Das Bundesinnenministerium will Daten zum früheren Geschlechtseintrag und früheren Vornamen von trans Menschen speichern und weitergeben. Verbände sehen die neue Verordnung als überflüssig an - und potenziell gefährlich.

Ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums sorgt derzeit für Aufruhr. Grund dafür ist eine Meldedatenverordnung, die das Selbstbestimmungsgesetz betrifft. Der Entwurf sieht vor, dass im Datensatz für das Meldewesen künftig auch neue Datenfelder mit dem früheren Geschlechtseintrag und dem früheren Vornamen von Menschen gespeichert werden sollen, die eine Änderung vornehmen ließen.

Während das Bundesinnenministerium (BMI) es für erforderlich hält, diese Daten zu speichern und zu übermitteln, sehen Verbände die Verordnung als überflüssig und potenziell gefährlich an.

Rechtswissenschaftlerin bezweifelt Notwendigkeit

"Die Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen ist nötig, da Meldebehörden das Melderegister, wie vom Selbstbestimmungsgesetz vorgesehen, fortschreiben", schreibt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage. "Die zuständige Meldebehörde informiert aufgrund der einschlägigen Rechtsvorschriften die weiteren Behörden, die für ihre Aufgabenerledigung die Informationen benötigen."

Die Behörden nutzten Grunddaten wie Vor- und Nachname, Geburtsdatum oder auch Geschlecht, um eine Person zu identifizieren, so die Sprecherin des BMI. "Der Name einer Person ist dabei ein wesentliches Merkmal, Datensätze zweifelsfrei und dauerhaft der richtigen Person zuzuordnen." Durch Änderungsmitteilungen zwischen wichtigen Registern der Verwaltung werde gewährleistet, dass diese Register stets über die aktuellen Daten zu der Person verfügen.

Im Referentenentwurf heißt es deshalb, dass es erforderlich sei, diese Daten zu übermitteln. Genau das sehen jedoch die Verbände anders. Auch Isabel Lischewski, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Münster, bezweifelt die Notwendigkeit. "Zwar hat das Ministerium eine relativ weitreichende Verordnungsermächtigung für das Meldewesen. Das Selbstbestimmungsgesetz enthält aber bereits Regelungen dazu, welche Daten im System bestehen bleiben. Das heißt, für die Fälle, bei denen es wirklich problematisch ist, dürfen die Daten bereits jetzt offenbart werden."

Eine grundsätzliche Weitergabe dieser Daten sei nicht zwingend notwendig, da der Geschlechtseintrag zur eindeutigen Identifizierung nur begrenzt beitrage. "Inwiefern die pauschale Weitergabe zum Beispiel des vorherigen Geschlechtseintrags wirklich erforderlich ist, wird in dem Referentenentwurf nur sehr vage erklärt", so Lischewski.

Es sei immer ein Grundrechtseingriff, wenn solche sensiblen Daten staatlich weiterverarbeitet und übermittelt werden. "Deswegen muss so etwas gut begründet werden können", so Lischewski. Allein die Tatsache, dass man die Daten möglicherweise eines Tages mal brauchen könne und es die Arbeit erleichtern würde, sei kein durchschlagendes Argument.

Verbände sehen Widerspruch zum Offenbarungsverbot

Vereine wie die Deutsche Gesellschaft für Trans- und Intergeschlechtlichkeit (dgti) sehen durch die geplante Verordnung einen Widerspruch zum Offenbarungsverbot des Selbstbestimmungsgesetzes. "Eine zusätzliche Kennzeichnung ist überflüssig, da die Identität einer Person durch bestehende Register wie das Bundeszentralregister jederzeit nachvollziehbar bleibt. Auch Sicherheitsbehörden haben bei Bedarf Zugriff", heißt es in einer Pressemitteilung des dgti.

Denn das Offenbarungsverbot sieht zwar vor, dass die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden dürfen.

Es gibt jedoch auch Ausnahmen: So gilt das Offenbarungsverbot zum Beispiel nicht, wenn amtliche Register oder amtliche Informationssysteme personenbezogene Daten zu dieser Person enthalten und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung der Daten erforderlich ist.

Auch bei besonderen Gründen des öffentlichen Interesses gilt das Offenbarungsverbot nicht, beispielsweise wenn die Offenbarung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden sowie amtlichen Stellen mit Sicherheitsaufgaben erforderlich ist.

Der LSVD+-Verband Queere Vielfalt weist darauf hin, dass auch im Selbstbestimmungsgesetz bereits geregelt sei, dass bisherige Einträge in den Registern erhalten blieben, um die Identität einer Person sicherstellen zu können - und damit auch der ehemalige Geschlechtseintrag. "Die 'Datenspur' und damit auch die Identität einer Person bleibt stets nachvollziehbar."

Befürchtung eines Sonderregisters

Die dgti und weitere Verbände sehen daher keinen Grund, weshalb das Bundesinnenministerium die Daten dennoch in extra angelegten Datenfeldern speichern und den Behörden zur Verfügung stellen möchte. Sie sehen darin eine Art Sonderregister und fürchten, dass diese sensiblen Daten genutzt werden könnten, um zu diskriminieren und stigmatisieren.

"Angesichts steigender Zahlen von Hasskriminalität gegenüber trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ist es dringend notwendig, die geschlechtliche und sexuelle Identität im Grundgesetz zu schützen und nicht durch zusätzliche Kennzeichnungen offenzulegen", schreibt die dgti. Zudem verweist die dgti auf die Privatsphäre. Angaben zur Geschlechtsidentität und zum Vornamen seien besonders schützenswert.

Auskunftssperre bei altem Transsexuellengesetz

Die Verbände weisen zudem darauf hin, dass nach dem alten Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1981 der alte Datensatz bei einer Änderung des Geschlechtseintrags und Namens eine Auskunftssperre bekommen hat und nur zum Beispiel im Fall einer Strafverfolgung weitergegeben werden durfte. Sie fordern das Bundesinnenministerium daher auf, den Entwurf entsprechend zu überarbeiten.

Ob es dazu kommen wird, ist derzeit noch unklar. Die Änderungen sollen nach derzeitigen Plänen zum 1. November 2026 in Kraft treten.

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