Über die Schwierigkeit der Aufgabe macht sich Katharina Fegebank (Grüne) keine Illusionen. Ein „klimaneutrales“ Hamburg bis zum Jahr 2040 sei „eine Riesen-Herausforderung. Wir wissen, dass eine brutal harte Aufgabe vor uns liegt“, sagte sie am Donnerstagabend beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten.

Beim Volksentscheid im Oktober hatte eine Mehrheit dafür gestimmt, dass der Hamburger Senat bereits das Jahr 2040 als Zieldatum für eine „klimaneutrale“ Stadt anstrebt. Zuvor hatte der Senat mit einer Perspektive bis 2045 geplant. Allgemein herrscht in Hamburg nun Sorge über rapide steigende Kosten, etwa für die Mobilität, die Hauswärme oder auch die Energieversorgung von Unternehmen. Zu den vielen Unsicherheiten und Ungereimtheiten auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2040 zählt bislang auch diese: „Es gibt keine Sanktionen“, sagte Fegebank über Akteure, die das Klimaziel verfehlen.

Grundsätzlich kann Hamburg einer „Klimaneutralität“ bis 2040 nur näherkommen, wenn die Europäische Union und die Bundesregierung dafür wesentliche Weichen stellen, etwa beim Handel mit Emissionsrechten, bei der Gestaltung eines Industriestrompreises oder der Netzkosten für erneuerbare Energien.

Allerdings hat die Hansestadt auch selbst viele Werkzeuge für einen verstärkten Klimaschutz in der Hand. Am Montag ist Fegebank dabei, wenn der Grundstein für einen Wasserstoff-Elektrolyseur mit zunächst 100 Megawatt Leistung am Standort des abgerissenen Kohlekraftwerks Moorburg gelegt wird. Die dort in der ersten Ausbaustufe produzierten jährlich 10.000 Tonnen „grüner“ Wasserstoff werden voraussichtlich komplett in der Hamburger Fernwärmeversorgung eingesetzt. Ein Ausbau der Elektrolyse auf jährlich bis zu 80.000 Tonnen Wasserstoff ist möglich.

Fegebank setzt bei der neuen Hamburger Klimastrategie auf den gesellschaftlichen Schulterschluss. Und offener, als man es bislang je von einer prominenten grünen Politikerin gehört hat, wirbt sie für den Einsatz neuer, künftig verfügbarer Technologien – von der Abtrennung und unterirdischen Einlagerung von Kohlendioxid (CCS) aus Industrieprozessen bis hin zur Kernfusion, vor einigen Jahren noch undenkbar für die Grünen. In einer Koalition von sechs Bundesländern beteiligt sich Hamburg an der Realisierung des ersten deutschen Kernfusions-Reaktors, die Großforschungsanlage Desy in Hamburg-Bahrenfeld soll dazu wesentliche Erkenntnisse beisteuern. Die Kernfusion werde „sichere und saubere Energie“ liefern, sagte Fegebank, die auch Senatorin für die Hamburger Energieversorgung ist.

Eine Hamburger Olympiabewerbung würde dem Ziel einer Klimaneutralität zusätzlichen Schub verschaffen, sagte Fegebank. Im kommenden Mai sollen die Wählerinnen und Wähler in einem Referendum darüber abstimmen, ob sich die Hansestadt für die Austragung Olympischer Sommerspiele 2040 oder 2044 bewirbt. Im Jahr 2015 hatte eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten bei einem Referendum gegen eine solche Bewerbung gestimmt.

Massive Investitionen etwa auch des Bundes in die Hamburger Infrastruktur im Falle einer Austragung Olympischer Spiele würden die Hansestadt deutlich voranbringen: „Das ist ein perfektes Match, den Klimaentscheid als Katalysator für eine mögliche Olympiabewerbung zu nutzen und umgekehrt. Das kann ein Beschleuniger für beide Initiativen sein“, sagte Fegebank. „Da ist ein Momentum.“

Eine neue Studie der Boston Consulting Group, die kommende Woche veröffentlicht wird, vermittelt unterdessen die Größenordnungen „grüner“ Technologien und ihrer Rolle bei der Dekarbonisierung. Das Unternehmen ist eine der weltweit führenden Unternehmensberatungen. „,Green Economy‘ wächst schneller als jeder andere Markt (außer der Tech-Markt): Mit einem globalen Jahresumsatz von über fünf Billionen US-Dollar (2024) und einem erwarteten Marktvolumen von mehr als sieben Billionen US-Dollar bis 2030 zählt sie zu den dynamischsten Wirtschaftssektoren weltweit“, schreibt Boston Consulting. „Rund 80 Prozent des Marktvolumens entfallen auf Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, 20 Prozent auf den schnell wachsenden Bereich für Anpassung und Resilienz.“

Technologien wie Solarenergie, Windkraft, elektronische Speichermedien oder Wärmepumpen werden demnach global eine erhebliche wachsende Rolle spielen – bei sinkenden Systemkosten. „Die Stimmung rund um Dekarbonisierung hat sich geändert– aber grüne Märkte wachsen trotzdem weiter“, sagt Jens Burchardt Managing Director und Partner bei Boston Consulting und einer der Mitautoren der Studie. „Rund die Hälfte aller globalen Emissionen ließen sich mit Technologien reduzieren, die heute schon wettbewerbsfähig sind. Dort werden wir das Rad nicht mehr zurückdrehen.“

Aus Sicht von Boston Consulting wirken die Effekte einer klima- und ressourcenschonenden Wirtschaftsweise vor allem auch bei Unternehmen. „Die Elektrifizierung von Wärme und Bioenergie stehen kurz vor der breiten Kommerzialisierung. Kapital- und technologieintensivere Lösungen wie kohlenstoffarmer Wasserstoff, CO₂-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (CCUS) sowie Biokraftstoffe benötigen dagegen weiterhin stabile regulatorische Rahmenbedingungen und gezielte Fördermechanismen, um Skaleneffekte zu erreichen“, schreibt Boston Consulting zu den Ergebnissen der Studie.

„Unternehmen mit signifikantem Anteil grüner Geschäftsaktivitäten wachsen doppelt so schnell wie jene mit konventionellen Umsatzstrukturen“, heißt es. „Sie profitieren von günstigeren Finanzierungskonditionen, bauen langfristige Wettbewerbsfähigkeit auf und werden an den Kapitalmärkten häufig mit einem Bewertungsaufschlag honoriert.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die Wechselwirkungen von Wirtschaft und Klimaschutz.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.