Die Deutschen kaufen verstärkt im Internet ein. „Trotz der insgesamt nicht zufriedenstellenden Konsumstimmung gelingt es den Online-Händlern, deutlich bessere Umsätze zu erzielen als im Vorjahr“, berichtet Stephan Tromp, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE).

Die Branchenorganisation erhöht daher ihre Prognose für den E-Commerce: 2025 erwartet der HDE ein Wachstum von rund vier Prozent auf einen neuen Rekordumsatz in Höhe von 92,4 Milliarden Euro.

Bislang hatte die Vorhersage bei drei Prozent gelegen. „Nach einigen schwächeren Jahren ist der Online-Handel wieder die Wachstumslokomotive des Einzelhandels in Deutschland“, sagt Tromp. Jedenfalls könne mitnichten davon geredet werden, dass der Online-Handel an seine Grenzen kommt.

Treiber der aktuell höheren Nachfrage sind nach HDE-Angaben vor allem Kategorien mit bislang eher geringem Online-Anteil, darunter Lebensmittel, Drogeriewaren, Kosmetik und Tiernahrung. Die Wachstumsraten dieser Segmente reichen dabei teilweise an die Marke von zehn Prozent heran.

Allerdings ist die Ausgangsbasis auch weiterhin vergleichsweise gering. So steht in der Kategorie Essen und Trinken einem Online-Umsatz von drei Milliarden Euro ein Stationärgeschäft von 231 Milliarden Euro gegenüber.

„Hier liegt also auch für die kommenden Jahre noch deutliches Potenzial“, ordnet Tromp ein. „Aktuell ist dieser Bereich online noch unterentwickelt.“

Amazon-Marktanteil bei 63 Prozent

Anders sieht es im sogenannten Non-Food-Geschäft aus. Wichtigste Kategorien sind hier Mode und Accessoires sowie Elektronik, die zusammengenommen für 45 Prozent der E-Commerce-Umsätze stehen. Dahinter folgen dann die Segmente Freizeit & Hobby sowie Wohnen & Einrichten mit zusammen 25 Prozent Marktanteil.

Verkauft werden die Produkte dabei vornehmlich über Online-Marktplätze: Laut HDE werden mittlerweile 57 Prozent der Einkäufe über solche Plattformen abgewickelt, allen voran über Amazon. Der Branchenriese aus den USA steht für fast zwei Drittel des Internethandels in Deutschland.

Der Marktanteil von 63 Prozent teilt sich dabei konkret auf in 17 Prozentpunkte Eigenhandel und 46 Prozentpunkte Marketplace, den Amazon externen Händlern und Herstellern gegen Gebühr als Verkaufsplattform zur Verfügung stellt.

Vor allem kleine Anbieter sparen sich dadurch den teuren Aufbau eigener Strukturen. Rund ein Drittel aller Unternehmen, die Waren über das Internet verkaufen, hat laut Statistik keinen eigenen Online-Shop und nutzt ausschließlich Marktplätze wie Amazon, Ebay, Otto und Zalando oder Breuninger, Kaufland und Conrad.

Die Gesamtzahl der online vertretenen Firmen ist zuletzt allerdings gesunken. 2024 waren 40 Prozent der stationären Händler auch im E-Commerce aktiv, zeigt eine Mitgliederbefragung des HDE. In den Corona-Jahren lag diese Zahl noch bei bis zu 45 Prozent.

Dass es noch weniger werden, glaubt Verbandsvertreter Tromp nicht. „Wir gehen davon aus, dass der Wert stabil bleibt.“ Umgekehrt rechnet er allerdings auch nicht mit Zuwächsen. Das sei aber auch nicht schlimm. „Die aktuelle Zahl bedeutet umgekehrt, dass 60 Prozent der Stationärhändler kein Online-Geschäft haben. Haben die die Zeit verpennt?“

Eigener Online-Shop bedeutet einen hohen Aufwand

Denn einen Online-Shop zu betreiben, bedeute einen hohen Aufwand, zumal es mit dem Verschicken von Paketen nicht getan ist. Dazu komme auch das Handling von Retouren und die Beantwortung von Kundenanfragen.

