Der Pharmagigant Novo Nordisk dominiert die dänische Wirtschaft. Die Abnehmspritze Ozempic hat den Konzern noch erfolgreicher gemacht und in dessen Heimat einen Boom ausgelöst. Doch inzwischen herrscht Katerstimmung, Novo Nordisk muss Tausende Stellen abbauen. Das löst vor allem in einer Kleinstadt Sorgen aus.
Die Einwohner in Kalundborg haben sich in den vergangenen Jahren an den ständigen Baulärm gewöhnt. Die dänische Küstenstadt wird auch "Novo-Stadt" genannt. Überall entstehen neue Anlagen, um die Nachfrage nach den Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy des Pharmakonzerns Novo Nordisk zu decken. Doch zuletzt macht sich eine neue Sorge breit, seit das für die dänische Wirtschaft so zentrale Unternehmen angekündigt hat, allein auf seinem Heimatmarkt rund 5000 Stellen abzubauen. "Ich glaube, jeder hält im Moment den Atem an", sagt die stellvertretende Bürgermeisterin von Kalundborg, Tina Beck-Nilsson.
Im vergangenen Jahr hatte Wegovy seinen Hersteller zum wertvollsten Unternehmen Europas gemacht. Seitdem haben jedoch der scharfe Wettbewerb durch den US-Rivalen Eli Lilly und eine wachsende Zahl von Nachahmerprodukten das Verkaufswachstum gebremst. Der Börsenwert von Novo Nordisk ist um mehr als 400 Milliarden Dollar gesunken. "Wir wissen noch nicht, wie sich das hier in Kalundborg auswirken wird", sagt Beck-Nilsson. Sie verwies auf den angespannten Wohnungsmarkt, da viele Eigentümer ihre Häuser zu Unterkünften für Bauarbeiter umgewandelt hätten. "Was mir Sorgen macht, ist, was passiert, wenn die Bauphase von Novo vorbei ist. Werden das dann Geisterhäuser?"
Novo Nordisk bleibt eine Säule der dänischen Wirtschaft, die immer noch schneller wächst als die meisten Länder der Euro-Zone. Das Ende des rasanten Wachstums des Konzerns hinterlässt jedoch Spuren. Zu Spitzenzeiten überstieg der Marktwert von Novo die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung Dänemarks. Die dänische Zentralbank senkte gerade ihre Prognose für die Entwicklung der dänischen Wirtschaft für die Jahre 2025 bis 2027 und begründete dies neben US-Zöllen auch mit einem schwächeren Wachstum im Pharmasektor. Für dieses Jahr erwartet sie nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von zwei Prozent, nachdem sie im März noch von 3,6 Prozent ausgegangen war. Für Novo war das Jahr geprägt von stockenden Verkäufen, Gewinnwarnungen und einem Wechsel an der Konzernspitze. Weltweit plant das Unternehmen den Abbau von rund 9000 Stellen.
Dänemarks "Nokia-Moment"?
Experten gehen jedoch davon aus, dass die dänische Wirtschaft den Stellenabbau verkraften kann. "Dies ist eine große Anpassung, aber sie folgt auf eine Phase, in der Novo Nordisk ansonsten ein starkes Beschäftigungswachstum verzeichnete", erklärt Tore Stramer, Chefökonom der dänischen Handelskammer. Die Kürzungen würden die Belegschaft auf das Niveau von 2024 zurückführen. Las Olsen, Chefökonom der Danske Bank, spielte die Gefahr eines "Nokia-Moments" herunter, eine Anspielung auf den Aufstieg und Fall des finnischen Handyherstellers. "Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Novo Nordisk die Wettbewerbsfähigkeit der übrigen Wirtschaft untergräbt", sagt er. Die Regierung hat solche Bedenken ebenfalls zurückgewiesen und verweist auf andere große Unternehmen des Landes wie den Spielwarenhersteller Lego, die Brauerei Carlsberg und den Schifffahrtsriesen Maersk.
Kalundborg ist das Herzstück des Produktionsimperiums von Novo Nordisk. In der 16.500-Einwohner-Stadt beschäftigt der Konzern rund 5500 Menschen. Hier wird die Hälfte des weltweiten Insulins sowie Semaglutid, der Wirkstoff von Wegovy und dem Schwestermedikament Ozempic, hergestellt. Zwischen 2021 und 2024 investierte Novo fast zehn Milliarden Dollar in den Ausbau der Produktion in Kalundborg und versprach 1250 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Gehälter stiegen über den dänischen Durchschnitt, neue Restaurants und Cafés entstanden. "Nicht wenige Leute in Kalundborg warten einfach ab", sagt der örtliche Immobilienmakler Thomas Ziegler Jensen.
Für einige in Kalundborg hat ein weniger hektisches Tempo jedoch auch Vorteile. "Ich denke, wenn Novo für eine kurze Zeit keine neuen Mitarbeiter einstellt, werden sich einige der anderen Unternehmen in unserer Stadt freuen, denn uns fehlen Fachkräfte", sagt Bürgermeister Martin Damm. Er gehe davon aus, dass die Auswirkungen nur von kurzer Dauer sein werden. "Im Moment steht Novo vor Herausforderungen, aber mit der Zeit werden sie ihre Präsenz in Kalundborg ausbauen", fügt Damm hinzu. "Sie bauen neue Fabriken, und wenn diese fertig sind, glaube ich nicht, dass sie sie leer stehen lassen werden." Heide Tore Rune freut sich derweil über die Aussicht auf mehr Ruhe. Der Baulärm in ihrer Heimatstadt beginne jeden Morgen um 7 Uhr, berichtet die Therapeutin. "Das zehrt an den Kräften."
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