Deutschlands größter Fleischkonzern Premium Food Group (PFG) gibt den Übernahmekampf um die deutschen Rindfleisch-Schlachthöfe des niederländischen Konkurrenten Vion überraschend auf. Der geschäftsführende Gesellschafter Clemens Tönnies bietet an, den mit Vion geschlossenen Kaufvertrag zu lösen – verknüpft mit der Zusage des Konkurrenten Westfleisch, die betreffenden Standorte in Süddeutschland zu übernehmen. „Hier geht es nicht um Tönnies. Hier geht es um Bayern und die bayerischen Bauern“, sagte der Unternehmer beim sogenannten Herbstdialog des Bayerischen Bauernverbandes in Herrsching. „Die Hängepartie muss ein Ende haben.“
Mit Hängepartie ist die Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt gemeint. Die Wettbewerbsbehörde hatte PFG die vereinbarte Übernahme nach zuvor neunmonatiger Fusionskontrolle untersagt und seine Entscheidung mit der dominierenden Marktstellung begründet, die PFG durch den Kauf von Schlacht- und Zerlege- sowie Häuteverarbeitungsbetrieben in Crailsheim, Buchloe und Waldkraiburg erlangen würde. Dagegen hat das Familienunternehmen Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt und dazu noch angekündigt, die Möglichkeit einer Ministererlaubnis zu prüfen. „Wir werden um die Standorte kämpfen und alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.“
Der Branchenriese, der mit dem Deal nicht mehr nur der größte Schweineschlachter in Deutschland gewesen, sondern auch zum führenden Rinderschlachter aufgestiegen wäre, sieht sich auch immer noch im Recht. „Das Unternehmen hätte weiterhin gute Chance gesehen, über eine Entscheidung beim Oberlandesgericht oder über eine mögliche Ministererlaubnis zum Zuge zu kommen“, heißt es in einer Stellungnahme der Premium Food Group. Das allerdings koste Zeit, die aber habe die Landwirtschaft in Süddeutschland nicht.
Aktuell gibt es nicht mehr viele große Rinder-Schlachthöfe in Süddeutschland. In Politik und Landwirtschaft besteht daher die Sorge vor Versorgungsengpässen und einem Strukturbruch. Denn Vion will sich im Zuge einer strategischen Neuausrichtung aus dem wettbewerbsintensiven deutschen Markt zurückziehen und sich stattdessen stärker auf die Benelux-Länder konzentrieren. Und das könnte bei einer gescheiterten Übernahme auch zu Schließungen führen. „Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten viele neue Ideen für eine Lösung entwickelt, weil wir an die Region glauben. Doch es gab immer wieder Störfeuer“, sagt Patriarch Tönnies, ohne ins Detail gehen zu wollen.
Gemeint sein könnten sowohl die Behörden, mit denen sich eine Zusammenarbeit dem Vernehmen nach als schwierig erweist. Aber auch Konkurrent Westfleisch. Die Genossenschaft aus Münster hatte ursprünglich gar nicht mitgeboten im Kampf um die Vion-Standorte, später aber Interesse bekundet und in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gegen Tönnies als Käufer gewettert.
Nun vollzieht Tönnies nach zuvor markigen Worten eine Kehrtwende – und setzt zugleich die Konkurrenz unter Druck. „Wenn du hier vor versammelter Mannschaft versprichst, dass du die drei Betriebe übernimmst, treten wir mit sofortiger Wirkung von dem Vertrag mit der Vion zurück“, bot der Unternehmer in Richtung Westfleisch an, dessen Vorstandschef Wilhelm Uffelmann ebenfalls auf dem Podium des Herbstdialogs saß. Dessen Antwort: „Gut, dann machen wir das.“
Westfleisch bekräftige sein Interesse mittlerweile auch in einem offiziellen Statement, zeigt sich dabei aber weniger endgültig. „Westfleisch hält Wort und ist bereit, gemeinsam mit Vion an einer tragfähigen Lösung im Sinne der bayerischen Landwirtschaft zu arbeiten“, meldet das Unternehmen. Konkrete Aussagen könne man indes nicht treffen, weil Westfleisch bislang keinen Einblick in die Bücher von Vion habe nehmen können.
Mehrere Interessenten haben sich gemeldet
Das soll nun schnellstmöglich passieren. „Nachdem das Bundeskartellamt den geplanten Verkauf der Vion-Standorte an die Premium Food Group untersagt hat, haben die beiden Partei-en in den letzten Tagen abgestimmt, wie der Weg für andere potenzielle Interessenten freigemacht werden kann“, meldet Vion. Bislang ist das am bestehenden Kaufvertrag zwischen Vion und der Premium Food Group gescheitert. Ausgemacht ist ein Deal mit Westfleisch indes nicht. „Einige Interessenten haben sich bereits gemeldet“, heißt es von Vion. „Wir werden alle ernst gemeinten Vorschläge sorgfältig prüfen. Ziel ist eine langfristig tragfähige Lösung.“
Schon in der ersten Bieterrunde gab es dem Vernehmen nach Interesse von Fleischproduzenten aus Irland, Frankreich und Österreich. Experten fürchten dabei, dass internationale Konzerne kein Interesse am Einstieg in den deutschen Markt haben. „Die würden allenfalls zuschlagen, um sich den Zugriff auf Rohware zu sichern“, sagt Klaus Martin Fischer, Partner bei der Beratungsgesellschaft RSM Ebner Stolz. Das geschlachtete Vieh würde dann also zur Weiterverarbeitung ins Ausland gefahren und damit dem deutschen Markt entzogen. Auch Tönnies warnte zuletzt vor ausländischen Käufern und einer „Unterversorgung mit Fleisch“, die dar-aus resultieren könne.
Rindfleisch steht hinter Schwein und Geflügel auf Platz drei des Fleisch-Speiseplans in Deutschland. Bei gut neun Kilogramm lag der Pro-Kopf-Verbrauch im vergangenen Jahr, zeigen Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL). Bei Schwein waren es 2024 rund 28,4 Kilogramm bei Geflügel 13,6 Kilogramm.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
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