„Dieser Aufwand muss sich am Ende auch betriebswirtschaftlich für jeden Händler noch rechnen.“ Und gerade für die kleinen Läden stehen Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis. Das aber sei die große Masse der Anbieter.

Dazu wird die Konkurrenz aus dem Ausland größer und deren Zugang zum deutschen Verbraucher etwa über soziale Medien einfacher. Auf mittlerweile zehn Prozent wird der Marktanteil von Lieferanten aus dem Ausland geschätzt.

Jeder fünfte Kunde bestellt dabei bewusst bei einem internationalen Shop, zeigt der jüngste Onlinemonitor des HDE. 42 Prozent der Befragten wiederum haben demnach unbewusst im Ausland bestellt und den Ursprung der georderten Ware erst durch die Bestellbestätigung oder bei der Lieferung bemerkt.

Häufigstes Herkunftsland ist dabei China mit einem Anteil von fast 50 Prozent bei den Auslandsbestellungen. Dahinter folgen Österreich und die Niederlande mit jeweils 18 Prozent sowie die USA mit 17 Prozent.

Eine zunehmend dominierende Rolle entfällt dabei auf die asiatischen Billiganbieter Temu, Shein und AliExpress, für die der HDE in Zusammenarbeit mit dem Institut für Handelsforschung (IfH) erstmals Verkaufszahlen schätzt. Demnach kommen allein Temu und Shein mittlerweile auf Deutschland-Umsätze in einer Größenordnung zwischen 2,7 und 3,3 Milliarden Euro.

Und das Volumen dürfte schon schnell noch mal deutlich anwachsen. Denn es sei sichtbar, dass beide Unternehmen sich deutlich gen Europa orientieren, weil der US-Markt für diese Unternehmen aufgrund der Zollpolitik uninteressant geworden ist, berichtet Branchenvertreter Tromp. „Wir beobachten, dass Temu und Shein ihre Ausgaben für digitale Werbung nach Europa umgelenkt haben.“

Im April und Mai etwa seien sie um 40 Prozent und mehr gestiegen. „Das ist ein klares Indiz, dass die Verbraucher auf Temu und Shein aufmerksam gemacht werden sollen.“ Offenbar mit Erfolg. Tromp jedenfalls berichtet, dass die Downloadzahlen der Apps der beiden Plattformen zuletzt merklich gestiegen sind. Gefordert wird unter anderem eine Abschaffung der Zollfrei-Grenze sowie eine Bearbeitungsgebühr für jedes Paket, wie es die USA bereits gemacht haben.

Neben der Händlerkonkurrenz werfen auch Verbraucherschützer den asiatischen Plattformen unter anderem vor, gefährliche oder gefälschte Produkte zu verkaufen und beim Versand von Paketen bewusst Zollgrenzen zu umgehen. Die Europäische Union (EU) hat deswegen Untersuchungen eingeleitet und plant eine stärkere Regulierung.

Shein-Strategiechef Peter Pernot-Day hat die Anschuldigungen im WELT-Interview im Frühjahr zurückgewiesen und volle Kooperation mit den Behörden angekündigt.„2024 haben wir rund zwei Millionen Produktsicherheitstests machen lassen, unter anderem auch vom TÜV.

Die beanstandeten Produkte haben wir zudem noch mal zusätzlich überprüft. Und alle entsprechen den strengen Vorgaben der REACH-Verordnung der Europäischen Union“, sagt der Manager.

Und nur diese Verordnung sei die maßgebliche Richtschnur für Shein. „Nicht vornehmlich die individuellen Grenzwerte von NGOs, die sich oft stark voneinander unterscheiden.“

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.