US-Notenbankchef Jerome Powell zu feuern, traut sich Donald Trump nicht. Doch er hat einen Plan, wie er ihn trotzdem kaltstellen und bald im Hintergrund die US-Geldpolitik lenken kann - und damit womöglich als Bruchpilot die US-Wirtschaft und den Dollar in den Abgrund steuert.

Donald Trump geht es mal wieder nicht schnell genug. Seit Monaten bedrängt er US-Notenbankchef Jerome Powell, die Zinsen zu senken und bringt sich sogar selbst als obersten Währungshüter ins Spiel. Doch Powell macht keine Anstalten, dem Druck nachzugeben und lässt die Leitzinsen unangetastet. Also verfolgt Trump nun offenbar einen Plan, der die Unabhängigkeit der US-Geldpolitik - und damit die Stabilität der Finanzmärkte - gefährden könnte.

Laut "Wall Street Journal" erwägt Trump nun offenbar ernsthaft, schon jetzt einen Nachfolger von Powell zu ernennen, obwohl der eigentlich noch bis Mai 2026 im Amt ist. In den letzten Wochen habe Trump wiederholt mit dem Gedanken gespielt, bis September oder Oktober einen Schatten-Fed-Chef zu verkünden, berichtet das Blatt unter Berufung auf Insider im Weißen Haus. Powell wäre so zwar noch formal im Amt, würde aber in den kommenden Monaten zur "lahmen Ente", dessen Wort an den Märkten weniger Gewicht hat. Laut einer der Quellen der Zeitung ist Trumps Wut auf Powell inzwischen so groß, dass der Schritt sogar schon im Sommer kommen könnte.

Denn dass Fed-Chef Jerome Powell nicht einfach macht, was Trump sagt, ist dem US-Präsidenten schon lange ein Dorn im Auge. Trump will Wachstum und braucht dafür niedrige Zinsen. Am liebsten hätte er einen Zentralbankchef, der einfach auf seinen Befehl Geld druckt und Jobs auf Knopfdruck liefert, wie etwa in autoritären Ländern wie Venezuela oder der Türkei. Schon seit Monaten macht Trump daher öffentlich Druck auf Powell, nennt ihn "Herr Zuspät" und einen "totalen Loser", und sucht Wege, wie er ihn und die Fed unterwerfen kann. Nun könnte er sie in die Tat umsetzen.

Trump hat schon oft mit dem Gedanken gespielt, den Fed-Chef einfach abzuservieren: "Powells Entlassung kann nicht schnell genug kommen!" polterte er etwa im April. Doch ob Trump Powell feuern kann, ist juristisch höchst umstritten: Die Fed ist eine unabhängige Behörde, die nicht dem Präsidenten untersteht. Zudem könnte Powells Entlassung Panik an den Märkten auslösen, wenn der Eindruck entsteht, dass die US-Notenbank nicht länger unabhängig ist, und die Zinsen nun von den Launen des US-Präsidenten statt von wirtschaftlicher Vernunft abhängen.

"Unerschütterlich loyal"

Aus Angst vor der Börsenreaktion hat Trump deswegen bislang davor zurückgeschreckt, Powell zu entlassen. Nun hat er womöglich einen Weg gefunden, ihn zu entmachten, ohne ihn zu feuern. Finanzminister Scott Bessent hatte die Idee eines Schatten-Fed-Chefs, der Powells Autorität untergräbt, schon vergangenen Herbst im Wahlkampf ins Spiel gebracht. Und klar gemacht, welche Zweck sie hätte: "Niemand schert sich dann noch wirklich darum, was Powell zu sagen hat".

Laut der "Wall Street Journal" sind der ehemalige Fed-Gouverneur Kevin Warsh, Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett und auch Finanzminister Scott Bessent selbst für den Posten als oberster Vollstrecker von Trumps Zins-Wünschen im Gespräch. Offenbar sind Trumps Erwägungen weit fortgeschritten: Er habe bereits drei oder vier Personen im Sinn, die er ernennen könnte, sagte Trump am Mittwoch beim Nato-Gipfel in Den Haag.

Wer auch immer den Posten bekommt, seine Aufgabe ist es, die Erwartungen der Investoren in die von Trump gewünschte Richtung zu beeinflussen. Denn wenn sie sich darauf einstellen, dass die Zinsen bald fallen, weil Trumps Schatten-Fed-Chef das ankündigt, bekommt die Wirtschaft schon jetzt einen Schub, auch sie noch gar nicht gesenkt wurden. Der US-Präsident könnte quasi vom Rücksitz aus die US-Geldpolitik lenken, auch wenn Powell weiter offiziell am Steuer sitzt. Infrage kommt daher nur jemand der "unerschütterlich loyal" sei, zitiert das Blatt Trumps Umfeld.

Trump geht es darum, über einen willfährigen Fed-Chef die Märkte zu kontrollieren. Denn sie sind neben der Justiz die einzige unabhängige Gewalt, die Trump wirklich in die Schranken weisen kann und die seiner Agenda im Weg steht, wie man an seinen Zoll-Rückziehern im Handelskrieg sieht (https://www.n-tv.de/wirtschaft/Fuer-die-Wall-Street-ist-Trump-ein-aengstliches-Huehnchen-article25832292.html). Doch der Plan könnte nach hinten losgehen.

Ein Bruchpilot im Weißen Haus

Die Gefahr ist groß, dass Trump die Börsianer nicht an Powell vorbei kontrolliert, sondern erst recht in Unruhe versetzt. Denn mit der frühzeitigen Ernennung eines konkurrierenden Zinspapstes schafft Trump womöglich Verwirrung, die die Märkte lähmt. "Die Idee eines Schatten-Notenbankchefs ist wie zwei Piloten, die sich mitten im Flug um den Steuerknüppel balgen. Märkte fürchten nur eines: Unsicherheit. Und Unsicherheit schlägt Investoren sofort in die Flucht", warnte die Handelsplattform Saxo schon im April.

Schlimmstenfalls könnte Trump so zum Bruchpilot werden, der die US-Wirtschaft zerstört. Denn die Unabhängigkeit der US-Zentralbank ist ein Grundpfeiler, auf dem das Fundament des Weltfinanzsystems ruht. Nicht nur durch Powells Entlassung, auch durch seine monatelange Untergrabung durch einen Konkurrenten würde sie schweren Schaden nehmen. Die Glaubwürdigkeit der Notenbank wäre dahin - und mit ihr das Vertrauen der Märkte, dass die Inflation nicht durch Trumps Zinsbefehle plötzlich explodiert. Den Dollar könnte das seine Rolle als globale Leit- und Reservewährung kosten. Die Nachricht von Trumps Planspielen drückte ihn am Donnerstag auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren.

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