Der Audi E-Tron GT war schon immer ein technisch und dynamisch beeindruckendes Auto. Nun paart er diese Kenner-Qualitäten endlich mit einer elektrischen Alltagstauglichkeit, wie man sie in der oberen Preisklasse auch erwarten kann. Komplett ohne Tadel ist die Sportlimousine aber nach dem großen Lifting noch nicht. 

Premiere feierte der E-Tron GT Ende 2020 als elektrisches Leuchtfeuer der Marke. Doch der Viertürer brachte zunächst kaum mehr als ein kurzes Aufflackern zustande – und blieb trotz schneidiger Optik und passender Fahrdynamik bei den Verkäufen im Schlagschatten seines Technik-Zwillings Porsche Taycan. Die Gründe haben vor allem etwas mit Marketing, Rationalität und Emotionalität zu tun. Während die Stuttgarter letztere wie gewohnt perfekt zu nutzen wussten, vermarktete Audi den E-Tron vielleicht ein wenig zu vernunftbetont – als Vorboten der Mobilität von morgen und leicht nerdiges Technik-Showcar. 

Das Problem: Rational gesehen, war der E-Tron damals kein sehr gutes Auto. Mindestens 100.000 Euro sollte die Kundschaft investieren. Und bekamen dafür, je mach Perspektive eine auf den Chefplätzen im Fond viel zu enge Oberklasselimousine oder einen viel zu wuchtigen Sportwagen mit Rückbank. Noch schlimmer: Bei der Praxisreichweite (auch bei guten Bedingungen keine 400 Kilometer) mussten E-Tron-Fahrer sich schon bald von Klein- und Kompaktwagenfahrern düpieren lassen. Von Tesla-Haltern ganz zu schweigen. 


Audi S E-Tron GT


Seit vergangenem Jahr ist zumindest das Problem mit dem Operationsradius weitgehend gelöst. Je nach Variante kommt der GT nun in der Basisausführung bis zu 622 Norm-Kilometer weit. Die getestete stärkere S-Variante steht mit bis zu 609 Kilometern in Audis Datensammlung. Und selbst in der Praxis waren es bei sommerlichen Temperaturen 555 Kilometer. Erreicht haben das die Ingenieure aus zwei Richtungen: Durch eine vergrößerte Batterie und durch einen verringerten Verbrauch. Der lag im Test-Schnitt knapp unterhalb von 20 kWh – und blieb dort auch bei gemäßigter Autobahnfahrt. Der windschlüpfigen und flachen Karosserie sei Dank. 

Die verbesserte Reichweite war das letzte Puzzle-Teil, das den Audi endgültig zu einem sehr guten elektrischen Reiseauto macht. Es komplettiert ein Bild, das zuvor vor allem durch die hohe Ladegeschwindigkeit geprägt war. Die ist nun noch einmal gestiegen, liegt im Testwagen bei theoretischen 320 kW. In der konkreten Praxis waren Peak-Werte um die 300 kW erreichbar, selbst über den gesamten Bereich von 20 bis 80 Prozent Batteriefüllstand lag der Durchschnitt immer jenseits der 200 kW. Rund 20 Minuten reichen zum kompletten Volladen. Im Reisealltag dürften die meisten Nutzer für den Stopp am Schnelllader kaum länger brauchen als für den klassischen Flüssigsprit-Tankvorgang. 

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Abgerundet werden die Langstreckentugenden durch den – vor allem für eine Sportlimousine – hohen Fahrwerkskomfort. Audi gönnt seinem Elektro-Flaggschiff serienmäßig eine Luftfederung und gegen Aufpreis ein Aktivfahrwerks-Upgrade (7.000 Euro). Die Kombination bügelt Unebenheiten kompetent weg und hält die Karosserie bei jedem Tempo und auf jedem Belag in der Waage. Das gilt auch bei schnell gefahrenen Kurven. Wer es noch etwas straffer will, wählt die Sport-Kennlinie, die aber ebenfalls noch einen ordentlichen Rest-Komfort bietet. Die Lenkung ist dabei verbindlicher als von Audis Limousinen gewohnt, bleibt im Charakter aber grundsätzlich entspannt. Der E-Tron ist eben eher GT als knallharter Sportwagen.

Der Antrieb beherrscht grundsätzlich beides: 629 PS und 740 Nm lassen keine Wünsche offen, flotte Antritte und schnelle Zwischenspurt absolviert der Allrader mit einer mühelosen Leichtigkeit, die ihm kein Verbrenner nachmacht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit 245 km/h ebenfalls auf dem von S-Modellen mit Ottomotor bekannten Niveau. Die Kraftentfaltung ist dabei gut dosierbar, findet immer einen guten Kompromiss zwischen elektrotypischer Explosivität und Fahrbarkeit. Soundtechnisch ist das E-Mobil deutlich zurückhaltender, synthetisiert eine auf Wunsch höchst hintergründige Motorensimulation in den Innenraum. 


Fahrbericht: Audi e-tron GT (2025)


Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt weiterhin das Infotainment. Zwar erfreuen Funktionsvielfalt und Informationstiefe – etwa bei der Ladeplanung, die sogar die Spannungsebene der Säulen anzeigt – gleichzeitig wird die Bedienung dadurch übungsintensiv und komplex. Von der intuitiven Handhabung wie man sie etwa von Tesla und teils vom Mercedes-MBUX-System kennt, ist Audi noch immer ein gutes Stück entfernt. Dazu trägt auch das Multifunktionslenkrad bei, das mit sehr empfindlichen Touch-Flächen anstelle von haptischen Knöpfen arbeitet – wer nicht auf seinen Handballen aufpasst, verschiebt schnell mal ein paar Einstellungen.

Hinzu kommen ein leichte Stabilitätsprobleme: So hielt die Software die Bluetooth-Verbindung zu Apple Car Play nicht immer stabil, beim Bord-Navi verschwand zwischendurch mal das Eingabefeld für die Adresssuche. Und auch, dass die Ladeklappe einmal einfach nicht entriegeln wollte, verstärkt nicht das Vertrauen in Software und Elektronik. Einige der Kritikpunkte lassen sich wohl durch Software-Updates aus der Ferne beheben – ein Kaufhindernis sind sie also nicht. 

Schwieriger ist in dieser Hinsicht wohl der Preis. Die Basis gibt es ab 109.000 Euro, das gefahrene S-Modell steht schon mit 126.000 Euro in der Liste. Die Ingolstädter haben im Testwagen noch ein paar sinnvolle bis luxuriöse Extras draufgelegt – und schon stehen 158.000 Euro auf der Rechnung.

Der Gegenwert an Fahrdynamik, Fahrspaß und auch Fahrkomfort ist beträchtlich – aber nicht konkurrenzlos. Wer ein bequemes Reiseauto sucht, findet im A6 E-Tron die praktischere Alternative, den besseren Sportwagen sucht man - elektrisch oder mit Boxermotor - bei der Konzernverwandtschaft in Stuttgart. Und für noch mehr Komfort und Platz wählt man eine klassische Oberklasselimousine. Der E-Tron leistet sich den Luxus, von allem etwas zu bieten – ein Kompromiss auf höchstem Niveau. Genau die Form von Luxus eben, wie man sie von einem GT erwartet. 

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