Mit unbemannten, ferngesteuerten Booten will Naval Vessels Lürssen (NVL) künftig Seegebiete und kritische Infrastruktur überwachen. Das Marine-Rüstungsunternehmen bietet dazu einen neuen Service namens „ISR as a Service by NVL“ an. ISR steht dabei für „Intelligence, Surveillance, Reconnaissance“. Das teilte NVL am Montag mit.

Naval Vessels Lürssen ist der in Deutschland führende Hersteller von Überwasser-Marineschiffen, von Fregatten, Korvetten, Minenjagd- und Flottendienstbooten und anderen Schiffstypen. NVL mit seinen rund 2100 Mitarbeitern gehört zum Bremer Familienunternehmen Lürssen. Derzeit bereitet Lürssen den Verkauf von NVL an Deutschlands größten Rüstungskonzern Rheinmetall vor, der Verkauf soll 2026 vollzogen werden. NVL betreibt in Hamburg die Werften Blohm+Voss mit 450 und die Norderwerft mit 100 Beschäftigten, zudem die JadeWerft in Wilhelmshaven und die Peene-Werft in Wolgast.

„Die Bedrohungslage durch Sabotage- und Spionageaktivitäten in der Nord- und Ostsee nimmt massiv zu“, teilt NVL mit. „Um den Seeraum effizient und kontinuierlich 24/7 zu überwachen und insbesondere die Schifffahrtsrouten und die kritische Infrastruktur zu schützen, ist die Erstellung eines umfassenden Lagebildes notwendig. Dies erfordert von der Bundesrepublik Deutschland und kommerziellen Kunden enorme Kapazitäten und personelle Ressourcen, die künftig vor allem mithilfe unbemannter Systeme entlastet werden sollen.“

Für das System ISR will Naval Vessels Lürssen unbemannte, ferngesteuerte Boote am Markt kaufen, die heute bereits verfügbar sind und auch eingesetzt werden, etwa der „Copenhagen Orca“ des dänischen Herstellers Copenhagen Global A/S. Diese Marinedrohne ist 13 Meter lang und mehr als fünf Tonnen schwer, sie kann 850 Kilogramm Nutzlast tragen und ist bis zu 40 Knoten (74 Stundenkilometer) schnell. Die Daten der Seedrohnen sammelt NVL in einem dazu gehörenden Kontrollzentrum und stellt sie dem Kunden – der öffentlichen Hand oder auch Betreibern von Offshore-Windparks – zur Verfügung.

„Wir sind bereits seit Jahren in der Erforschung und Entwicklung unbemannter und autonom fahrender Systeme aktiv. Unsere Erkenntnisse und Erfahrungen setzen wir gezielt dazu ein, das ISRaaS-Betreibermodell in kürzester Zeit auszuarbeiten, hochzufahren und unsere Sicherheitsbehörden effektiv beim Schutz unseres Landes zu unterstützen“, sagt NVL-Geschäftsführer Tim Wagner. „Wir kooperieren auf diesem Gebiet bereits heute mit deutschen und europäischen Technologiepartnern und verfügen über ein entsprechend umfassendes Netzwerk und das notwendige Know-how, um diese kosteneffektive Lösung für unbemannte Systeme zügig in die Umsetzung zu bringen.“

NVL will „marktverfügbare Überwasserdrohnen“ nutzen, die „für die Bedarfe von Kunden in den Bereichen Militär, Sicherheitsbehörden und kritischer Infrastruktur konfiguriert sind“. Die ferngesteuerten Boote sollen in Seegebieten patrouillieren „die vom Auftraggeber vorab festgelegt wurden. Parallel zeigen sie Präsenz, erkennen Anomalien und sammeln sensorische Daten“, heißt es von NVL. „Nach Vertragsabschluss ist das ,ISR as a Service by NVL‘ bereits nach weniger als zwölf Monaten einsatzbereit. Mit diesem Modell wird NVL auch dem Umstand gerecht, eine schnell umsetzbare Lösung für die sich zusehends verschärfende Bedrohungslage zu entwickeln.“

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine gab es speziell in der Ostsee immer wieder Angriffe auf die kritische Infrastruktur, etwa auf Strom- und Datenkabel. Verursacht wurden die Schäden auch durch am Meeresboden schleifende Anker von Handelsschiffen. Die Nato sieht Russland im Rahmen von dessen „hybrider Kriegsführung“ als Hauptakteur solcher Taten. Im Visier des Militärbündnisses steht auch die russische „Schattenflotte“, mit deren Hilfe Russland Rohöl auch durch die Ostsee exportiert – Öl, dessen Verkauf nach dem Beginn des Ukrainekrieges von den westlichen Staaten sanktioniert wurde.

Parallel zur Einführung des neuen Systems arbeitet NVL auch an der Entwicklung autonomer Seedrohnen, die völlig selbstständig operieren sollen. Partner dabei ist das britische Unternehmen Kraken Technologies, an dem NVL beteiligt ist. Die autonomen Seedrohnen sollen bei Blohm+Voss in Hamburg gefertigt werden. Allerdings verfügt NVL bislang noch nicht über Genehmigungen oder Zulassungen, um diese autonomen Systeme in den Hoheitsgebieten von Staaten zu betreiben. In internationalen Gewässern wäre deren Betrieb allerdings möglich.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit vielen Jahren über die maritime Wirtschaft – über Schifffahrt, Häfen und Werften – und auch über die Marinerüstung.

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