Der Neustart bei der Bahn hat begonnen – zumindest laut Deutsche-Bahn-Chefin Evelyn Palla. Am Donnerstag kündigte sie den Umbau der Konzernspitze und weitere Sofortmaßnahmen für die Kunden an. Grund sind vor allem Pünktlichkeitswerte von nur knapp über 50 Prozent. Laut der DB-Managerin mit Lokführerschein könnte das Umbaujahr 2026 zur „vielleicht größten Transformation werden, die die Bahn je erlebt hat“.

Beginnen wird die Transformation ganz oben im Konzern. Oder um es mit den Worten Pallas zu sagen: Die Bahn wird „vom Kopf auf die Füße gestellt“. Was das heißt? Der Konzernvorstand hat nur noch sechs statt acht Mitglieder. Die zwei Ressorts Technik/Digitalisierung und Infrastruktur werden aufgelöst.

Die Infrastruktur soll im Ressort der Vorstandsvorsitzenden, also von Palla direkt, weitergeführt werden. Sie wurde auch jüngst zur Aufsichtsratsvorsitzenden der Infrastruktursparte DB InfraGo gewählt. Ein Umstand, der in der Branche kritisiert wird. Immerhin soll der gewinnorientierte Teil der DB AG weiter vom gemeinwohlorientierten Teil der InfraGo entflochten werden.

Und auch der Vorstand der DB InfraGo wird kleiner. Statt acht, gibt es zukünftig sechs Vorstandsmitglieder, wie auf der vergangenen Aufsichtsratssitzung der Infrastruktursparte beschlossen wurde. Die Struktur müsse nach Pallas Ansicht schlanker werden. So wird sich in Zukunft bei der InfraGo auch nur noch ein Vorstand um die Bereiche Bauen und Fahren kümmern, um beide besser aufeinander abzustimmen. Diese Umstellung soll auch in den einzelnen Regionen umgesetzt werden, in die das Netz unterteilt ist.

Bei der DB Regio sowie im DB Fernverkehr entfällt ab dem 1. Januar der Vorstand Marketing. Ausgeschlossen von der Vorstandsverkleinerung ist der stark kriselnde Bereich der DB Cargo. Vorstandschefin Sigrid Nikutta musste im Oktober als erste Managerin unter Palla ihren Hut nehmen. Ihr Nachfolger Harmen van Zijderveld arbeitet aktuell an einem neuen Sanierungskonzept für Cargo, das noch in diesem Jahr vorgestellt werden soll. Palla kenne das Konzept bisher nicht, wie sie auf Nachfrage sagt.

Der Fahrgastverband Pro Bahn schlägt für eine neue Sanierung etwa die Abgabe einzelner Teilbereiche vor, um DB Cargo wieder fit zu machen. „So könnten beispielsweise die Rangierloks für die großen Rangierbahnhöfe und deren Bedienung auf die InfraGo übergehen. Dies würde einen großen Kostenblock verschieben und für neue Unternehmen den Einstieg in den Einzelwagenverkehr erleichtern“, erklärt Pro-Bahn-Sprecher Lukas Iffländer.

Für den Güterverkehrsbereich ist 2026 ein Schicksalsjahr: Die EU-Kommission untersagt inzwischen, dass der DB-Konzern die finanziellen Löcher stopft. Ab 2026 muss DB Cargo eigenständig schwarze Zahlen schreiben. Dafür muss van Zijderveld nun sorgen, sonst droht eine Zerschlagung.

Auch die Dienstleister stehen unter Beobachtung. Der DB-Vertrieb wird ab dem 1. Januar im Ressort Regionalverkehr und die DB-Fahrzeuginstandhaltung im DB-Fernverkehr aufgehen. Alle weiteren Dienstleister sollen bis zum 30. Juni unter die Lupe genommen werden. Die Konzernführung, bestehend aus 3500 Mitarbeitern in der Holding, soll um 30 Prozent verkleinert werden. Die bisherige Vorgabe von 20 Prozent Verkleinerung wird damit ausgeweitet. Die Konzernbeauftragten schafft Palla ebenfalls ab. Zudem reduziert sie die erste Führungsebene von heute 43 auf künftig 22 Organisationseinheiten.

Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn würde sogar weiter gehen. „Wir schätzen, dass 70 Prozent der Konzernzentrale sich derzeit in erster Linie mit sich selbst beschäftigt“, sagt er. Palla solle den „Rasenmäher noch kürzer“ stellen und in den darunterliegenden Ebenen auf gleichem Niveau ausdünnen, heißt es.

