Das Versprechen war eindeutig: Im Koalitionsvertrag kündigt die Bundesregierung an, die Stromsteuer für Verbraucher auf das europäische Mindestmaß zu senken. Daraus wird nichts. Stattdessen möchte Schwarz-Rot den Gaspreis subventionieren. Das Elektrohandwerk schlägt Alarm. "Wie soll der lokale Handwerker beraten, wenn sich die Rahmenbedingungen laufend ändern?", fragt Verbandspräsident Stefan Ehinger im "Klima-Labor" von ntv. "Der Heizungskauf ist eine monetäre Entscheidung, alles andere wäre naiv." Ehinger warnt vor einer Rückabwicklung der Energiewende, erste Anzeichen gibt es bereits: Die Zahl der installierten Solaranlagen und Heimspeicher ist rückläufig, bei Ladepunkten für E-Autos sogar deutlich. Nur in einem Bereich befand sich die Branche zuletzt auf einem guten Weg: bei der Wärmepumpe.
ntv.de: Die Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und Schwarz-Rot werden in weiten Teilen der Wirtschaft positiv aufgenommen. Sie warnen dagegen vor einer Rückabwicklung der Energiewende. Was stört Sie?
Stefan Ehinger: Nicht alles, aber manche Dinge werden auf eine Art und Weise angekündigt, die uns Sorgen macht. Wir nehmen etwa wahr, dass man sich eventuell doch nicht an die CO2-Bepreisung herantraut. Das Thema schieben wir seit der Corona-Pandemie vor uns her. Auch beim sogenannten Heizungsgesetz sitzen alle wie das Kaninchen vor der Schlange und warten ab, was passiert, obwohl wir uns nach dem schlecht kommunizierten Start inzwischen bei den Wärmepumpen auf einem guten Weg befinden. Das finde ich problematisch.
Die Bereiche Gebäude und Verkehr sollen 2027 in den EU-Emissionshandel aufgenommen werden. Hohe CO2-Preise könnten Verbraucher mit Öl- oder Gasheizung enorm belasten. Ist es nicht nachvollziehbar, dass man dort auf die Bremse tritt?
Niemand möchte gerne mehr bezahlen. Letztlich werden durch den CO2-Preis aber nur die Kosten, die diese Energieträger an Natur und Umwelt verursachen, vernünftig umgelegt. Das ist fair. Es sollen auch nicht von heute auf morgen gigantische Summen aufgerufen werden. Eigentlich sollte der CO2-Preis seit 2020 in kleinen Stufen steigen. Das wurde wegen Corona zurückgestellt und wenn man will, wird man immer einen Grund finden, warum jetzt ein schlechter Zeitpunkt ist, damit anzufangen. Aber wenn man weiß, dass die Preise in den kommenden Jahren steigen werden, haben Privatleute und auch unsere Branche Planungssicherheit und einen ganz anderen Anreiz, in CO2-arme Technologien zu investieren: Es zahlt sich monetär aus.
Wegen der "Heizhammer"-Debatte haben viele Menschen doch noch eine Gasheizung gekauft. Die stehen jetzt vor explodierenden Kosten …
Die CO2-Preise kommen nicht überraschend, die wurden vor Jahren angekündigt. Was wäre denn die Alternative? Wollen wir noch einmal sechs Jahre warten? Ich stimme zu, wir müssen für Härtefälle Lösungen finden, um die Kosten zu kompensieren. Die Lage wird aber nicht besser, nur weil wir das Thema nicht angehen. Und speziell in den Bereichen Heizen und Mobilität sind Alternativen vorhanden.
Warten Unternehmen mit Investitionen in diese Alternativen, bis die Entscheidung gefallen ist?
Am Ende führt es tatsächlich dazu, dass Kauf- und Investitionsentscheidungen verschoben werden. Das verursacht zwei Probleme: Die ausbleibenden Investitionen verstärken die jetzige wirtschaftliche Schwäche. Außerdem verlieren wir Zeit, weil der Schritt in vielen Fällen alternativlos ist - und dann muss plötzlich alles wieder ganz schnell gehen: Der Markt läuft heiß. Die Branche kann die Nachfrage nicht bedienen. Die Menschen sind intelligent genug, um zu begreifen, was auf sie zukommt. Man muss es ihnen nur ordentlich erklären.
Insbesondere die Union betont eigentlich immer: Die CO2-Bepreisung ist das Mittel der Wahl, weil Klimaschutz damit nicht über Vorgaben, sondern den Markt gelenkt wird. Speziell in der Heizfrage hört man aber immer wieder von Installateuren, die fälschlicherweise lieber die Gasheizung als die Wärmepumpe empfehlen.
Der lokale Handwerker genießt hohes Vertrauen bei seinen Kunden. Aber wie soll er denn gut beraten, wenn sich die Rahmenbedingungen laufend ändern? Die Betriebe stehen vor demselben Problem wie die Hersteller und die Verbraucher. Wenn man nicht weiß, woran man ist, setzt man auf Bewährtes. Aber drei Viertel unserer Elektrobetriebe setzen sich bereits mit Solaranlagen, Wärmepumpen und Wallboxen für E-Autos auseinander. Das Know-how muss man nur auf die Straße bekommen.
Das ist im Elektrohandwerk das Geschäftsmodell der Zukunft?
