Die massiven Probleme im Flugverkehr vor einem Jahr wiederholen sich. Hauptursache der Verspätungen sind Engpässe in der Flugsicherung. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Ukraine-Krieg.

Flugreisende müssen sich in den nächsten Wochen auf erhebliche Verspätungen einstellen. Ein Mangel an Fluglotsen wird durch mehrere Faktoren zusätzlich verschärft: Streiks, Waldbrände, eine steigende Nachfrage sowie den Krieg in der Ukraine. EU-Beamten zufolge arbeitet das Flugsicherungssystem am Limit. Denn es fehle an Personal, und die Nachfrage nach Flügen habe nach der Corona-Pandemie neue Höchststände erreicht, zitiert die "Financial Times".

Fraport-Chef Stefan Schulte sagte im Mai, die Flugsicherung sei inzwischen der Hauptfaktor für Verspätungen. Ein Ende ist nicht in Sicht: "Das wird der große Engpassfaktor in den nächsten zehn Jahren." Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zunahme militärischer Flüge seit Beginn des Ukraine-Krieges.

Hinzu kommen aus demselben Grund Umwege: "Der Luftraum in Europa wird durch den Krieg in der Ukraine enger, weil bestimmte Gebiete umflogen werden müssen", sagte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard bei der Deutschen Flugsicherung. Darüber hinaus verkürzten zunehmende Schlechtwetterlagen die Zeitfenster, in denen geflogen werden könne. Auf den verbliebenen Flugstrecken gebe es mehr Verkehr. Diese Veränderungen begünstigten Verspätungen, weil die Flugzeuge reihenweise abgearbeitet werden müssten.

Nur jeder Zweite kam pünktlich an

Schon im vergangenen Jahr hatten Flugverspätungen einen Höhepunkt erreicht. Nach Angaben der europäischen Organisation für Luftverkehrskontrolle (Eurocontrol) waren so viele Verbindungen verspätet wie seit den 1990er Jahren nicht. In gut der Hälfte der Fälle war demnach Personalmangel in der Luftverkehrskontrolle die Ursache.

Besonders viele Ausfälle und verspätete Flüge gab es hierzulande laut dem Fluggastrechteportal Airhelp in den Sommermonaten, in denen auch die meisten Flieger abhoben. Im Juli kam nur die Hälfte der Reisenden pünktlich ans Ziel, die anderen waren verspätet oder von einem Ausfall betroffen.

Eurocontrol zufolge hoben Flüge in Europa im vergangenen Jahr im Schnitt mit knapp 18 Minuten Verspätung ab. Auf das Verkehrsmanagement durch Flugsicherungen entfielen davon rund zwei Minuten. Das waren 18 Prozent mehr als im Vorjahr und markierte den schlechtesten Wert seit Jahrzehnten. Fraport-Chef Schulte mahnte eine bessere Verzahnung der nationalen Flugsicherungen und eine engere Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Behörden an.

So viele Kunden wie nie klagen

"Letztes Jahr hatten wir den schlimmsten Sommer aller Zeiten, was Verspätungen und Annullierungen angeht - dieses Jahr wird es sehr ähnlich sein", zitiert die "Financial Times" einen hohen EU-Beamten. Große Sorgen lösen demnach auch die Folgen des Klimawandels aus. Von den zunehmenden Wetterextremen seien viele "ziemlich gefährlich für die Luftfahrt".

Die Verspätungen treffen unter anderem Frankreich, Deutschland, Griechenland und Spanien besonders, wie die Zeitung ausführt. Insbesondere in Frankreich schlagen zudem Streiks zu Buche. Vor einer Woche führte dort eine zweitägige Arbeitsniederlegung von Fluglotsen zu erheblichen Ausfällen und Verspätungen. Die Lotsen protestierten gegen Personalmangel und veraltete Technik. Der europäische Verband Airlines for Europe schimpfte dagegen, "dieser Streik ist unerträglich" - die französische Flugsicherung sei schon jetzt für die meisten Verspätungen in Europa verantwortlich und bringe zu Beginn der Reisesaison die Urlaubspläne Tausender Menschen "unnötig" durcheinander.

Verärgerte Kunden wehren sich zunehmend mit Klagen. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Klagen gegen Fluggesellschaften bei den Gerichten an Standorten mit größeren deutschen Flughäfen auf Rekordhöhe: 131.000 und damit etwa 6000 mehr als im Jahr zuvor. Die Kunden fordern meist Entschädigungen für ausgefallene oder verspätete Flüge.

Die EU-Kommission versucht ihrerseits laut den Informanten der "Financial Times", die Regeln für die Ausbildung des Flugsicherungspersonals zu lockern, die mancherorts fünf Jahre dauert - während sich etwa eine Fluglizenz für Piloten deutlich schneller erwerben lässt. Die Fluggesellschaften fordern zudem einen einheitlichen europäischen Luftraum. So ließen sich zumindest die Umwege vermeiden, die durch die fragmentierte Luftverkehrskontrolle entstehen.

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