Der VW-Konzern trennt sich von Personalvorstand Gunnar Kilian – und damit vom dienstältesten Vorstandsmitglied. Das teilte der Betriebsrat von Volkswagen den Mitarbeitern in einem Rundschreiben mit, das WELT vorliegt. Der Aufsichtsrat habe den Beschluss am Freitag gefällt. Ein Sprecher des Aufsichtsrats bestätigte das.

Der gelernte Journalist Kilian ist bereits seit 2018 im Vorstand. Zuvor war der 50-Jährige unter anderem Presssprecher des Betriebsrats und dessen Geschäftsführer. Wie in anderen mitbestimmungspflichtigen Konzernen auch wird bei VW der Personalchef von Arbeitnehmerseite vorgeschlagen.

Grund für Kilians Fortgang sei ein Bündel an Gründen, heißt es in der Mitteilung. „Dazu zählen grundsätzliche Differenzen bei zentralen Themen des Konzerns. Ausschlaggebend für die Arbeitnehmerseite ist jedoch vor allem die generelle Überzeugung, dass Kilian der Rückhalt für eine nahende Vertragsverlängerung fehlt.“ Das liege etwa daran, dass Kilian mit dem Aufkündigen von VW-Haustarifen im vergangenen Jahr verbunden war. Dies hatte der Betriebsrat als „historischen Tabubruch“ heftig kritisiert.

Thomas Schäfer, Chef der Marke Volkswagen Pkw, übernimmt nun kommissarisch das Personal-Ressort. Arne Meiswinkel, Personalvorstand der Marke Volkswagen Pkw, rückt in diesem Zuge zusätzlich in die erweiterte Konzernleitung auf und wird für das Personal zuständig.

Das Thema soll bei der Gewerkschaft IG Metall Chefsache werden. „Die Nachfolgesuche hat auch für mich persönlich höchste Priorität. Dabei gilt: In Deutschlands größtem Industriekonzern muss die Person in der Arbeitsdirektoren-Funktion immer auch eine stark vermittelnde Rolle zwischen unterschiedlichen Interessenlagen einnehmen“, erklärte die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner, die seit dem Frühjahr im VW-Aufsichtsrat sitzt. Die VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, sie stehe für den Posten nicht zur Verfügung.

Auch in seiner zweiten Rolle als Vorstand der Lkw-Marken war Kilian zuletzt offenbar bei den übrigen Vorständen angeeckt. Der Aufsichtsrat teilte mit, weiterer Grund für den Abschied von Kilian seien „unterschiedliche Vorstellungen bei der Steuerung von Beteiligungsgesellschaften“.

Kilian galt bislang als eine zentrale Figur für die Vereinbarungen zum Arbeitsplatzabbau bei VW von 35.000 Stellen bis zum Jahr 2030. Er hatte erst im Juni bei einer Betriebsversammlung vermeldet, das Programm laufe plangemäß. 20.000 konkrete Stellen-Streichungen hat das Management an seinen westdeutschen Standorten bereits fest ausgemacht. 14.000 davon sollen durch Altersteilzeit wegfallen, die der Konzern aufstockt. Etwa 1300 fallen über Aufhebungsverträge weg, also durch ein Abfindungsprogramm. Dieses lief bislang nur in den Büros, in den Werken muss es noch ausgerollt werden. Weitere Stellen fallen über den regulären Renteneintritt weg.

Trotz der Einigung mit dem Betriebsrat aus dem vergangenen Jahr, nicht in großem Stil Werke zu schließen, läuft der Abbau nicht ganz ohne Konflikte. Für die Gläserne Manufaktur in Dresden, die als kleines innerstädtisches Werk notorisch Verluste schreibt, sucht Volkswagen noch einen Nachnutzer.

Aussichtsreicher wäre ein solches Vorhaben für den Standort Osnabrück, an dem VW bislang etwa Cabrios fertigt. Doch auch die Zukunft dieses Standorts ist über 2027 hinaus noch unklar. Denkbar wäre eine Lösung ähnlich wie bei einem aufgegebenen Continental-Werk in Gifhorn, das unter anderem vom boomenden Rüstungskonzern Rheinmetall weitergenutzt wird. Die Arbeitnehmer hoffen zudem teils noch darauf, dass der Stellenabbau etwas geringer ausfallen könnte, falls der Konzern im Prozess bemerkt, dass schlankere Prozesse in einigen Bereichen doch nicht möglich sind oder das Werk Osnabrück weiter ausgelastet werden könnte.

Kilians Vertrag war zuletzt 2021 vorzeitig verlängert worden und hätte damit wohl zum Jahresende 2026 erneut verlängert werden müssen – ein Prozess, der üblicherweise gut ein Jahr vorher angestoßen wird. Der Manager ist seit 2021 zusätzlich verantwortlich für die Markengruppe Trucks, also etwa für die Lkw-Marken Scania und MAN und die größeren VW-Busse. Sein Gehalt lag 2024 inklusive Versorgungsaufwendungen bei 6,5 Millionen Euro.

Kilian ist mit einer Unterbrechung seit 2000 bei VW. Zwischenzeitlich war er Büroleiter beim damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl, der auch dem VW-Betriebsrat angehörte und 2007 über die Korruptionsaffäre des Gremiums stürzte. Zudem leitete er 2012 das Salzburger Büro des damaligen Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch. Kilian, der mit einer früheren Pressesprecherin der Konzern-Marke Skoda verheiratet ist, kennt den Konzern also von allen Seiten – und auch dessen Abgründe.

Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur und berichtet über die Automobilbranche.

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