinter? Was steht dem deutschen Sender bevor? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Übernahme.
Gut sechs Jahre nach ihrem Einstieg bei ProSiebenSat.1 ist die italienische MFE-Holding der Familie Berlusconi am Ziel: Sie hält die Mehrheit und hat künftig das Sagen beim bayerischen Fernsehkonzern. Nach Ende des Übernahmeangebots an die Aktionäre kommt MFE-MediaForEurope sogar auf eine Dreiviertel-Mehrheit von 75,61 Prozent, die ihr erhebliche Kontrolle und Einflussnahme ermöglicht. Welcher Plan steckt dahinter? Was steht dem deutschen Sender bevor? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Übernahme.
Warum ist ProSiebenSat.1 in Schwierigkeiten geraten?
ProSiebenSat.1 betreibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz 15 Free- und Pay-TV-Sender. Dazu zählen etwa ProSieben, SAT.1, Kabel Eins, sixx, ProSieben MAXX, SAT.1 Gold und PULS24. Die Gruppe ist mit einer Dating-Sparte und diversen Beteiligungen im Digitalbereich - etwa billiger-mietwagen.de, dem Online-Kosmetikanbieter Flaconi oder der Gutscheintochter Jochen Schweizer - breiter aufgestellt als andere reine Medien- und TV-Firmen. In der Corona-Zeit profitierten die Bayern noch davon. Zuletzt konnten konjunktur- und strukturbedingte Rückgänge im wichtigen Werbegeschäft aber nicht mehr ausgeglichen werden. Der Konzern musste rund 800 Arbeitsplätze abbauen. Das Management um Vorstandschef Bert Habets setzt nun auf das Kerngeschäft Unterhaltung und den Streamingdienst Joyn als Hoffnungsträger. Von Randaktivitäten will man sich trennen. Dies dürfte sich nach der MFE-Übernahme nun beschleunigen.
Wer ist MFE?
MFE-MediaForEurope ist eine Mediengruppe mit einem breiten Portfolio - von Produktion und Vertrieb von Inhalten im Free- und Pay-TV-Bereich bis hin zur Lizenzierung und Werbezeitenvermarktung. In Italien besteht das Free-TV-Angebot der MFE-Gruppe aus 17 Sendern, darunter Canale 5, Italia 1 und Rete 4. In Spanien bietet der Konzern sieben Free-TV-Kanäle an. MFE fokussiert sich auf die Produktion eigener und lokaler Inhalte. "Unser Ziel ist es, eine pan-europäische Rundfunk- und Mediengruppe zu schaffen, die in der Lage ist, sich gegen die globalen Technologiegiganten zu behaupten und mit ihnen im Wettbewerb zu bestehen", sagt MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi. Die Investitionen in ProSiebenSat.1 sollen dabei helfen.
Was hat MFE mit ProSiebenSat.1 vor?
Deutschland sei der ideale Ausgangspunkt für die europäischen Pläne, betont Berlusconi. "Wir möchten ein lokaleres Angebot produzieren und anbieten", kündigt der Manager an. Es gehe um "mehr Nachrichten, mehr Unterhaltungssendungen und mehr Fernsehserien - und im Laufe der Zeit weniger zugekaufte Formate - so, wie wir es bereits in Italien und Spanien praktizieren". München werde als Standort für Inhalte, Innovation und Beschäftigung weiterentwickelt. "Wir wollen Arbeitsplätze erhalten und die Verankerung von ProSiebenSat.1 in Bayern, in Deutschland und im gesamten deutschsprachigen Raum stärken." Berlusconi fügt hinzu, was Politik und Aufsicht in Deutschland gerne hören: "Die Wahrung redaktioneller und journalistischer Freiheit, das Fördern von Pluralität und allen Stimmen Gehör zu verschaffen, ist dabei für uns von grundlegender Bedeutung."
Was sagen Politik und Aufsicht?
Die zuständige Aufsicht sieht die Übernahme gelassen. "Rein rechtlich ist eine vorherrschende Meinungsmacht durch den Einstieg eines Investors wie MFE, der bislang auf dem deutschen Medienmarkt nicht aktiv ist, nicht zu befürchten", sagt der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Thorsten Schmiege. Auch die bayerische Landesregierung und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hatten sich zuletzt positiv geäußert, dass sich MFE zur Wahrung redaktioneller Unabhängigkeit bekennt.
Was sind die nächsten Schritte?
Zunächst dürfte MFE die Weichen stellen, dass sich die Dreiviertel-Mehrheit auch in der Besetzung des Aufsichtsrats widerspiegelt. In der Folge könnten unter anderem Vertreter des bisherigen zweiten Großaktionärs, der tschechischen PPF-Gruppe, das Kontrollgremium verlassen. Dann dürfte MFE auf Verkäufe von Randgeschäften drängen, um die Verschuldung zu senken. Auch wenn der Vertrag von Finanzchef Martin Mildner erst gerade bis 2029 verlängert wurde, gilt es in der Branche als fraglich, ob das gesamte dreiköpfige Vorstandsteam mittelfristig so im Amt bleibt.
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