Die nächste chinesische Automarke drängt nach Deutschland – über einen ungewöhnlichen Weg. Zeekr will Premium-Herstellern wie BMW, Audi und Mercedes zunächst nur bei Dienstwagen Konkurrenz machen. Ab diesem Montag starte die Marke des Geely-Konzerns daher für Firmenkunden, sagte Europachef Lothar Schupet zu WELT.

Drei elektrische Modelle mit Listenpreisen zwischen 37.000 Euro und 59.000 Euro würden für Angestellte über die Einkaufsabteilungen ihrer Arbeitgeber buchbar. Geely hat in Europa bereits Erfahrung. 2010 hatten die Chinesen die Volvo-Pkws von Ford übernommen.

Zu dem Konzern gehören auch die Marken Lynk & Co. und Polestar. Geely verkaufte im vergangenen Jahr weltweit 2,2 Millionen Autos und damit fast so viele wie BMW. Davon gingen 400.000 Autos in den Export – ein Plus von 53 Prozent.

Beim Start neuer Marken hat der Konzern eine Lernkurve hinter sich. Die Idee, wie Tesla etablierte Autohäuser weitgehend außen vorzuhalten und Autos nur über das Internet kombiniert mit eigenen Showrooms in den Innenstädten zu verkaufen, stieß schnell an Wachstumsgrenzen.

Auch deshalb rollt die von der europäischen Branche befürchtete Welle an chinesischen E-Autos nur langsam an. Bislang liegt der Marktanteil der chinesischen Hersteller in Deutschland nur bei zwei Prozent, bei E-Autos allerdings schon bei fünf Prozent. Auf ihrem Heimatmarkt dagegen hängten die Chinesen die deutschen Hersteller in den vergangen beiden Jahren deutlich ab.

Bei der Premium-Marke Zeekr geht Geely schrittweise vor, um sich in Europa zu etablieren. Der frühere BMW-Manager Schupet baut seit 2023 von Amsterdam aus den Vertrieb auf – zunächst in Schweden und den Niederlanden, inzwischen auch in Belgien, Norwegen, Dänemark und Südosteuropa. Mit Deutschland soll der Startschuss für die Expansion auf die großen Märkte wie Frankreich, Großbritannien und Italien beginnen.

Zeekr startet in Deutschland ohne Privatkunden

Ursprünglich war der Sprung nach Deutschland bereits für 2024 erwartet worden, dann auf 2026 verschoben – und erfolgt nun diesen Montag. An Privatkunden traut sich Zeekr zunächst nicht offensiv heran. Schupet hofft, dass seine Marke über die Bestelllisten von Konzernen in Deutschland Aufmerksamkeit findet.

Zudem sollen Werbeaktionen bei Firmen vor Ort inklusive Testfahrten die Marke bekannt machen. Dieser kostensparende Markteintritt zunächst allein über Flottenkunden, die die Autos leasen, ist ein Sonderweg. Partner dabei ist als Finanzierer unter anderem die Großbank PNB Paribas.

Hauptargument beim Umwerben von Dienstwagennutzern ist das Verhältnis von Preis und Leistung. Zeekr will mit einem Shooting Break und zwei SUVs Autos bieten, die in Größe, Reichweite und Ausstattung zu diesem Preispunkt von europäischen Herstellern kaum erhältlich sind.

Zum einen zielt der Europachef damit auf Dienstwagen-Besteller, die trotz der höheren Preise für E-Autos ihre Wagenklasse aus der Verbrenner-Ära halten wollen. Zum anderen erwartet er, dass Menschen bei einem neuen Dienstwagen für dieselbe Preisstufe mehr Ausstattung erhalten wollen – und dafür in Kauf nehmen, eine unbekannte Marke zu probieren.

Zeekr kommt dennoch bislang auf relativ niedrige Absatzzahlen in Europa. In Schweden erreiche die Marke zwei Jahre nach dem Marktstart mit zwei Prozent Marktanteil an den Elektroautos den bislang höchsten europäischen Marktanteil, sagte Schupet. Bei 70.000 dort jährlich zugelassenen E-Autos entspricht das rund 1400 Stück.

