Mit einem niedlichen Erklärvideo im Internet versucht die Stadt Stuttgart ihre Bürger auf die unmittelbar bevorstehende Energiewende im Heizungskeller einzustimmen. Dafür ist es höchste Zeit: Die Hauptstadt des grün regierten Bundeslandes will 2035 klimaneutral sein. Und wenn es bei der aktuellen Rechtslage bleibt, wird bereits in zehn Monaten „der Einbau neuer reiner Gasheizungen nicht mehr möglich sein“, wie die Stadt in ihrem kommunalen Wärmeplan klarstellt.
Ab Mitte 2026 greift das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vom früheren Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das in Großstädten für jede neue Heizung einen Öko-Energieanteil von 65 Prozent vorschreibt. Diesen Schwellenwert erreichen praktisch nur Wärmepumpen.
Gelingt es der neuen Koalition aus CDU und SPD nicht, das Gesetz rechtzeitig zu reformieren und die Frist zu kippen, ist die Ära der reinen Gasheizung vorbei.
Alles nicht so schlimm, suggeriert der Zeichentrickfilm auf Stuttgarts städtischer Internetseite gleich am Anfang: Behaglich schnurrt da eine Katze auf einem warmen Heizkörper. Begleitet von den beruhigenden Klängen eines Marimbaphons greift von rechts eine Hand an den Thermostat und dreht ihn dreimal kräftig herunter – doch die Katze schläft selig weiter.
„Enormes Potenzial steckt vor allem bei uns zu Hause“, erklärt eine milde weibliche Stimme aus dem Off: „Zum Beispiel durch das Einstellen der richtigen Raumtemperatur.“
Doch mit einer Drehung am Thermostat ist es für die Stuttgarter nicht getan: Der Verbrauch an Heizenergie soll in zehn Jahren um ein Drittel gesenkt werden. Dafür ist es nötig, die Sanierungsrate im Gebäudebestand von bundesweit 0,6 Prozent hier auf 3,7 Prozent zu versechsfachen.
Viel zu wenig Interesse an Wärmepumpen
Zudem müssen pro Jahr 3400 Wärmepumpen angeschlossen werden. Doch davon waren bislang nicht ausreichend viele Immobilienbesitzer zu überzeugen. Im vergangenen Jahr wurden in Stuttgart statt der nötigen 3400 nur 319 Förderanträge für Wärmepumpen gestellt. Im ersten Halbjahr 2025 waren es dann zwar mit 363 etwas mehr, doch noch immer „1337 zu wenig für die gesetzten Ziele“, wie die Unternehmensberatung McKinsey in einer Analyse der Wärmepläne Baden-Württembergs feststellt.
Neue Nahwärmenetze können in Stuttgart die Lücke bei den Wärmepumpen nicht füllen – denn ihr Ausbau ist ohnehin vorgesehen. Bis 2035 sollen im Schnitt pro Jahr 27 Kilometer Nahwärmetrassen verlegt werden. Im Jahr 2030 müssten sogar 50 Kilometer Straße für die neuen Rohre aufgerissen werden.
Es könnten „zeitweise lokal erhebliche Einschränkungen der üblichen Verkehrsführung entstehen“, warnen die Wärmeplaner schon mal vor. Die Autofahrer der Landeshauptstadt sind durch die Jahrhundertbaustelle des Bahnhofs „Stuttgart 21“ ja bereits Kummer gewohnt, doch wegen des Nahwärme-Ausbaus droht weiterhin Stau.
Baden-Württemberg zeigt, was anderen noch bevorsteht. Die Großstädte dort mussten aufgrund der Landesgesetze ihre Wärmeplanung bereits 2023 erstellen. Die Großstädte in anderen Bundesländern müssen die Planungen erst Mitte kommenden Jahres abgeschlossen haben. Doch danach beginnen für alle die Pflichten des Habeckschen Heizungsgesetzes – wenn Schwarz-Rot nicht noch eingreift.
„Wir halten an den im Wärmeplanungsgesetz festgelegten Fristen fest, jedoch werden wir die Koppelung mit dem Gebäudeenergiegesetz kappen“, sagte Lars Rohwer, Obmann der CDU/CSU im Bauausschuss des Deutschen Bundestages, WELT AM SONNTAG. Stimmt die SPD dem zu, würde die harte Frist des Heizungsgesetzes nicht mehr gelten – und die Gasheizung hätte noch länger eine Zukunft.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft und Klimapolitik. Er wurde 2007 vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mit dem Robert-Mayer-Preis ausgezeichnet und vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln 2009 mit dem Theodor-Wessels-Preis.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.