Bisher sieht es so aus, als würde Donald Trumps globaler Handelskrieg funktionieren: Gegenwehr von Handelspartnern gibt es kaum noch. Auf die US-Regierung prasselt ein Geldregen nieder. Der US-Präsident sieht sich bestätigt. Dennoch birgt seine Strategie ein erhebliches Risiko.

Als Donald Trump am Liberation Day im Frühjahr seinen globalen Handelskrieg vom Zaun brach, überschlug er sich förmlich vor Versprechen: Der 2. April 2025 sei der "Tag, an dem die amerikanische Industrie wiedergeboren wurde, der Tag, an dem Amerikas Schicksal zurückerobert wurde, der Tag, an dem wir begannen, Amerika wieder reich zu machen." Die USA würden bald durch die Zölle florieren, kündigte Trump an, indem die US-Regierung "Billionen und Billionen von Dollar" einnehmen werde, "um unsere Steuern zu senken und unsere Staatsschulden abzuzahlen".

Trumps Zollhammer im April war der Beginn einer Zeitenwende, der die Welt zurück in die 30er Jahre katapultierte. Er beerdigte an diesem Tag nichts weniger als den freien Welthandel, den die USA als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte gestützt hatten. Die Märkte zitterten und die Angst vor einem katastrophalen, globalen Wirtschaftsschock wie in der großen Depression hält die Welt weiter in Atem. Doch trotz aller Sorgen: Kurzfristig betrachtet ist Trumps Strategie bislang weitestgehend aufgegangen.

Gegenwehr gibt es kaum noch. Nur China kämpft weiter. Auch wenn Trumps ständig neuen Zolldrohungen an den Finanzmärkten kaum noch Beachtung geschenkt wird, hat er den großen Handelsblöcken erstaunliche Zugeständnisse abgepresst. Großbritannien, Japan, die EU - sie alle haben zähneknirschend einen Deal gemacht und Zölle von 10 oder 15 Prozent auf so gut wie all ihre Exporte akzeptiert. Das ist zwar weitaus weniger, als Trump ursprünglich verhängt hatte. Aber es beschert den USA einen Geldregen, den Trump als großen politischen Erfolg verkaufen kann - auch wenn sein Handelskrieg langfristig womöglich katastrophale Folgen hat.

Geldregen für Trumps Handelskrieger im Finanzministerium

Laut der US-Haushaltsbehörde CBO dürften sich die Einnahmen aus Trumps Zöllen auf vier Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren summieren. Trumps oberster Handelskrieger Peter Navarro geht sogar von sechs Billionen Dollar Einnahmen über zehn Jahre aus. Das ist ein beträchtlicher Teil des US-Haushalts, der sich im vergangenen Jahr auf knapp sieben Billionen Dollar belief.

Womöglich könnte es Trump so tatsächlich gelingen, seine gigantischen Steuersenkungen gegenzufinanzieren. Die Steuerausfälle seiner "Big Beautiful Bill" summieren sich auf etwa 4,1 Billionen Dollar in zehn Jahren - also ziemlich genau die gleiche Größenordnung, die die regierungsunabhängigen Rechnungsprüfer an Zolleinnahmen im gleichen Zeitraum erwarten.

Laut dem US-Thinktank Peterson Institute of International Economics (PIIE) bleiben inzwischen etwa 38 Prozent des monatlichen Importwerts aller chinesischen Waren als Zoll in der US-Staatskasse hängen. Bei Waren aus der EU sind es knapp 10 Prozent. Trumps Finanzministerium hat so bis Ende August in diesem Jahr schon 165 Milliarden Dollar eingenommen - mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. US-Finanzminister Scott Bessent rechnet insgesamt sogar mit Einnahmen von über 500 Milliarden Dollar in diesem Jahr: "Diese Regierung hat eine spürbare Bresche ins Haushaltsdefizit geschlagen", prahlt Bessent.

Trump verkauft den großen Sieg im Handelskrieg

Doch selbst ein Geldregen von mehreren hundert Milliarden Dollar aus dem Zollkrieg dürfte die Schuldenlast kaum nennenswert verringern. Denn das US-Haushaltsdefizit beträgt laut CBO schon jetzt gigantische zwei Billionen Dollar. Bestenfalls könnte Trump es mit den Zolleinnahmen vielleicht schaffen, ein Viertel oder Fünftel der erwarteten Defizite von gut 20 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren zu decken - aber auch nur, falls sie nicht weiterwachsen.

