Würde Deutschlands kriselnde Wirtschaft mit einem Feiertag weniger wieder schneller wachsen? Dieser Annahme ist ein gewerkschaftsnahes Forschungsinstitut auf den Grund gegangen. Eine überraschende Erkenntnis: In einigen Fällen entwickelt sich die Wirtschaft sogar besser mit Feiertagen.
Kurbelt die Abschaffung von Feiertagen die Wirtschaft an? Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat dies in einer Studie untersucht. Die Forscher fanden dabei "keine Belege dafür, dass die Abschaffung von Feiertagen die Wirtschaftsleistung erhöht", wie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung mitteilte. Für die Studie haben die Experten sechs konkrete Fälle untersucht, in denen in Deutschland oder in einzelnen Bundesländern in den vergangenen 30 Jahren arbeitsfreie Feiertage gestrichen oder neu eingeführt wurden.
"In gut der Hälfte der Fälle entwickelte sich die Wirtschaft sogar danach in jenen Bundesländern besser, in denen arbeitsfreie Feiertage beibehalten wurden oder neu hinzukamen", berichtete das IMK. "Die Gleichung: Wenn Feiertage wegfallen, steigt das Wachstum, geht offensichtlich nicht auf. Denn sie ist zu simpel und wird einer modernen Arbeitsgesellschaft nicht gerecht", teilte IMK-Direktor Sebastian Dullien mit.
Schnitzer: "Streichung eines Feiertages als Symbol genau richtig"
Die Abschaffung von einem oder mehreren Feiertagen zur Erhöhung der Wirtschaftsleistung wird seit einigen Monaten verstärkt diskutiert. Vorgeschlagen hat dies etwa der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat eine Rechnung aufgestellt, wonach ein zusätzlicher Arbeitstag das Bruttoinlandsprodukt um 5 bis 8,6 Milliarden Euro steigern könnte.
Auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hatte die Abschaffung eines Feiertages in Deutschland zur Finanzierung der Krisenlasten befürwortet. "Die Streichung eines Feiertages fände ich als Symbol genau richtig", sagte die Ökonomin und Chefin des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im März hatte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, für die Streichung eines Feiertages plädiert, um "das Arbeitsangebot der Menschen zu steigern".
Das IMK untersuchte unter anderem, wie sich die Abschaffung des Buß- und Bettages in allen Bundesländern außer Sachsen ab dem Jahr 1995 auswirkte. Entgegen der einfachen Gleichung "Weniger Feiertage = mehr Wirtschaftsleistung" habe sich das Bruttoinlandsprodukt 1995 in Sachsen aber stärker entwickelt als im Rest Deutschlands, so die Forscher.
Verringerung der Arbeitszeit
"Nominal wuchs die Wirtschaftsleistung im Bundesschnitt um 3,4 Prozent, im ostdeutschen Freistaat dagegen um 9,7 Prozent." Das BIP in Sachsen sei damit auch stärker als in den angrenzenden Bundesländern Sachsen-Anhalt und Thüringen gewachsen - obwohl diese den Feiertag gestrichen hatten.
Die gesamtwirtschaftliche Produktion gehe nicht nur auf die Zahl der Arbeitsstunden zurück - auch Produktivität und Innovation spielten eine wichtige Rolle, so das IMK. "Denkbar ist, dass die Beobachtung fehlender positiver Wachstumseffekte einer geringeren Zahl an Feiertagen darauf zurückgeht, dass die geringere Erholungszeit die Produktivität senkt", schreiben die Autoren.
Möglich sei auch, dass stark belastete Erwerbstätige als Reaktion auf eine Feiertagsstreichung ihr Arbeitsangebot an anderer Stelle zurückfahren, etwa durch die Verringerung der Arbeitszeit in Teilzeitstellen. So hätten während der Pandemie Pflegekräfte als Reaktion auf die hohe Belastung ihre Arbeitszeit verringert.
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