Im ARD-Sommerinterview hat AfD-Chefin Weidel ihre Kritik an Kanzler Merz bekräftigt. Eine gesellschaftliche Polarisierung durch die AfD sieht sie nicht. Das Interview wurde von lautstarken Protesten gestört.
Begleitet von lautstarken Protesten hat AfD-Chefin Alice Weidel sich im ARD-Sommerinterview den Fragen von Hauptstadtstudio-Leiter Markus Preiß gestellt. Dabei erhob sie erneut Vorwürfe gegen die schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz. Diesen hatte sie zuvor als "Lügenkanzler" bezeichnet - was sie nun erneut bekräftigte. Der Grund: Merz habe alle Wahlversprechen gebrochen, etwa die Migrationswende und die Abschaffung des Heizungsgesetzes.
Aber auch die AfD hatte Im Wahlkampf viele Versprechen gemacht und Forderungen gestellt - unter anderem eine massive Senkung der Einkommenssteuer, sie komplette Abschaffung von Grund- und Erbschaftssteuer, niedrigere Energiepreise. Das deutsche Institut für Wirtschaft schätzt die Kosten dieser Maßnahmen auf 149 Milliarden Euro pro Jahr.
ARD-Sommerinterview mit AfD-Chefin Weidel
Bericht aus Berlin, 20.07.2025 18:00 UhrWie würde die AfD ihre Versprechen einhalten?
Auf die Frage, wie die AfD ihre eigenen Versprechen gegenfinanzieren würde, wäre sie an der Regierung, sagte Weidel, man müsse die Ausgaben massiv senken und könne Geld auf der anderen Seite auch einsparen. Dabei verwies sie mehrfach auf das Bürgergeld. Dieses koste im Jahr rund 50 Milliarden Euro, die Hälfte der Bezieher seien Ausländer. "Die haben nie in dieses Sozialsystem eingezahlt. Und die andere Hälfte hat zu drei Vierteln einen Doppelpass."
Preiß verwies darauf, dass die AfD im Wahlkampf auch versprochen hatte, dass das Rentenniveau auf 70 Prozent steigen solle - Experten schätzten aber, das koste weitere 100 bis 200 Milliarden Euro im Jahr. "Der Punkt ist einfach, die Schätzungen sind falsch", so Weidel darauf.
Iris Sayram, ARD Berlin, über das ARD-Sommerinterview mit AfD-Chefin Weidel
tagesschau24, 20.07.2025 17:00 UhrErneut nach der Gegenfinanzierung der vielen Milliarden Euro gefragt, nannte Weidel etwa die Senkung oder Abschaffung der Stromsteuer für alle, die rund 5,4 Milliarden Euro kosten würde und nun nicht gemacht werde. "Und dann geht unser Staat dahin, die Friedrich-Merz-Regierung, und schenkt der Ukraine neun Milliarden deutsches Steuergeld und will jetzt für fünf Milliarden Patriot-Raketen für die Ukraine kaufen. Das versteht niemand mehr."
Angesprochen darauf, dass auch die genannten möglichen Einsparungen noch lange nicht für die Gegenfinanzierung der eigenen Versprechen reiche, sagte Weidel, dies sei nur ein Beispiel - "das ist ja kumulativ".
Lautstarke Proteste machen Interview schwierig
Das Open-Air-Interview im Regierungsviertel an der Spree wurde von lautstarkem Protest mit Trillerpfeifen, Hupen und lauter Musik mit Anti-AfD-Slogans vom anderen Spreeufer begleitet. Zu sehen war eine kleinere Demo-Gruppe und ein großer Bus. Mehrmals musste Weidel nachfragen oder sich vorbeugen und konnte Fragen nicht verstehen.
Hinter der Aktion steckt nach eigenen Angaben die Gruppe Zentrum für Politische Schönheit, die für solche Demos einen Bus mit extrem starken Lautsprechern ausgerüstet hat. Den Bus hatte sie "Adenauer SRP+" getauft.
Preiß sprach im Anschluss an das Interview von verschärften Bedingungen. Man habe sich teilweise kaum verstehen können. Das Interview habe "in einer wirklich schwierigen akustischen Situation" stattgefunden.

24.000 Euro im Monat "üblich"
Beim Thema Ehrlichkeit sprach Preiß auch an, dass der AfD-Abgeordnete Stephan Brandtner beklagt hatte, dass Menschen in normalen Beschäftigungsverhältnissen um ihre Lohnerhöhung kämpfen müssten, während Abgeordnete ihre Erhöhungen einfach durchgewunken bekämen. Kurz darauf hatte die AfD-Fraktion ihre Bezüge aber deutlich erhöht und die Zulagen verdoppelt. "Sie bekommen nun 24.000 Euro im Monat. Ist das ehrlich, wenn man da die andere Aussage dagegen sieht?"
"Absolut", so Weidel. Nach fast acht Jahren habe man das Gehalt der Vorsitzenden und Vorstände lediglich auf das übliche Niveau der anderen Fraktionen und Parteien angehoben. "Dieser Schritt kommt natürlich auch sehr groß vor, aber das ist das, was üblicherweise gezahlt wird." Man sei jahrelang darunter gewesen. "Wir haben jetzt mit der Verdopplung der Wahlergebnisse - und damit auch deutlich mehr Verantwortung - uns gedacht, dass wir das anheben müssen."
Ende Juni war bekannt geworden, dass die AfD-Fraktion die Zulagen ihrer Chefs Weidel und Tino Chrupalla sowie die der anderen Mitglieder des Fraktionsvorstands verdoppelt hatte. Neben der normalen Bundestagsdiät in Höhe von rund 12.000 Euro bekommen Weidel und Chrupalla seitdem zusätzlich 12.000 Euro für ihre Führungsposition.
Weidel sieht keine Spaltung durch AfD
Ein weiteres Thema war das kürzlich bekannt gewordene Strategiepapier der AfD. Es zeigt auf, wie die AfD in Regierungsverantwortung kommen möchte, indem sie Schwarz-Rot spaltet. Dabei ist auch ein absichtlich inszenierter Kulturkampf gegen die Linke ein wichtiges Element. "Sie sagen da klipp und klar: Ihr Ziel ist es, zu polarisieren", so Preiss. "Was wird in Deutschland besser, wenn das Land gespalten ist?"
"tagesschau together"- Eure Fragen an Alice Weidel
tagesschau24, 20.07.2025 15:00 UhrPolarisierung sei "überhaupt gar nicht gut", Weidel. Sie beschuldigte die "linke, woke Seite", einen Kulturkampf zu führen, dieser sei "in größten Teilen steuerfinanziert über parteinahe NGOs". Die Polarisierung komme daher, dass bestimmte Debatten "ideologisch zubetoniert" würden. "Ein Beispiel: Über die verfehlte Migrationspolitik kann man seit zehn Jahren überhaupt gar nicht ideologiefrei sprechen, ohne irgendwie als rechtsextrem oder als Nazi bezeichnet zu werden", so Weidel.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.