Daran, dass Amerika mit großen Schritten auf eine katastrophale Schuldenkrise zusteuert, werden Trumps Zölle wohl nichts ändern: "Es hilft zwar, ein Loch zu stopfen, aber das eigentliche Problem bleibt: Amerika gibt viel mehr aus, als es einnimmt", zitiert die britische "Financial Times" den Investmentstrategen eines großen Fondhauses. Die Zölle summieren sich auf gerade mal 3,5 Prozent der bisherigen Einnahmen der US-Regierung von gut 4,7 Billionen Dollar in diesem Jahr.

Wofür die Einnahmen reichen: Trump kann seine Zölle als großen Erfolg verkaufen, auch wenn er dabei wie üblich übertreibt: Ohne die Zölle "und all die Billionen von Dollar die wir bereits eingenommen haben, wäre unser Land dem Untergang geweiht - und unsere militärische Schlagkraft auf einen Schlag dahin", behauptete Trump.

Die Geister die Trump rief, wird er nun nicht los

Auch wenn das so nicht ganz stimmen dürfte: Mit seinem Zollkrieg setzt Trump tatsächlich alles auf eine Karte. Denn alle seine weiteren Versprechen sind von den mittel- und langfristigen Folgen für die US-Wirtschaft und die Konjunktur abhängig. Und die sind alles andere als rosig.

"Anstatt unsere Bürger zu besteuern, um andere Länder zu bereichern, werden wir Zölle und Steuern auf ausländische Staaten erheben, um unsere Bürger zu bereichern", hatte Trump im April versprochen. Doch er unterschlägt, dass die gigantischen Zolleinnahmen letztlich von US-Importeuren und Firmen wie Amazon gezahlt werden, oder US-Verbrauchern, an die sie die deutlich höheren Importpreise weitergeben. Die US-Inflation hat deshalb im August bereits leicht zugelegt.

"Viele Importeure wälzen die steigenden Kosten neuer Zölle erst dann auf ihre Kunden ab, wenn die für die Produktion eingesetzten Lagerbestände die höheren Preise widerspiegeln", warnt das PIIE. Der volle Kostenschock von Trumps Zollkrieg wird in der US-Wirtschaft also erst noch ankommen.

Ein Anstieg der Inflation durch Trumps Zölle hat das Potenzial, das Wachstum abzuwürgen und die USA in eine Rezession zu stürzen. Doch es kommt noch ein Problem hinzu: Die Investoren, die US-Staatsanleihen kaufen und damit Trumps gewaltiges Defizit finanzieren, haben sich inzwischen auf den erwarteten Geldregen eingestellt. "Sollten die Zolleinnahmen unerwartet ausbleiben, ist das ein ernsthaftes Problem", zitiert die Zeitung den Manager eines großen Investmentbrokers. Denn dann würde der US-Haushalt vollends aus den Fugen geraten - und Amerikas Schuldentragfähigkeit in Gefahr geraten.

Genau das könnte demnächst passieren: Ein US-Berufungsgericht hat Ende August die meisten von Trumps Zöllen für illegal erklärt, weil die Rechtsgrundlage - ein angeblicher nationaler Notstand wegen des US-Handelsdefizits - fadenscheinig ist. Trump will das durch den Supreme Court rückgängig machen. Der Fall wird in der ersten Novemberwoche verhandelt. Falls Trump verliert, würden auf einen Schlag nicht nur Milliardeneinnahmen im Haushalt fehlen. Trump müsste die bereits kassierten Zölle zurückzahlen. Die Enttäuschung an der Börse wäre riesig.

Denn Trump hat mit seinen rosigen Versprechen Erwartungen geweckt, die er nicht mehr loswird. Die Ratingagentur S&P etwa hat die USA bislang trotz der drückenden Schuldenlast nur wegen der Zolleinnahmen noch nicht weiter herabgestuft. "Falls die Gerichte das Gros von Trumps Zöllen kippen, werden manche Analysten jubeln. Die Inflation dürfte sinken, das Wachstum könnte anziehen und die Fed könnte die Geldpolitik lockern", sagt der Chefstratege einer australischen Investmentbank dem Blatt. "Aber falls der Fokus dann auf Schulden und Defiziten liegt, dürfte der Anleihemarkt einen Aufstand machen."

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