Das Thema Staatsschulden ist zurück. Doch derzeit sind nicht Griechenland oder Italien die Hauptverdächtigen - sondern die USA. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei Präsident Trump und sein "One Big Beautiful Bill". Doch nicht alle Experten sehen schwarz.

Die schnell steigende US-Staatsverschuldung beunruhigt die internationalen Kapitalmärkte. Viele Finanzfirmen und Ökonomen sehen wachsendes Misstrauen gegen den fiskalpolitischen Kurs der USA. Dazu zählen etwa die US-Investmentbank Goldman Sachs, der zur Deutschen Bank gehörende Vermögensverwalter DWS, die italienische Bank Unicredit oder die bundeseigene Förderbank KfW. Zwar geht niemand davon aus, dass in nächster Zukunft eine US-Staatsschuldenkrise droht, manche Finanzfirmen wie die Munich Re sehen die USA nach wie vor als sicheren Hafen für Investoren. Doch zunehmend halten Beobachter eine größere Krise bereits in wenigen Jahren für nicht ausgeschlossen.

"Die USA haben zwar noch Spielraum für Anpassungen, aber der Spielraum für Fehler wird immer kleiner", warnt Christian Scherrmann, der für die USA zuständige Ökonom der DWS. "Verzögerungen erhöhen das Risiko einer nichtlinearen Finanzkrise, in der das Vertrauen der Märkte plötzlich schwindet." "Nichtlinear" ist der vornehme Ausdruck dafür, dass große Krisen seit jeher zu unvorhergesehenen Zeitpunkten kommen.

Innerhalb von gut zehn Jahren hat sich die US-Verschuldung verdoppelt: von 18,2 Billionen Dollar im Jahr 2015 auf derzeit 36,6 Billionen, wie auf der Webseite des US-Finanzministeriums nachzulesen. Die Haushaltsbehörde des US-Kongresses geht davon aus, dass das jüngst von US-Präsident Donald Trump verabschiedete Gesetz "One Big Beautiful Bill" die US-Schulden bis 2034 um weitere drei Billionen Dollar erhöhen könnte.

Zinszahlungen von einer Billion Dollar pro Jahr in Sicht

Dementsprechend wächst die Zinslast. In diesem Jahr wird die US-Regierung voraussichtlich 794 Milliarden Dollar an ihre Gläubiger berappen. In nicht allzu ferner Zukunft könnten die Zinszahlungen die Schwelle von einer Billion Dollar pro Jahr überschreiten. "Es bestehen wenig Zweifel, dass als Konsequenz des Gesetzes der Schuldenberg der USA weiter rasant wachsen wird", sagt KfW-Chefökonom Dirk Schumacher.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs - eine Großmacht der globalen Finanzbranche - glaubt zwar nicht, dass die "Big Beautiful Bill" die US-Staatsverschuldung dramatisch erhöhen wird. Doch das Haushaltsdefizit der USA mit derzeit fünf bis sechs Prozent ist bereits jetzt so hoch, dass die Fachleute der Bank besorgt sind. Die längerfristigen fiskalischen Aussichten der Vereinigten Staaten seien in einer "nicht haltbaren Position", warnte der hauseigene Volkswirt Alec Phillips jüngst in einer Veröffentlichung.

US-Inflation von 20 bis 25 Prozent möglich

Der prominente Ökonom Kenneth Rogoff - ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds - erwartet in den nächsten fünf bis sieben Jahren eine schuldenbedingte US-Inflationskrise mit einer Teuerungsrate von 20 bis 25 Prozent, wie der Wissenschaftler in einem kürzlich erschienen Buch ("Our Dollar, Your Problem") und mehreren Interviews prophezeite.

Die italienische Großbank Unicredit machte sich in einem Newsletter bereits öffentlich Gedanken über mögliche "subtile" Formen, die US-Zahlungsausfälle annehmen könnten. Eine Zahlungsunfähigkeit der USA nach hergebrachtem Muster schließt auch die Unicredit aus. Doch versehen war die Botschaft mit dem Hinweis, dass die Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung bereits achtmal ihre Schuldenlast mit "unorthodoxen Mitteln" reduziert hätten. "Angesichts der Größe des Markts für US-Staatsanleihen könnten bereits kleine und kurzfristige Episoden global massive finanzielle Auswirkungen haben", schrieb Edoardo Campanella, Leiter der Unicredit-Denkfabrik "Investment Institute".

"Misstrauensbeweis" gegen US-Geldpolitik

Der in der deutschen Finanzszene bekannte DWS-Fondsmanager Thomas Schüßler sieht schwindendes Vertrauen in die USA. Er weist auf drei Faktoren hin: die hohe Verzinsung langfristiger US-Staatsanleihen von derzeit etwa 4,3 Prozent, die Abwertung des Dollar in den vergangenen Monaten und den stark gestiegenen Goldpreis - letzteres ein traditionelles Indiz, dass Anleger einen sicheren Hafen suchen. Diese drei Faktoren in Kombination nennt Schüßler "den ultimativen Misstrauensbeweis gegen die amerikanische Geldpolitik".

Die DWS geht zwar nicht davon aus, dass die Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen im Laufe der kommenden zwölf Jahre kräftig steigen wird. Anleiheexperte Oliver Eichmann hält jedoch nicht für ausgeschlossen, dass verunsicherte Anleger einen Bogen um US-Papiere machen: "Eine größere Bewegung aus US-Staatsanleihen hinein in andere Anleihemärkte, würde ich sagen, ist ein größeres Risiko."

Nicht alle sehen schwarz

Optimisten sind derzeit in der Minderheit, aber nicht ausgestorben. Vergleichsweise unbesorgt wirkt der Rückversicherer Munich Re, der in der Finanzbranche traditionell als vorsichtiges Unternehmen gilt. "Das Risiko, US-Staatsanleihen zu halten, besteht in der Fähigkeit und Bereitschaft des US-Finanzministeriums, die Schulden zurückzuzahlen", sagt Nicholas Gartside, der Chief Investment Officer des Münchner Dax-Konzerns. "Diese beiden Faktoren stehen absolut außer Frage. US-Schulden bleiben ein sicherer Hafen."

Die aktuelle Dollar-Schwäche führt der Spitzenmanager nicht auf den Anstieg der US-Verschuldung zurück: "Andere Faktoren wie die Zinsdifferenz zu anderen Ländern und die relativen Wachstumserwartungen sind viel wichtiger. So sind beispielsweise seit Anfang 2025 die Wachstumserwartungen für die USA niedriger und für die Eurozone höher."

Niedergang der USA als Weltmacht in Sicht?

Jenseits der Finanzbranche nehmen manche Denker bereits das ganz große Ganze in den Blick. Zu diesen zählt der an der US-Eliteuniversität Harvard lehrende Historiker Niall Ferguson. Der Professor ist Fachmann für die Geschichte des Geldes und stellte in einem Gespräch bei Goldman Sachs kürzlich ein "Ferguson-Gesetz" auf: Großmächte, die mehr Geld für die Zahlung ihrer Zinsen als für das Militär ausgeben müssen, sind demnach zum Niedergang verurteilt.

Der Etat des US-Militärs in diesem Jahr beläuft sich auf 956 Milliarden Dollar und könnten somit bald von den Zinszahlungen übertroffen werden. "Die Geschichte ist voll mit Beispielen von Supermächten, die mehr für den Schuldendienst ausgaben als für die Verteidigung, und in der Folge dann weder super noch mächtig waren", sagte Ferguson.

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