Die Zahlen, die der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) am Dienstag präsentierte, gab es in dieser Form viele Jahre lang nicht: Der Hamburger Hafen ist in den ersten neun Monaten 2025 beim Containerumschlag deutlich stärker gewachsen als seine wichtigsten Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen. In Hamburg stieg der Containerumschlag um 8,4 Prozent auf 6,3 Millionen Containereinheiten (TEU), verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. In Antwerpen wuchs der Containerumschlag in den ersten Quartalen hingegen nur um 1,6 Prozent und in Rotterdam um drei Prozent. Noch deutlicher wird der Unterschied bei den in Tonnen gemessenen Gesamtumschlägen der Häfen: Hamburg legte um 3,4 Prozent zu, Antwerpen hingegen verlor um 3,8 und Rotterdam um 2,6 Prozent.
Speziell der gute Containerumschlag in Hamburg dürfte damit zu tun haben, dass MSC seit dem vergangenen Jahr an der Hafenlogistik-Sparte der HHLA beteiligt ist. Der weltgrößte Maritimkonzern will seinen Anteil dort auf bis zu 49,9 Prozent ausbauen, 50,1 Prozent bleiben in der Hand der Stadt Hamburg. Zur HHLA gehören in Hamburg vor allem die Containerterminals Burchardkai, Tollerort und Altenwerder.
Nach dem Einstieg bei der HHLA verlegte MSC seine über Hamburg laufenden Liniendienste im Wesentlichen vom Eurogate-Terminal zum Burchardkai. Die Reederei Hapag-Lloyd wiederum – die auch am Terminal Altenwerder beteiligt ist – wechselte in die neue Allianz Gemini Cooperation, gemeinsam mit Maersk, und verlegte die Anläufe ihrer Großcontainerschiffe im Zuge dessen vom Burchardkai zu Eurogate. Von beidem hat Hamburg offenbar erheblich profitiert. „Die engen Kooperationen mit unseren Partnern befruchten den Umschlag“, sagte HHLA-Vorstand Torben Seebold, der dem Präsidium des UVHH angehört. „Wir gehen davon aus, dass sich diese erfreuliche Entwicklung verstetigen wird.“
MSC hatte im Rahmen seines Einstiegs bei der HHLA zugesagt, sein Umschlagvolumen in Hamburg bis Anfang der 2023er-Jahre auf eine Million TEU zu erhöhen. Damit hat die Reederei nun offenbar begonnen. Überraschend ist aber vor allem, dass auch die Gemini-Cooperation deutlich mehr Ladung nach Hamburg bringt als zunächst erwartet. Denn die Haupt-Umschlaghäfen in Nordeuropa für die Übersee-Linien von Maersk und Hapag-Lloyd in der neuen Allianz sind Rotterdam, Wilhelmshaven und Bremerhaven. Michael Blach, Mitglied in der Geschäftsführung von Eurogate und Präsidiumsmitglied des UVHH, sagte: „Wir haben das Volumen von MSC beim Containerumschlag, das von Eurogate zum Burchardkai gewechselt ist, durch die Ladungsmenge der Gemini Cooperation bei Eurogate mehr als ersetzen können. Wir konnten ein deutliches Wachstum realisieren.“
Diese Entwicklung unterstreicht, dass Hamburg mit der engeren Anbindung internationaler Großreedereien an die Containerterminals auf dem richtigen Weg ist. Viel später als andere nordeuropäische Häfen hat die Hansestadt damit begonnen, ausländische Reedereien an Containerterminals zu beteiligen, zunächst die staatliche chinesische Reederei Cosco mit 24,9 Prozent am Tollerort, dann MSC bei der HHLA auf Konzernebene. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die geplante Beteiligung von CMA CGM mit 20 Prozent am Hamburger Eurogate-Terminal. Die französische Reederei, die weltweit viertgrößte Container-Linienreederei, war nach dem Einstieg von MSC bei der HHLA ebenfalls vom Burchardkai zu Eurogate gewechselt. Lange Zeit war CMA CGM der größte Einzelkunde des Hamburger Hafens beim Containerumschlag.
Eine verstärkte Risikostreuung betreibt der Hamburger Hafen vor allem auch mit den Partnerländern beim Außenhandel. Hamburgs früher bedeutendes Russlandgeschäft brach nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 komplett weg. Der Containerumschlag mit den USA wiederum ging in den ersten neun Monaten dieses Jahres um fast ein Viertel zurück, der Grund dafür sind vor allem die von US-Präsident Donald Trump provozierten Handelskonflikte und die zahlreichen damit verbundenen neuen Zölle. Deutlich gewachsen ist hingegen Hamburgs Containerumschlag mit Staaten wie Indien und Malaysia, allerdings von einem niedrigen Niveau aus. „Hamburg hat sich stark um eine verstärkte Zusammenarbeit mit Indien bemüht“, sagte UVHH-Hauptgeschäftsführer Norman Zurke. Es sei die Absicht des Hamburger Senats und der Hafenwirtschaft, die Beziehungen im Außenhandel weiterhin auf eine breitere Basis zu stellen.
Auch der Containerumschlag mit dem für den Hamburger Hafen wichtigsten einzelnen Land China ist in diesem Jahr wieder gewachsen. Gerade beim Handel mit China sieht die Hamburger Wirtschaft aber auch ein zunehmendes Risiko. China „überschwemme“ die Weltmärkte seit vielen Jahren mit subventionierten Produkten, sagte Jaana Kleinschmidt von Lengefeld, Vorstandvorsitzende des Ölsaaten-Verarbeitungsunternehmens ADM Hamburg und Präsidiumsmitglied des UVHH. Es sei „eine echte Aufgabe“ für die Europäische Union, ihre Handelskontakte weiter zu diversifizieren.
UVHH-Präsident Rainer Fabian sagte, Hamburg müsse darauf achten, nicht vorrangig zum Importhafen für Konsumgüter zu werden. Nicht nur der UVHH beobachte mit Sorge, wie sich der vorwiegend exportgetriebene Außenhandel in Deutschland durch einen immer höheren Importanteil verändere, vor allem auch mit Gütern aus China. Das sei beim Stahl ebenso zu sehen wie in der Automobilindustrie. China verfolgt das strategische Ziel, bis zum 100. Gründungstag der Volksrepublik 2049 in allen Schlüsselbereichen der Wirtschaft weltweit führend zu werden. „Zunehmend importieren wir die Investitionsgüter, die wir in Deutschland früher selbst hergestellt haben“, sagte Fabian. „Der Hamburger Hafen braucht aber auch in Zukunft eine starke regionale Wirtschaft und Industrie, die er direkt versorgt.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die maritime Wirtschaft, über Schifffahrt, Häfen und Werften.
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