Es ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Elektrohandwerk erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von gut 84 Milliarden Euro. Energiewende-Technologien sind für 15 Prozent davon verantwortlich. Das ist in einem Gewerk mit vielen klassischen Elektrotechnik-Themen eine beachtliche Zahl. Man sieht: Wenn man den Markt machen lässt, passiert der Wandel von ganz alleine - ob ein Jahr früher oder ein Jahr später. Aber dann muss man Technologieoffenheit nicht nur sagen, sondern auch meinen.
Wettbewerb? Ja, bitte. Aber fair.
Ja. Der Markt funktioniert besser als Verbote. Ich möchte kein Verbrenner-Verbot und bin auch gegen ein Heizungsverbot, obwohl das ja ohnehin nicht existiert. Aber man muss entsprechende Anreize setzen - zum Beispiel durch den CO2-Preis.
Aktuell überlegt die Bundesregierung anscheinend, ob sie Geld aus dem Klimafonds KTF nutzen kann, um die Gaspreise zu senken. Solche Gedankenspiele erhöhen Ihren Puls?
Nein, aber das ist der verkehrte Anreiz. Wir möchten insbesondere zur Wärmegewinnung aus fossilen Energieträgern aussteigen und sie deswegen mit einem CO2-Preis belegen. Gleichzeitig versuchen wir, die Gaspreise mit Subventionen aus dem Klimafonds zu senken? Was soll der Häuslebauer denken, wenn er das hört? Bei den Strompreisen dasselbe: Ich begrüße sehr, dass die Bundesregierung Steuern und Abgaben darauf streichen und deckeln möchte. Das schafft einen Anreiz zur Elektrifizierung. Die angekündigte Einschränkung auf das produzierende Gewerbe ist jedoch inakzeptabel. Das war im Koalitionsvertrag anders vereinbart. Das ist die angesprochene Verlässlichkeit. Jetzt hat man günstiges Gas und teuren Strom und erschwert den Umstieg auf die Wärmepumpe … und ganz ehrlich, nur der Umwelt zuliebe kauft die niemand. Das ist eine monetäre Entscheidung, alles andere wäre naiv. Und der günstigste Energieträger wird mittelfristig Strom sein.
Aber der Schaden ist in vielen Fällen bereits angerichtet. Wer sich vergangenes Jahr eine neue Gasheizung gekauft hat, wird unter hohen CO2-Preisen leiden. Denen kann man doch nicht sagen: Pech gehabt.
Das stimmt. In meinen Augen ist das hauptsächlich ein kommunikatives Problem: Es wird immer über Gaskraftwerke gesprochen. Warum reden wir nicht viel mehr über die Chancen durch die Elektrifizierung, machen deutlich, dass die Preise für fossile Energieträger steigen werden und überlegen, wie man die Kostenkurve abflachen kann? Ganz ohne Veränderung wird es nicht gehen, so ehrlich müssen wir sein. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Die meisten Menschen sind so rational und verstehen das. In meinen Gesprächen mit Politik oder Verwaltung erlebe ich auch niemanden, der ernsthaft sagt: Das ist alles Blödsinn.
Spüren Sie denn bereits Probleme? Melden sich Unternehmen bei Ihnen, die sagen: Wir müssen gegensteuern.
Die Zahl der installierten Solaranlagen und Heimspeicher ist auf jeden Fall rückläufig - bei den Ladepunkten sogar deutlich.
Für E-Autos?
Ja. Die Zahl der Aufträge hat sich seit dem Wegfall der E-Auto-Förderung vor knapp zwei Jahren fast halbiert. Das kann die Branche teilweise kompensieren, weil wir die komplette Gebäudetechnik machen. Der Umsatz ist von 2023 zu 2024 trotzdem um vier Prozentpunkte gesunken. Eine leicht positive Tendenz gibt es nur bei Wärmepumpen, allerdings auf niedrigem Niveau: Die spielen im Elektrohandwerk keine große Rolle. Dort sind eher die Kollegen aus dem Bereich Sanitär, Heizung, Klima (SHK) gefragt.
Ist der grüne Jobboom bei Ihnen in der Branche bereits vorbei? Es gab einen großen Fachkräftemangel.
Nein, der Fachkräftemangel bleibt eine große Herausforderung. Die Branche ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, von 400.000 auf mehr als 500.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jetzt verlieren wir wieder welche: Vor der Demografie können wir uns nicht verstecken. Die überwiegende Mehrheit der Betriebe sucht nach wie vor Verstärkung. Wir gehen davon aus, dass 70.000 bis 80.000 Fachkräfte fehlen - Tendenz eher steigend, obwohl wir immer mehr junge Menschen in die Branche holen und unsere Ausbildungszahlen jedes Jahr erhöhen. Aber das reicht nicht, um den Wegfall der Babyboomer zu kompensieren. Ich kann allen, die einen Job suchen, nur dringend raten: Bitte setzen Sie sich mit einem elektrotechnischen Beruf auseinander. Der ist nachhaltig, vielfältig und bietet tolle Karrierechancen.
Noch ein letzter Wunsch an die neue Bundesregierung?
Niedrigere Strompreise und Bürokratieabbau, ganz speziell beim Smart-Meter-Rollout. Wir haben mehr als 800 Verteilnetzbetreiber in Deutschland mit genauso vielen unterschiedlichen Prozessen, um einen Stromzähler auszutauschen … Ich habe in meinem Betrieb einen Elektromeister abgestellt, der die Hälfte seiner Zeit nur damit verbringt, Zähleranträge zu stellen. Der könnte etwas Besseres tun. Daran verzweifeln wir, aber auch die Netzbetreiber.
Mit Stefan Ehinger sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.