Und auch von übergeordneten, zentralen Konzernprogrammen will sich die DB-Chefin verabschieden. Das Sanierungskonzept S3 von ihrem Vorgänger Richard Lutz wird mit dem Ende des Jahres eingestellt. Stattdessen soll die Verantwortung in die jeweiligen Geschäftsfelder abgegeben werden. Palla spricht von einer Dezentralisierung der Entscheidungen. Kontrolliert werden soll der Fortschritt über eine „Qualitätsdrehscheibe“, die bei ihr wiederum zusammenläuft. Also, Entscheidungen auslagern, aber am Ende doch das letzte Wort haben.

„Der Neustart der Bahn hat jetzt begonnen“

Klar ist: Es müssen Manager gehen bei der Bahn. Den Kunden wird das zunächst egal sein, solange der eigene Zug immer noch ausfällt. Palla bleibt vorsichtig: „Es wird keinen Big Bang geben.“ Die Infrastruktur ist auf Jahre sanierungsbedürftig. Im November lag die Pünktlichkeit im Fernverkehr bei miserablen 54,5 Prozent. Palla stellt fest: „Wir haben eine Beschleunigung in der Anlagenalterung.“ Für das kommende Jahr wird das Pünktlichkeitsziel bereits auf 60 Prozent gemindert, wie Palla ankündigt. Erst ab 2029 ist wieder eine Pünktlichkeit von 70 Prozent angepeilt.

„Wir werden in den nächsten Jahren noch ein paar unangenehme Überraschungen erleben“, prophezeit Iffländer. „Ich wäre nicht überrascht, wenn uns bei der Fernverkehrsflotte noch eine größere Katastrophe erwartet“. Bei der aktuellen Qualität seien 70 Prozent Pünktlichkeit seiner Ansicht nach bereits ein ambitioniertes Ziel.

Wenn es nicht pünktlicher wird, soll es zumindest sauberer und sicherer werden. Als Sofortmaßnahme will die DB stärker mit der Bundespolizei zusammenarbeiten und für mehr Sicherheit an Bahnhöfen sorgen. Der Komfort für Reisende in den Zügen soll sich durch verlässlichere Bordbistros und eine bessere Kundenkommunikation ändern. Hierfür will die DB im kommenden Jahr 140 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Dass die Bundespolizei für mehr Sicherheit sorgen soll, begrüßt der Verband Allianz pro Schiene. Das Thema Bahnhöfe müsse allerdings „ganzheitlich gedacht werden“, so auch bei der Finanzierung. „Es muss auch Fördermöglichkeiten für Bahnhofsgebäude geben, die nicht mehr im Besitz der Deutschen Bahn sind“. Demnach sind fast 80 Prozent der Empfangsgebäude im Besitz von Kommunen oder Privateigentümern. „Bahnhöfe müssen unabhängig vom Besitzer überall in Deutschland zu Orten werden, an denen Reisende sich wohlfühlen“, so der Verband.

Und war da nicht auch etwas mit Verlagerung von Verkehr auf die Schiene? Zumindest im Fernverkehr werde die DB das Angebot im kommenden Jahr nicht erweitern, sondern stabil halten, so Palla. Und auch zu den Geschäftszielen verliert die DB-Chefin ein paar Worte. Das operative Ergebnis soll in diesem und im kommenden Jahr positiv sein. Beim Gesamtergebnis werden jedoch erst ab 2027 schwarze Zahlen erwartet. Im ersten Halbjahr fuhr der Konzern einen Verlust von 760 Millionen Euro ein.

2026 wird also nicht nur das große Umbaujahr für die DB, sondern auch das Jahr, in dem sich Palla beweisen muss. Das merkt man an ihren Ankündigungen. „Evelyn Palla macht Tempo“, so die Allianz pro Schiene. Immer im Nacken: Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU). Palla soll ohnehin nicht seine erste Wahl auf den Posten gewesen sein, wie eine WELT-Recherche ergibt. Palla macht derweil bei der DB nun den ersten Aufschlag und verkündet: „Der Neustart der Bahn hat jetzt begonnen.“

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.

Klemens Handke ist Wirtschaftsredakteur. Er schreibt über Verkehrspolitik und die Deutsche Bahn.

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