Zum Vergleich: In Deutschland wurden allein in dem Monat 3700 ID.7 von VW zugelassen, derzeit ein beliebter Firmenwagen. Mit einem Listenpreis ab 54.000 Euro ist er in einer ähnlichen Preisklasse platziert wie das teuerste Zeekr-Modell. Neue Modelle wie der SUV BMW iX3 sind mit 68.000 Euro deutlich teurer. Auch der CLA Shooting Break von Mercedes soll mit 57.000 Euro rund 20.000 Euro mehr kosten als das Zeekr-Pendant X. Der Zeekr 001 tritt optisch gegen den fast doppelt so teuren Porsche Tycan an.

Zeekr-Autos sind mit Zöllen belegt

Einfach wird es dennoch nicht. Das zeigen die niedrigen Absatzzahlen für andere Geely-Marken. Polestar verkaufte im Monat Oktober in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt trotz Werbe-Deal mit dem BVB lediglich 562 Autos, Lynk & Co. sogar nur 47 Stück.

Zeekr wirbt damit, die Autos seien im Entwicklungszentrum am Volvo-Standort Göteborg entworfen worden. 400 Menschen seien dort allein für Zeekr mit der Entwicklung und der Anpassung an den europäischen Markt beschäftigt. Die Modelle teilen dabei Plattformen mit den Konzernmarken Volvo, Polestar und Smart.

Produziert werden die Autos jedoch allein in China – und sind daher mit den Anti-Dumping-Zöllen der EU von bis zu 35 Prozent belegt. In einer Arbeitsgruppe habe Geely fünf Monate die Auswirkungen der Zölle geprüft, schilderte Schupet im Gespräch. Dabei habe der Konzern errechnet, dass für Zeekr keine europäische Produktion aufgebaut werden müsse.

Dennoch wendet sich Schupet – wenig überraschend – gegen Strafzölle oder die Bevorzugung für europäische Autos bei der geplanten neuen E-Auto-Prämie: „Das hilft auch der deutschen Industrie nicht. Denn das nimmt den Druck, innovativ zu sein und sendet ein Zeichen, die Branche müsse nicht wettbewerbsfähiger werden“, sagte er.

Dabei resultiere die Aufholjagd Chinas aus einer starken Fokussierung auf die richtigen, marktgängigen Produkte. Allerdings kritisiert die EU, die Autoindustrie erhalte hohe Subventionen aus Peking und von den Provinzen.

Schupet lässt bislang offen, wann er im größeren Stil auch an Privatleute verkaufen will – und mit welchem Modell. In Schweden und den Niederlanden vertreibt er die Pkw derzeit über wenige Showrooms und das Netz, in Südosteuropa arbeitet er klassisch mit Importeuren und Händlern. Wie Deutschlands Privatkundenmarkt erschlossen werden solle, sei noch offen – und hängt womöglich auch daran, wie erfolgreich der Einstieg ins Flottengeschäft verläuft.

Die Herausforderung in den Flächenländern ist für Newcomer aus China der Vertrieb. In der Vergangenheit fehlten Kunden beim Start chinesischer Marken wie BYD zunächst Anlaufstellen für den Service. Um das zu ändern, geht derzeit etwa der Geely-Konkurrent BYD etliche Partnerschaften mit deutschen Händlern ein.

Schupet kooperiert in Deutschland dagegen mit freien Werkstätten der Gruppe G.A.S., die bereits mit der chinesischen Marke Nio kooperiert. Einige von ihnen sollen künftig Zeekr warten und reparieren. Zudem sollen eine Handvoll dieser Partner auch Testfahrten anbieten, damit potenzielle Firmenwagen-Nutzer die Autos vor der Bestellung über ihre Firma ausprobieren können.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Christoph Kapalschinski ist Redakteur und schreibt über die Auto-Industrie.

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